Am Niederrhein. Zwei Niederrheiner ermöglichen die erste Vorsorge für Lungenkrebs – mit einer Trefferquote von über 99 Prozent. Wie funktioniert das?

Die Situation erinnert fast an einen Auftritt in der Fernsehsendung „Höhle der Löwen“. Da sitzen zwei Gründer, Florian Wienen und Alexander Maßen, etwas aufgeregt, aber vollkommen überzeugt von ihrer Idee. Deshalb legen sie auch gleich los, lassen die Nervosität schnell hinter sich, und präsentieren eine kleine Box mit großer Bedeutung. „Dogscan“ steht darauf, darunter „Einmal schnüffeln kann Ihr Leben retten“. Wie das geht? Nunja, dazu müssen sie alles auspacken! Und, so viel sei schon jetzt verraten, am Ende des „Pitch“ steigt dann doch noch einmal kurz der Puls, und zwar bei allen Beteiligten...

Ja, es ist ein emotionales Thema, das die beiden Freunde mit ihrem Start-up in den Blick nehmen. Es geht um Krebs, genauer gesagt um Lungenkrebs. „Das ist die dritthäufigste Krebsart“, erklärt Florian Wienen, „und wenn man sie früh erkennt, liegen die Heilungschancen bei 70 Prozent.“ Einziges, aber entscheidendes Problem: „Es gibt noch keine Vorsorge, deshalb sterben über 80 Prozent der Erkrankten.“ Wie schlimm es kommen kann, hat Alexander Maßen selbst erfahren: Sein Vater starb an Lungenkrebs, „und was ich mit ihm erleben musste, hat uns hierhergeführt.“

Früherkennung von Lungenkrebs

In dieser schweren Zeit besucht er mit seinem „Loki“ oft die Hundeschule des Freundes. Weil „die Chemie einfach stimmt“, führen die beiden immer intensivere Gespräche. Wieso gibt‘s die Früherkennung von anderen Krebsarten, beispielsweise von Brustkrebs, aber nicht von Lungenkrebs? Da müsste man, oder besser, hund doch etwas machen können, oder?! Denn, das weiß Florian Wienen noch aus seiner Zeit bei der Bundeswehr, als er mit Sprengstoffspürhunden zusammengearbeitet hat: „Hundenasen können sogar Mienen riechen, die einen Meter unter der Erde liegen.“ Also vielleicht auch Lungenkrebs?

In der Box von „Dogscan“ befinden sich Handschuhe, eine Stoffmaske und ein Rücksendeumschlag.
In der Box von „Dogscan“ befinden sich Handschuhe, eine Stoffmaske und ein Rücksendeumschlag. © Moers | Arnulf Stoffel

Die Freunde beginnen mit der Recherche. Und tatsächlich, schon bald stoßen sie auf eine Studie, die zeigt, dass Hunde in 40 von 40 Fällen Lungenkrebs erschnüffelt haben. „Die Medizin versucht deshalb aktuell, das Geruchsmuster herauszuarbeiten und Hundenasen nachzustellen“, weiß Florian Wienen. Bis es aber so weit ist, könnten doch auch echte Hundenasen zum Einsatz kommen... Klar, sie sind keine Ärzte, das ist ihnen bewusst, „aber wir möchten eine Krebsvorsorge etablieren, die sich jeder leisten kann.“ Deshalb steht ganz oben auf ihrer Liste mit Zielen, die sie erreichen möchten: „Kostenübernahme der Krankenkasse.“

Trefferquote von 99,75 Prozent

Damit das klappt, muss alles gut durchdacht, wissenschaftlich belegt und ansprechend präsentiert werden! „Wir stecken viel Herzblut in das Projekt“, betont Florian Wienen, „und wenn wir es machen, dann auch richtig.“ Deshalb beginnen sie schon bald mit der Ausbildung der insgesamt fünf Hunde. Wie das geht? Immer und immer und immer wieder lassen sie die Tiere an Masken schnüffeln, die Menschen mit nachgewiesenem Lungenkrebs getragen haben. Wichtig dabei: Leckerlis und Spielzeug. „Die Hunde müssen immer Spaß haben und mit einem Erfolg rausgehen.“

Hund Aki, wichtiger Mitarbeiter von „Dogscan“, schnüffelt an der getragenen Maske... und geht weiter. Zum Glück!
Hund Aki, wichtiger Mitarbeiter von „Dogscan“, schnüffelt an der getragenen Maske... und geht weiter. Zum Glück! © Moers | Arnulf Stoffel

Fast ein Jahr lang trainieren sie die Tiere, aktuell sind sie in der „finalen Phase“, wie sie es nennen. Einige Daten müssen sie noch auswerten, um die allerletzten Fehlerquellen ausfindig zu machen und zu eliminieren. Denn nur dann können sie die stattliche Trefferquote von 99,75 Prozent erfüllen. Nun sind Hunde aber Lebewesen, können also auch Fehler machen... oder? Florian Wienen nickt. „Deshalb arbeiten wir mit fünf Hunden zusammen, obwohl wir die Quote schon mit zweien erreichen könnten.“ Außerdem haben sie extra eine eigene App entwickelt, die das ganze Verfahren noch weiter perfektionieren soll.

Stoffmaske mit Filter

So trägt in jeder Runde ein anderer Hundeführer die jeweiligen Ergebnisse in der App ein. „Dadurch kann es zu keiner Verfälschung kommen“, sagt Florian Wienen. Das klingt alles nach viel Arbeit, Zeit, Aufwand... „Wir wollen das Ganze vernünftig machen und sind finanziell nicht drauf angewiesen, deshalb konnten wir uns Zeit lassen“, erklärt er. Aber wie funktioniert denn nun „Dogscan“? Alexander Maßen öffnet die Box, in der eine Anleitung am Deckel klebt. „Hier in der Tüte steckt die Maske, die man fünf Minuten lang tragen muss.“ Kurze Pause. „Wollen Sie es mal ausprobieren?“

Klar, wieso nicht, schaden kann es ja nicht! Deshalb die Packung schnell aufreißen, die Stoffmaske einfach über Mund und Nase ziehen... Nach drei Jahren Pandemie fühlt sich das Tragen einer Maske nun wirklich nicht mehr komisch an. „Wir haben extra darauf geachtet, dass sie an den Seiten leicht geöffnet ist und man noch gut Luft bekommt“, erklärt Florian Wienen. „Außerdem kommt alles aus Deutschland und ist so nachhaltig wie möglich hergestellt.“ Kurz warten... dann sind auch schon die fünf Minuten vorbei. „In der Maske ist ein Filter, der die Aerosole sehr gut speichern kann.“

Ergebnis per Post

Normalerweise würde die Maske nun in dem beigelegten Umschlag zu ihnen zurückgeschickt werden, „spätestens nach 14 Tagen bekommt man dann das Ergebnis per Post zugeschickt“, sagt Florian Wienen, praktischerweise haben die beiden aber an diesem Tag ihren Hund gleich mit dabei. Und dann kommt sie: die Aufregung. Was, wenn Aki, so heißt die kleine Spürnase, tatsächlich anschlägt? Alexander Maßen legt die getragene Maske in eine runde Schale, die in einer Holzbox mit einer eingravierten 18 steckt. Die Maske der Kollegin kommt in die Vorrichtung mit der Nummer 19. Und dann ist es so weit.

Dogscan: Eine Box für die Vorsorge

Das Unternehmen „Dogscan“ startet am 18. März offiziell mit dem Verkauf, aber schon jetzt können Interessierte die Boxen vergünstigt für 99 statt 112 Euro vorbestellen. Weitere Infos: www.dogscan-deutschland.de

Die Geschäftsführer arbeiten eng mit Krankenhäusern zusammen und erhalten dadurch regelmäßig Masken, die an Lungenkrebs erkrankte Menschen getragen haben. Dennoch sind sie stets auf Masken von weiteren Patientinnen und Patienten angewiesen, um mit den Hunden trainieren zu können. Wer also einen Beitrag zu dem Projekt leisten möchte, kann sich – wenn der Lungenkrebs bereits offiziell diagnostiziert wurde – an „Dogscan“ wenden: kontakt@dogscan-deutschland.de

Übrigens, wer eine Idee für ein Start-up hat, kann sich ebenfalls für das Gründungsstipendium NRW bewerben. Alle Infos dazu: www.mittlerer-niederrhein.ihk.de/25258

Florian Wienen zückt einen Stick mit Ball, hält ihn erst vor Akis Nase, dann in die erste und in die zweite Schale. Aki schnüffelt kurz... und geht weiter. Florian Wienen lächelt. „Das sieht schon mal gut aus.“ Ein Glück! Ähnlich spannend war vor Kurzem auch ihr „Pitch“ vor einer Jury. Dabei konnten die beiden mit „Dogscan“ so überzeugen, dass sie am Ende das „Gründungsstipendium NRW“ erhalten haben. Na, dann wäre die „Höhle der Löwen“ ja vielleicht doch eine Idee? Da müssen die beiden lachen. „Nee, wir wollen von unserer Firma nix abgeben und uns nicht reinreden lassen“, sagt Florian Wienen. Außerdem, das betont Alexander Maßen, „geht‘s uns nicht um das Geld, sondern darum, Leben zu retten.“