Krefeld. Im Ausbesserungswerk hat die Bahn neue Werkstätten eingerichtet. Warum es ihr dennoch am liebsten wäre, wenn die Hallen oft leer blieben.
Einen Neubau feiert man halt gern: Die Stadtspitze kommt, die Unternehmensführung auch und der Werkleiter ist sowieso da: 12 Millionen Euro für den Neubau einer 2700-Quadratmeter Halle, das würde für mindestens zwei Basketballfelder reichen, auch von der Höhe her. Und dazu noch mal sechs für den Ausbau einer weiteren Halle.
Also wird gefeiert mit rund 100 Gästen und der Presse und erzählt: Vier Reparaturstände mit schweren Hubgeräten. Auf einem stehen die Gäste, die Gleise extra schwarz-gelb warnmarkiert, dass keiner stolpert. Auf dem zweiten ein einsames, abgekuppeltes Bordbistro eines ICE.
Hinter der Wand versteckt sich ein Unfallopfer
Und drei und vier? „Sind hinter der Wand“, sagt einer, der den Gästen die Werkstatt erklärt, in der rund 230 Mitarbeitende tätig sind. Stand 3 und 4 werden nicht gezeigt. Ist halt nichts, womit die Bahn gern in der Öffentlichkeit steht. Unfallopfer zeigt sie nicht so gern her.
Hinter der Wand steht, wenn das Geraune stimmt, ein Triebkopf und ein Waggon jenes ICE, der im November bei Ingolstadt einen Regionalexpress gestreift hat. Ein Unfall, bei dem die Fahrgäste im Wortsinne an einer Katastrophe vorbeigeschrammt sind. Die Schrammen – und schlimmeres – zu beseitigen, ist Aufgahe der fleißigen Bahnmitarbeiter im Ausbesserungswerk Oppum.
Wenn die Reparatur eines Zuges kniffliger ist als nur der simple Tausch von Komponenten, dann ist das Ausbesserungswerk Oppum gefordert. „Nach einer Kollision mit einem Wildschwein kommt ein Zug eher nicht zu uns, nach einer Kollision mit einem Auto schon eher“, erläutert einer der Mitarbeiter. Oppum ist das, was die Richtbank und die Karosseriewerkstatt nach dem Autounfall ist.
Wobei: Moderne Züge kennen kaum so etwas wie Blechschäden. Sie sind mittlerweile oft aus Aluminium oder glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK). Und wer das richten oder flicken will, der braucht schon ordentlich Expertise. An Aluminium schraubt man mal nicht so einfach herum: Das Material steht unter Spannung, ein ICE-Wagenkasten muss daher erst einmal verspannt werden, damit er sich nicht verzieht, wenn man Teile entfernt.
Von der S-Bahn bis zum ICE
Von den schon erwähnten ICE, egal ob der ersten Generation mit gut 30 Jahren auf dem Buckel des Speisewagens oder den neuesten Zügen, bis hin zu den Triebwagen, die das S-Bahnnetz an Rhein und Ruhr am Laufen halten: Hier landen alle Triebzüge, wenn sie ein ernsthaftes Reparaturproblem haben. Egal, ob sie einst bei Siemens gleich um die Ecke in Uerdingen, bei Alstom, Bombardier oder bei Stadler aus dem Werk gerollt sind.
Für den Bahnstandort Krefeld jedenfalls waren die gestern offiziell eingeweihte Hallen eine sehr gute Nachricht. Weil hier auch die traditionsreichen Hallen nebenan – das Ausbesserungswerk ist über 130 Jahre alt – nicht nur Kulturdeko, sondern Arbeitsplatz sind: „Woanders feiern sie in solchen Hallen Nacht der Industriekultur, hier bei uns feiern wir die lange Nacht der Industrie“, so Wirtschaftsdezernent Eckart Preen, der sich über neue sichere Jobs in seiner Stadt freut.
2021 fiel die Bauentscheidung für Krefeld, ab 2022 wurde gebaut. Ein Bombenfund und die Insolvenz einer Baufirma sorgten für Verzögerungen im Betriebsablauf, aber nun, nach gut anderthalb Jahren, steht alles. Und während vor dem Bordbistro noch die Häppchen gereicht und das Sektglas geleert wird, geht in den so genannten „Nebenwerkstätten“ die Arbeit schon munter weiter.
Züge schnell wieder flott machen
Da werden beispielsweise Druckluftventile repariert, Bodenplatten der ICE-Züge aufgearbeitet. Auch und die Schweißstände für Reparaturen an Aluminium und Blech in Betrieb genommen. Und man darf sicher sein: Sobald auch das Unfallopfer auf den Reparaturständen 3 und 4 wieder bearbeitet werden darf, geht es auch hier weiter.
Denn die große Hoffnung, die sich mit der Investition in Krefeld verbindet, ist, dass auch havarierte Züge nach einem Schaden künftig schneller wieder flott gemacht und auf die Schiene geschickt werden können. Die Spezialwerkstatt in Krefeld ist für die Bahn so wichtig, dass sie auch während der derzeitigen Baustellensperrung rings um Krefeld per Schiene erreichbar bleibt.
Wobei eine Zugreparatur schon mal etwas länger dauern kann. Ein kleineres Malheur an einer GFK-Schnauze, die einen Prellbock geküsst hat, die ist schon mal in anderthalb Wochen repariert. Bei komplizierten Wiederaufbauten kann es schon mal Jahre dauern. Die Ersatzteilverfügbarkeit ist eben auch bei Zügen ein Problem.
Dabei ist die DB-Werkstatt prinzipiell auch für andere Bahnunternehmen offen. „Wenn Sie einen Zug haben, und der hat einen Schaden, machen wir Ihnen einen Kostenvoranschlag“, heißt es frei heraus.