Düsseldorf. In der Sammlung Philara zeigen Künstler*innen Arbeiten, die während ihrer Zeit am Niederrhein entstanden. Klingt verkopft, ist es aber nicht.
Lassen wir die Theorie mal beiseite und das ganze komplizierte Konzept, dann bleibt folgender erster Eindruck: Es macht Spaß, sich diese Ausstellung anzuschauen in der Kunstsammlung Philara. Zwölf Künstlerinnen und Künstler zeigen hier unter dem Titel „Speaking Soil“ ihre Arbeiten. Und, was sie ihnen so erzählt hat, der plappernde Mutterboden.
Es fängt schon sehr sinnlich an mit der Arbeit von Darcy Neven. Selbstgetöpferte Schalen, Teller in Erdfarben, zum Teil bereits gefüllt, laden Besucherinnen und Besucher zu Tisch. Wenn sie sich denn, darum geht es ja, auf den Boden bemühen. Und sich nicht scheuen, Besteck in die Hand zu nehmen, das wenig zweideutig an Geschlechtsorgane erinnert. Ist ja so: Man verzehrt sich nach dem anderen, findet ihn oder sie süß, will sie vernaschen.
Boden ist Fundament, Territorium, Rohstofflager
Boden ist im Glücksfall eben fruchtbar, Mutterboden also, wie ihn Salomé Ingelbrecht aufgehäuft hat und ihn von Baustellen gewissermaßen in die Ausstellung gekippt hat. Wer sie umkurvt hat, steht vor der Reliquie einer Birke von Marit Westerhuis. Der Baum musste einem Logistikzentrum weichen. Ein weiteres Mahnmal für Bäume findet sich übrigens im Obergeschoss, wo Silke Schatz den Bäumen von Manheim, dem letzten Ort, der dem Braunkohletagebau zum Opfer fallen wird, Keramikabdrucke genommen hat.
Boden, so wird deutlich, ist vielschichtig, ist Terrain, fruchtbares Land, Rohstoffdepot, Fundament und – im doppelten Sinne – Tonträger. Das zeigt Tini Aliman mit ihrer Arbeit „The Land Formerly Known as Home“. Da rotieren gebrannte Tonscheiben auf alten Plattenspielern und werden abgekratzt, auch dem im Rhein gefundenen Totholz will sie in einer Performance Klänge entlocken.
Apropos Performance: In einem kleinen Kabinett mit Sonnenuntergangslicht hat Cristiana Cott Negoescu, ausgezeichnet mit dem Förderpreis des Landes NRW, eine Szene aus der Verfilmung „Wizard of Oz“ nachempfunden: Eine Rüttelplatte gefährdet und zerstört immer wieder die Sandburgen, die dort aufgetürmt sind, und scheint auch von den roten Frauenschuhen immer wieder kleine Partikel abzuschaben. Nirgendwo ist es so wie zu Hause, lautet ihre Botschaft. Heimaterde, gewissermaßen.
Das Moor als Zeitmaschine betrachtet
Tiefgründig und spielerisch leicht zugleich mutet da Finn Wagners Rauminstallation an, in der eine aus der Zukunft herbeigeschaffte Infotafel über einen merkwürdigen Kultgegenstand informiert, der im Moor der Zukunft gefunden worden sein wird. Das Moor als Zeitmaschine, der Boden als unsicheres Terrain gewissermaßen.
Zwölf Positionen sind es insgesamt, die die jungen Künstlerinnen und Künstler während ihrer Stipendiatenzeit in der Region erarbeitet haben. Denn das ist der Untergrund, auf dem diese Ausstellung gewachsen ist: Seit rund zweieinhalb Jahren gibt es die „Borderland Residencies“, Stipendien für Aufenthalte in Ateliers zwischen Eupen in Belgien und Kranenburg am Niederrhein, von Hamminkeln-Ringenberg bis Venlo. Die organisatorischen Fäden zieht dabei der „Kulturraum Niederrhein“.
Material aus einem alten Zollposten
17 Stipendiatinnen auch aus Frankreich, Rumänien, Singapur und China haben in dieser Zeit Erkundungsreisen und Tiefenbohrungen im Grenzgebiet vorgenommen. Zhixin Angus Liao beispielsweise hat drei alte Leuchtstoffröhrenfassungen eines alten Zollkontrollpunktes auf je einem Schrottplatz in Belgien, den Niederlanden und Deutschland in Zahlung gegeben. Und zwischen 13 und 54 Cent erlöst hat. In einem Fall bekam er als Tausch eine Dose Cola. Diese, eine Lampenfassung und die Rechnung über den Transport und seine künstlerische Arbeit hängen großformatig in einem der Philiara-Räume.
Ein sehr irritierender Werkimpuls also, der neben den anderen Ergebnissen vom 10. April bis 2. Juni 2024 in der Ausstellung präsentiert wird in der Sammlung Philara, Birkenstraße 47a, 40233 Düsseldorf, geöffnet: fr 16-20 Uhr (nicht am 12. April), sa-so 14-18 Uhr (Führungen um 15 Uhr, fünf Euro). Eintrittsgelder bestimmen die Besuchenden selbst.