An Rhein und Ruhr. In den Rathäusern an Rhein und Ruhr wird aufgerüstet, um Beschäftigte zu schützen. Was Oberhausen, Wuppertal, Wesel und der Kreis Kleve planen.
Wachdienste, Sicherheitsverglasung, Bodycams: In den Rathäusern an Rhein und Ruhr wird aufgerüstet, um Beschäftigte in Jobcentern, Jugendämtern und weiteren Einrichtungen vor Übergriffen zu schützen. „Null Toleranz bei Gewalt“: Dieser Maxime haben sich viele Stadt- und Kreisverwaltungen verschrieben.
Anlass sind zunehmend massiver werdende Attacken. 18 Übergriffe wurden so etwa im vergangenen Jahr in Oberhausen zur Anzeige gebracht. 31 Fälle von Verbalinjurien und auch angedrohten körperlichen Angriffen verzeichnete die Stadt Mülheim – der mit Abstand höchste Wert seit mehr als zehn Jahren.
Stadt Wesel beschafft Bodycams für Stadtwacht
Nachdem im vergangenen Jahr die Stadt Moers Bodycams für das Ordnungsamt angeschafft hat, zieht Weselfür Politessen und Stadtwacht-Mitarbeitende nach. Wie die Stadtverwaltung dort berichtet, sähen sich die Beschäftigten immer häufiger Bedrohungen, Beleidigungen und sogar körperlichen Attacken ausgesetzt. Jetzt greift das Rathaus einen Antrag der Weseler CDU auf und will die Ausrüstung anschaffen.
„Seit geraumer Zeit ist auch in der Stadt Wesel ein zunehmendes Aggressionspotential in der Bevölkerung festzustellen“, heißt es in einem Bericht für den Ausschuss für Bürgerdienste, Sicherheit und Verkehr. 2023 meldeten die städtischen Bediensteten sechs Beschimpfungen oder Bedrohungen, teilweise sogar im Zusammenhang mit Nötigung.
Wuppertal verschickt „Blaue Briefe“ und warnt
In Wuppertal werden als eine Maßnahme sogenannte „Blaue Briefe“ verschickt. „Personen, die erstmalig im Kontakt mit Mitarbeitenden ‚auffällig‘ geworden sind, erhalten von uns ein ermahnendes Schreiben der jeweiligen Führungskraft.
Damit wollen wir deutlich machen: Ihr gezeigtes Verhalten war unangemessen und im Wiederholungsfall werden wir schärfere Maßnahmen ergreifen“, erklärt der dortige Haupt- und Personalamtsleiter Michael Telian.
Investiert habe die Stadt außerdem in der Ausstattung eines Alarmierungssystems für die Büroarbeitsplätze sowie dem Ausbau von Deeskalationstrainings und anderen Maßnahmen der Gewaltprävention für die einzelnen Leistungseinheiten. Eine schnelle psychosoziale Unterstützung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung sei zudem rund um die Uhr möglich.
In Landeshauptstadt nimmt Zahl der Übergriffe weiter zu
Bei der Landeshauptstadt Düsseldorf wurde im Herbst 2022 ein digitaler Meldebogen für die Erhebung von Gewaltvorfällen eingeführt. „Aus den erhobenen Daten ist erkennbar, dass die Fallzahlen kontinuierlich zugenommen haben“, lautet die Auskunft von Sprecher Michael Buch.
Die Stadt befinde sich derzeit in der Einführungsphase für eine neue Alarmierungssoftware, die eine Alarmierung vom Arbeitsplatz per Mausklick ermöglicht. „An einigen Standorten wird diese bereits erfolgreich genutzt, in mehreren Fachbereichen läuft eine Testphase für den weiteren Roll-Out.“
In Kleve gibt es nun Sicherheitsverglasung
Benedikt Giesbers, Sprecher des Kreises Kleve, führt an, dass Empfangsbereiche der Verwaltung und auch andere Arbeitsplätze mit einer Sicherheitsverglasung ausgestattet wurden. Diese soll die Bediensteten vor körperlichen Angriffen schützen. „Darüber hinaus wurden diverse Bereiche mit einer stärkeren Beleuchtung ausgestattet, geeignete Wartebereiche für Publikum geschaffen und Zugangssteuerungen für bestimmte Aufgabenbereiche eingeführt.“
Viele Arbeitsplätze seien bereits mit einer Alarmierungsmöglichkeit (etwa via PC) ausgestattet, „die präventive Ausstattung weiterer Arbeitsplätze mit einer Alarmierungsmöglichkeit befindet sich aktuell in der Umsetzung“.
Übergriffe auf Bedienstete würden umgehend thematisiert und Nachsorgemaßnahmen eingeleitet. „Eine Statistik hierzu wird aktuell nicht geführt, da Übergriffe auf Bedienstete der Kreisverwaltung bislang – erfreulicherweise – selten vorgekommen sind“, führt Giesbers an.
Wachdienst nach brutaler Attacke einer Familie eingesetzt
In Oberhausen machte im November 2022 ein Vorfall Schlagzeilen. Eine Familie randalierte im Jugendamt, ein Mitarbeiter musste verletzt ins Krankenhaus.
An dem Standort sei unverzüglich ein Wachdienst eingerichtet worden, berichtet Stadtsprecher Frank Helling. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien dort mehrtägig im Konflikt- und Krisenmanagement geschult worden, weitere bauliche und organisatorische Maßnahmen werden noch geprüft.
Bis März 2024 soll ein umfassendes Sicherheitskonzept erarbeitet werden, berichtet Helling. Ein elektronisches Meldesystem mit dem Titel ZeMAG, in Köln bereits erprobt, werde vorerst aber nicht eingeführt – der Datenschutz stehe im Wege.
Stadt Dinslaken setzt auf Deeskalationstrainings
Verena Barton, Sprecherin der Stadt Dinslaken, berichtet davon, dass bereits Veranstaltungen mit der Kreispolizeibehörde durchgeführt wurden, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Thema Arbeitssicherheit zu sensibilisieren. „Alle Beschäftigten mit Publikumsverkehr, einschließlich der Feuerwehr, nehmen an Deeskalationstrainings teil.“
Außerdem gebe es Informationen zum Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz auf der internen Interplattform der Stadt. „Zudem verfügen wir über eine Sicherheitsfachkraft, die in ihren Begehungen auch die Büros überprüft.“ Über Alarmierungssysteme könne aus Gründen des Schutzes der Beschäftigten aber nichts näher gesagt werden, so Barton.
Gewerkschaft erwünscht sich gesamtgesellschaftliche Debatte
Die Gewerkschaft Komba erkennt an, dass viele Kommunen die Dringlichkeit des Themas prinzipiell erkannt hätten. „Trotzdem gibt es natürlich immer noch Stellschrauben zu drehen, um die Kolleginnen und Kollegen besser zu schützen“, so Sprecherin Stephanie Frank. „Für uns ist klar, dass jeder Fall von Gewalt definitiv einer zu viel ist. Wir fordern kontinuierlich, dass jeder Übergriff zu melden und anzuzeigen ist.“
Es seit wichtig, dass Täterinnen und Täter bestraft werden. Genauso unerlässlich sei es, den Betroffenen nach solchen Fällen nachhaltige Unterstützung anzubieten. „Beides wird schon umgesetzt, ist aber sicherlich flächendeckend ausbaufähig.“
Neben all den Maßnahmen brauche es, so lautet die Forderung der Gewerkschaftssprecherin, „eine gesamtgesellschaftliche Debatte, die unmissverständlich deutlich macht, dass Angriffe gegen Beschäftigte nicht toleriert werden“.