An Rhein und Ruhr. In NRW hat jeder vierte Startup-Gründer einen Migrationshintergrund. Wie Shabnam Fahimi-Weber es geschafft hat, erfolgreich zu sein.

Als niedergelassene Ärztin musste sie schmerzvoll zusehen, wie ihre Mitarbeiter sehr viel Zeit für administrative Arbeit einsetzen mussten. Daher war es für Shabnam Fahimi-Weber wichtig, eine Software-Lösung zu entwickeln, die den Ärzten und Patienten gleichermaßen das Leben erleichtert. „Ich habe mir die Prozesse in Arztpraxen angeschaut und mit einem Team von Experten die digitale Lösung zur Automatisierung von Praxisprozessen entwickelt“, so die Gründerin des Essener Start-ups „Dubidoc“.

Die Gründungsquote von Personen mit Migrationshintergrund bleibt in NRW hoch. Im vergangenen Jahr haben laut einer Studie des Startup-Verbands mehr als 24 Prozent der Startup-Gründer in NRW einen Migrationshintergrund.

Seit vielen Jahren gebe ich dieser Gesellschaft viel zurück und bringe mit meiner Arbeit dieser Gesellschaft noch mehr Wert
Shabnam Fahimi-Weber- Gründerin des Essener Startups „Dubidoc“

Shabnam Fahimi-Weber ist eine von ihnen. Hinter ihrem Erfolg steckt eine beeindruckte Lebensgeschichte. Als sie 13 war, floh sie mit ihrer Familie aus dem Iran nach Deutschland. Hier besuchte sie die Schule und studierte später Medizin. Mit ihrem kleinen Team rief sie die Software „Dubidoc“ ins Leben, die Arztpraxen deutschlandweit bei der Terminvergabe helfen soll.

Die Deutsch-Iranerin ist stolz darauf, was sie in den vergangenen Jahren erreicht hat. „Dubidoc vermittelt etwa eine Million Arzttermine pro Jahr“, sagt sie. Allerdings war der Weg zu diesem Erfolg nicht zu einfach. „Wir haben sehr viele Herausforderungen gemeistert“, so Fahimi-Weber. Laut der Unternehmerin musste das Team mit wenig Geld erstmal eine gut funktionierende Software entwickeln und den Markteintritt mit wenig Budget bewältigen. „Es war oft ein Auf und Ab der Gefühle“, erklärt die Gründerin.

Migrantische Unternehmen in NRW stehen vor großer Herausforderung

Das ist nachvollziehbar. Denn, das weiß auch die Essener Wirtschaftsförderung (EWG), für Menschen mit Migrationshintergrund ist die Gründung eines Unternehmens eine große Herausforderung. Weil die deutsche Bürokratie häufig ein Hindernis ist: unter anderem fängt es bei der Gewerbeanmeldung an. Hinzu kommen noch Sprachbarrieren. „Das erschwert die Kommunikation mit Behörden. Außerdem dauern Anerkennungsverfahren der vorhandenen Berufs- und Studienabschlüsse viel zu lange“, so Ariane Bauer, Sprecherin der Essener Wirtschaftsförderung (EWG).

Wie Gründen erfolgreich sein kann

Wer ein Unternehmen gründen möchte, kann sich bei der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK) beraten lassen. Dort stehen die Mitarbeiter zu individuellen Beratungsgesprächen zur Verfügung. Neben der allgemeinen Betriebsberatung bietet das IHK-Team auch Unterstützung bei steuerrechtlichen Angelegenheiten. „Zudem kooperieren wir beispielsweise auch mit dem Deutsch-Türkischen Unternehmerverband (Tiad) und organisieren hier Informationsveranstaltungen“, teilt die Niederrheinische IHK auf NRZ-Anfrage mit.

Mittlerweile besteht für alle Gründer sowie Unternehmer die Möglichkeit, ein Gründungsstipendium zu beantragen. „Die Landesregierung hat gerade die Förderung auf 1.200 Euro monatlich erhöht und die Laufzeit des Gründerstipendiums bis 2026 verlängert“, teilt das NRW-Wirtschaftsministerium mit. Darüber hinaus können sich Unternehmer laut Wirtschaftsministerium an die Startercenter NRW wenden, welche mehrsprachige Angebote haben. Außerdem organisieren sie Workshops zu interkultureller Schulung für die Berater der Startercenter NRW ab.

Die Landesregierung hat deshalb das Programm „Fachkräfteoffensive“ gestartet, „um das vorhandene Potenzial durch Ausbildung und Qualifizierung zu mobilisieren und ausländische Fachkräfte zu gewinnen“, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Im Rahmen dieses Programms veranstalten das Wirtschaftsministerium und das Integrationsministerium am 23. Mai 2024 im Raum Düsseldorf einen landesweiten Kongress zu „Vielfalt am Arbeitsplatz – Innovative Ansätze der Fachkräftegewinnung und –-sicherung“, der insbesondere das Thema Migranten als Unternehmer behandeln wird.

Trotz der Unterstützung vom Team der EWG haben Fahimi-Weber und ihr Team jedoch eine unschöne Erfahrung machen müssen. „Als die Stadt Essen eine Software für die Bereitstellung von Online-Terminierungen für die Bürger der Stadt anbieten wollte, durften wir aufgrund formaler Gründe und trotz fertigem Produkt bei der Ausschreibung nicht mitmachen“, sagt die 52-Jährige. Deshalb fordert Fahimi-Weber Lösungen, um bürokratische Hürden zu überwinden. Solche Lösungen seien bereits in anderen städtischen Einrichtungen erprobt.

Essener Start-up bietet dem Nachwuchs auch Ausbildungsplätze

Mittlerweile hat sie trotzdem Erfolg. Ihre Software löst den Anruf in den Praxen ab. „Damit haben Medizinische Fachangestellte dafür mehr Zeit, sich um die Patienten zu kümmern und medizinische Aufgaben zu erledigen“ sagt die HNO-Ärztin.

Das Dubidoc-Team besteht mittlerweile aus 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aus verschiedenen Herkunftsländern kommen, unter anderem aus Vietnam, Italien und Polen. Doch wenn ein Unternehmen wächst, braucht es auch mehr Beschäftigte. Allerdings ist der Fachkräftemangel heutzutage eine der größten Herausforderungen in Deutschland. Um diesen Mangel zu bekämpfen, bietet Dubidoc dem Nachwuchs eine Ausbildung an. „Wir haben derzeit drei Azubis. Damit wollen wir versuchen, neben dem Unternehmen auch die Menschen einfach mitzuentwickeln“, so die Unternehmerin.

In NRW schaffen migrantische Unternehmen Arbeitsplätze. Dabei hat sich auch ein Umbruch vollzogen vom klassischen Handel und Gastgewerbe hin zu produktionsnahen Dienstleistungen, Beratungsdiensten und digitalen Start-ups. „Diese Entwicklung verdanke ich dieser Gesellschaft. Seit vielen Jahren gebe ich dieser Gesellschaft viel zurück und bringe mit meiner Arbeit dieser Gesellschaft noch mehr Wert“, sagt Fahimi-Weber.