Am Niederrhein. Von Weeze über Goch und Berlin zum weltbekannten Galeristen: René Block ist weit herumgekommen. Nun kehrt er zum Niederrhein zurück.
Galeristen wirken Wunder, in dem sie Menschen zusammenbringen. René Block hat gerade wieder ein kleines Wunder gewirkt: Die drei Kunstmuseen Schloss Moyland, Kurhaus Kleve und Museum Goch – sie arbeiten zusammen, verkaufen gar ein Ticket für alle drei Häuser. Gut, zunächst nur für die Ausstellung der Werke des Galeristen René Block. Aber was heißt da „nur“?
Im Zusammenhang mit René Block ist ein „nur“ jedenfalls nicht angebracht. Der Junge aus Weeze, der in Goch zum Gymnasium ging und in Berlin „was mit Beuys“ machte, ist zu einem der führenden Galeristen und Kunstvermittler des Landes geworden. Berühmt gemacht haben ihn die „Editionen“, Kleinauflagen von Kunstwerken.
Zu den berühmtesten Editionen gehört der Bürorollcontainer, den er zwischen 1969 und 1972 konzipierte: Auf der Seite der Holzkiste: Die Namen jener Künstlerinnen und Künstler, die je eine Schublade (oder eine halbe oder ein Viertel) bestückt haben.
Liest sich für Kunstkenner mindestens mal so wie die Europameisterschaftself von 1972, inklusive Ergänzungsspielern: Joseph Beuys, KP Brehmer, Bazon Brock, Imi Giese, Karl-Horst Hödicke, Imi Knoebel, Konrad Lueg, Blinky Palermo, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Dieter Roth, Gerhard Rühm, Reiner Ruthenbeck, Wolf Vostell und Stefan Wewerka.
Wer seine Kunstkenntnis unter Beweis stellen möchte, hat in Moyland jetzt die Gelegenheit: Die Schubladen liegen unter Glas in den Vitrinen. Die Namen kann man dem Ringbuch mit Klarsichthüllen entnehmen. Und spielen: Wie viele Promi-Künstler erkennst Du?
Der Weg dorthin klingt, wenn ihn der heute 82-Jährige erzählt, so glaubwürdig wie der Sturz von Alice ins Wunderland. Ein Teenager vom Niederrhein lauscht sich durchs WDR3-Nachtprogramm in die Welt der Neuen Musik und Literatur, zur bildenden Kunst muss man ihn erst überreden: Ein Besuch des Kröller-Müller-Museums in Arnheim öffnet ihm die Augen.
Erste Miete für René Block in Berlin-Mitte: 56 Mark für zwei Räume
Block geht in Krefeld auf die Kunstgewerbeschule, studiert Glasmalerei und macht sich dann 1963 auf nach Westberlin. Kunstdiaspora damals. Was heute genauso unglaublich klingt wie die Mietpreise: „Für 56 Mark konnte ich zwei Räume im Souterrain in der Kurfürstenstraße in Berlin-Mitte bekommen.“ Und seine Galerie eröffnen, die zunächst für den an Lithografien interessierten Block als Grafisches Kabinett geplant war.
Er ahnt: Berlin braucht etwas anderes. Er fragt Joseph Beuys, ob er nicht mitmachen wolle für eine Ausstellung. Gerhard Richter und Sigmar Polke, Studienfreunde, sagen ihm: „Das schaffst du nie!“ Er schaffte es. Heute sagt Block: „Vielleicht, weil ich jung, naiv und vom Niederrhein war.“ Wolf Vostell, noch so ein Name, hatte das Treffen in Köln arrangiert. Da hatte Block aber auch schon seine ersten, heute legendenumwobene Ausstellung „Neodada, Pop, Décollage, Kapitalistischer Realismus“ veranstaltet.
Blocks Kunstgriff nun war es, Künstler zur Schaffung sogenannter Editionen zu bringen. Während Walter Benjamin in seiner Studie „Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit“ den Verlust der „Aura“ des Werkes beklagte, ging Block den umgekehrten Weg.
Er bat Künstler, Werke zu schaffen, die erst durch die Tatsache, dass sie in einer kleinen Auflage erschienen, ihren besonderen Wert bekamen. Und ihre Signatur, samt Aura, konnten sie getrost weglassen. „Edition Block“ reichte. Ein Kunstgriff, der plötzlich den Herausgeber zum Star machte, nicht den Künstler.
Damals, im Geiste der 60er, gedacht als „Demokratisierung und Sozialisierung des Kunstmarktes“. Zu den berühmtesten Auflagen gehören der Filzanzug oder der Schlitten von Beuys. Oder, in neueren Zeiten, die bunten, gebogenen Hubwagen von Alicja Kwade.
Eine Ausstellung mit viel Musik
Wer ob so vieler großer Namen eine angestaubte Legendensammlung in Moyland erwartet, liegt schief. René Blocks Editionen und Installationen erlauben immer auch einen fast spielerischen Ansatz. Block, interessiert am Zusammenspiel von Musik und Bildender Kunst, macht es auch mit seinen musikalischen Editionen leicht. Ein Touchscreen in einer (sonst stillen) Ecke ermöglicht es Besucherinnen und Besuchern, dieser Facette nachzulauschen.
Während, mit CDs und Wifi-Boxen angemessen modernisiert, nebenan
seine Arbeit „Mozart Mix“ auf die Ohren gibt. Die Recorder mit den Endloscassetten aus den 70ern liegen im gleichen Raum in der Vitrine.
Arbeiten von Ayşe Erkmen und Sunah Choi ergänzen die Ausstellung in Moyland. Chois Arbeit „Karo“ mit Elementen von Licht und Maschendrahtgeflechten hat ebenfalls diese spielerische Leichtigkeit. Nein, eigentlich darf man die aufgehängten Drahtvierecke nicht berühren, sagt sie. Aber so dicht vorbeigehen, dass der Luftzug sie bewegt. Oder dass man sie doch versehentlich anrempelt.
Nam June Paik und der Urahn aller Selfies
Schon Blocks Editionen zeigt häufig ein zunächst spielerisch leichter Zugang aus. Nehmen wir nur die für ihn von Nam June Paik 1978 gefertigte Arbeit „Der Denker – TV Rodin“. So etwas wie der Urahn aller Selfies: Die Skulptur des Denkers starrt in einen TV-Monitor, der ihn selbst zeigt. Dank einer Kamera direkt neben dem Monitor. Wer sich gehörig verrenkt, kann es schaffen, selbst neben dem Denker auf dem Bildschirm zu erscheinen. Und – danke, 21. Jahrhundert! – davon ein Selfie machen.
Keine Selfies, sondern Schwarz-Weiß-Fotografien von René Block ergänzen die Ausstellung: Immer wieder – und mit durchaus gekonntem Blick – hat Block „seine Künstler“ fotografiert. Und so feiert der Schöpfer der Editionen im zarten Alter von 82 Jahren seine Premiere als ausstellender Künstler mit Fotografien etwa. von John Cage und Marina Abramović.
Drei Ausstellungen, drei Zeiträume – aber ein Ticket
Die drei Ausstellungen laufen nicht synchron, sondern leicht zeitversetzt mit etwas unterschiedlichen Aspekten. Das Kombiticket, 15 Euro, berechtigt zum Besuch aller drei Museen, je einmal für jedes Haus, im gesamten Ausstellungszeitraum.
In Moyland läuft die Ausstellung vom 23. März bis zum 18. August mit dem Fokus auf Multiples, Musik und Videoeditionen. Das Museum Kurhaus Kleve startet mit seiner Ausstellung am 26. April, mit dem Blick vor allem auf die internationalen Verbindungen, sie läuft bis zum 8. September. Das Museum Goch, das sich auf Grafiken fokussiert, zeigt seinen Part vom 14. April bis zum 9. Juni.