Krefeld. . Das Ausbesserungswerk Krefeld-Oppum feiert 125. Geburtstag. Hier wird die ICE-Flotte der Deutschen Bahn gewartet. Und viele andere Züge auch.

Was sich sonst nicht empfiehlt, machen die Menschen hier täglich: Sie geraten unter den Zug. Mit voller Absicht. Wer einen ICE warten will, muss ihm an Motoren und Radsätze. Und deswegen arbeitet man hier im Ausbesserungswerk Krefeld-Oppum auf drei Ebenen an den Schienenfahrzeugen: In Dachhöhe, wo Stromabnehmer und Klimatechnik sitzen, auf Bahnsteighöhe, wenn es ums Innenleben der Wagen geht – und unten drunter, wenn es um Drehgestelle, Stoßdämpfer und viele andere Komponenten geht.

Die 825 Beschäftigten hier haben Erfahrung: Seit 125 Jahren wird in Oppum repariert, was im Bahnbetrieb in die Jahre gekommen ist oder schlicht kaputtgegangen ist. An diesem Wochenende werden sie das Jubiläum feiern. Intern. Und mit ihren Familien. Wer als Normalsterblicher ins Werk will, hat bei der Nacht der Indus-triekultur eine Chance – die ist leider erst wieder Ende Juni 2018.

Dabei gibt es auf dem 20 Fußballfelder großen Areal einiges zu sehen: Zum Beispiel den ersten Waggon eines ICE 3, der hier in der Halle steht: In München-Nord ist er einem anderen Zug in die Flanke gefahren, nun ist die schöne Aluminiumhaut aufgerissen und der Lack ist auch ab.

Hersteller als Konkurrenten, Privatbahnen als Kunden

Mit aufgeschweißten Aluminiumplatten haben die Mitarbeiter des Krefelder Werks den Zug vor Ort transportfähig gemacht, jetzt steht er hier in der Halle und wird erst einmal begutachtet. Was wird die Reparatur kosten, lohnt sich das? Wie bei einem Unfallwagen. Und wie jedes Auto müssen Züge zur Inspektion. Alle sechs Jahre rollen sie in die „schwere Ausbesserung“. Der Name hat Berechtigung: Kräne heben die Waggons und Loks von ihren Drehgestellen und Radsätzen, die ebenfalls mit Kränen auseinandergenommen werden.

Für die ICE-Flotte der Deutschen Bahn ist Krefeld-Oppum die Hauptreparaturwerkstatt. Wenn die Züge nach sechs Jahren hier einrollen, haben sie rund 1,6 Millionen Kilometer auf den Radsätzen. Auf 30 Jahre etwa ist die Lebensdauer eines Zuges ausgelegt – doch die meisten Bahnen halten länger. Zudem rollen hierher die meisten deutschen S-Bahnen. Draußen steht sogar noch ein alter Triebwagen, der schon die Olympischen Spiele von 1972 gesehen hat. Auch er wird wieder fit. Als Fußballsonderzug oder Reservefahrzeug geht er wieder auf die Strecke.

Sie können Glasfaserstrukturen und Aluminiumschweißen. Damit bringen die Bahner auch verbeulte ICEs wieder in Form.
Sie können Glasfaserstrukturen und Aluminiumschweißen. Damit bringen die Bahner auch verbeulte ICEs wieder in Form. © Fabian Strauch

Noch ist die DB der größte Kunde – doch sieben Prozent der Leistungen erbringen die Mitarbeiter für andere Bahnunternehmen wie Abellio, Nordwestbahn und Westfalenbahn. Gut für Raphael Bayer, den Werkleiter. Denn die Arbeitsbedingungen für die Reparateure von Krefeld werden in Zukunft nicht leichter: Der RRX, so hat es der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr verkündet, wird vom Hersteller Siemens in Dortmund gewartet.

Insofern geht es dem Ausbesserungswerk wie der Autowerkstadt ohne Markenbindung: Hier rollt zwar auch Bombardier oder Stadler über die Weichen, doch die Hersteller sind auch Konkurrenten – und übernehmen die Instandhaltung der Züge gleich selbst. Und für die privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen ist es zudem eine Kostenfrage: Wie viel Wartung an den Zügen machen sie selbst – und wann überlassen sie die Züge den DB-Experten in Oppum?

Handarbeit und Einzelanfertigung – auch das ist in Krefeld gefragt.
Handarbeit und Einzelanfertigung – auch das ist in Krefeld gefragt. © Fabian Strauch

Die stehen vor einem weiteren Problem: Auch die Eisenbahn besteht heute aus engem Zusammenspiel von Hardware und Software. Statt mit schwerem Gerät muss man den modernen Zügen immer häufiger mit Diagnosegeräten und Laptop zu Leibe rücken, um herauszufinden, welche Reparaturen erforderlich sind. Daher braucht es auch eigene Gleise zur Wiederinbetriebnahme der Züge: Bis alle Teile eines ICE wieder einwandfrei miteinander reden – und diese mit der Sicherheitstechnik der Bahn, sind lange Probeläufe erforderlich.

Das Problem für die Experten in Oppum: Die Softwarecodes sind oft in den Händen der Hersteller. Die Deutsche Bahn, so Bayer, erwägt daher auch wieder mehr in den Bau eigener Züge zu investieren. Und das ist in den Ohren der Krefelder Ausbesserer eine gute Nachricht zum Jubiläum.

>>>AUSBESSERUNGSWERKE IN NRW

Während Witten, Schwerte, Opladen oder Duisburg-Wedau als Ausbesserungswerke geschlossen wurden, lebt die einstige „Königliche Eisenbahn-Hauptreparaturwerkstatt zu Oppum“ heute immer noch als „Ausbesserungswerk der Kategorie C“ – zuständig für schwere Fälle. Im doppelten Sinne.