An Rhein und Ruhr. Seit kurzem erlaubt das NRW-Verkehrsministerium von Oliver Krischer (Grüne) „Radschutzstreifen“ auch außerorts. Ein Unding, findet der ADFC.

Das NRW-Verkehrsministerium ermöglicht Radschutzstreifen jetzt auch außerhalb geschlossener Ortschaften. Radschutzstreifen sind Bereiche der Fahrbahn, die durch entsprechende Markierung als vorrangig für Radfahrer ausgewiesen sind. Radfahrverbände kritisieren dieses Konzept. Ihres Erachtens sind Radschutzstreifen vor allem außerorts wegen der höheren Geschwindigkeiten für Radfahrerinnen und Radfahrer potenziell gefährlich und kein Ersatz für echte, baulich getrennte Radwege.

Das Ministerium begründet die Erlaubnis zur Errichtung damit, dass Radschutzstreifen „in besonderen Einzelfällen und unter bestimmten Randbedingungen dazu beitragen, kurzfristig wichtige Lücken im Radverkehrsnetz zu schließen oder eine zeitlich begrenzte Übergangslösung bis zur Fertigstellung eines baulichen Radwegs zu schaffen.“

Oliver Krischer (Bündnis90/DieGrünen), Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, erlaubt nun auch die Einrichtung von Radschutzstreifen außerorts.
Oliver Krischer (Bündnis90/DieGrünen), Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, erlaubt nun auch die Einrichtung von Radschutzstreifen außerorts. © dpa | Federico Gambarini

Daher würden eventuelle neue Radschutzstreifen auch nicht auf das politische Ziel „1000 Kilometer neue Radwege“ angerechnet. Bislang waren Radschutzstreifen nur innerorts zulässig (aber nicht in Kreisverkehren), jetzt sind sie auch außerorts möglich, wenn auf der Straße maximal 70 km/h gefahren werden darf.

Dennoch sieht der Fahrrad-Club ADFC NRW den Erlass kritisch: Farbe allein sei keine Infrastruktur, so der ADFC. Er warnt vor engen Überholabständen auf markierten Schutzstreifen. Diese Maßnahme widerspräche dem Ziel des Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetzes NRW. „Schutzstreifen außerorts werden von Radfahrerinnen und Radfahrern weder als attraktive noch als sichere Radverkehrsinfrastruktur empfunden.“

Gefahr durch zu dichtes Überholen

Untersuchungen zeigten Sicherheitsrisiken, da auf Straßen mit markierten Schutzstreifen oft zu knapp überholt wird. Besonders außerorts, wenn Autofahrende mit hoher Geschwindigkeit unterwegs sind, kann es dann in vielen Fällen sehr gefährlich werden, so der ADFC. Unfallstatistiken belegen, dass das Risiko für Radfahrende, im Falle eines Unfalls schwer verletzt oder gar getötet zu werden, außerorts um ein Vielfaches höher liegt als innerorts.

Schutzstreifen können von Städten und Kreisen oder Landesbehörden, in diesem Falle also Straßen.NRW angelegt werden. Das Ministerium von Oliver Krischer (Grüne) schränkt bereits vorsichtig ein: „Es kommen außerorts Schutzstreifen nur auf Straßen in Frage, die etwa über eine ausreichende Fahrbahnbreite verfügen und gleichzeitig nicht stark belastet sind.“

Im Ministerium liegen derzeit noch keine Erkenntnisse darüber vor, ob es bereits Pläne gibt, wo in NRW solche Radschutzstreifen entstehen können. Da die Möglichkeit erst vor rund zwei Monaten eingeräumt wurde, sei davon auszugehen, dass es noch keine derartigen Streifen gibt.

„Nicht erforderlich“: Das NRW-Verkehrsministerium hält eine rote Markierung von Radschutzstreifen wie hier innerstädtisch in Mülheim außerorts für nicht erforderlich.
„Nicht erforderlich“: Das NRW-Verkehrsministerium hält eine rote Markierung von Radschutzstreifen wie hier innerstädtisch in Mülheim außerorts für nicht erforderlich. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

In den Niederlanden sind unter anderem im Gelderland, unmittelbar jenseits der Grenze von Emmerich und Isselburg, etliche schmalere Straßen mit derartigen Radschutzstreifen versehen worden. Dort, wo diese Streifen existieren, ist die Geschwindigkeit oft auf 60 km/h reduziert worden, zudem sind die Streifen oft mit roter Farbe markiert.

Das sieht das NRW-Ministerium anders: Zwar seien Radschutzstreifen nur an Straßen denkbar, wo die Geschwindigkeit auf maximal 70 km/h reduziert werde, aber: „Eine Rotmarkierung ist nicht erforderlich.“ Auch in Deutschland gab es bereits derartige Radschutzstreifen.

Modellversuch 2017 beendet

Ein entsprechender bundesweiter Modellversuch war 2013 gestartet worden, wurde aber 2017 beendet. Fazit seinerzeit: Es gibt kein erhöhtes Risiko, wenn maximal 70 km/h gefahren werden darf und die Straße von nicht mehr als 2000 Autos pro Tag genutzt wird. Denn: Da es „nur“ eine Markierung ist, wird der Schutzstreifen insbesondere bei entgegenkommenden Fahrzeugen oft als „Ausweichspur“ genutzt.

Radschutzstreifen in den Niederlanden: Trotz Tempo 60 kommt es oft zu sehr engen Überholvorgängen. 
Radschutzstreifen in den Niederlanden: Trotz Tempo 60 kommt es oft zu sehr engen Überholvorgängen.  © Fietersbond NL | DigiDaan

Der Unfallverband der Versicherer (UDV) urteilte nach einem Forschungsprojekt in 2018: Radfahrer fühlten sich auf den markierten Anlagen nicht sicher, insbesondere schmale Streifen würden gemieden. „Beim Überholen von Radfahrern auf den Streifen unterschreitet fast jedes zweite Kraftfahrzeug einen Seitenabstand von 150 cm. Die überholenden Kraftfahrzeuge orientieren sich dabei vor allem an den Markierungen auf der Fahrbahn und reagieren nur unzureichend auf die Position der Radfahrer“, so der UDV.