Krefeld. Hexen fliegen nicht mehr Besen, sondern Staubsauger! Inge Reuter weiß das, weil sie regelmäßig als Hexe durch die Burg Linn in Krefeld führt.

Der spitze Filzhut, die vielen Spinnweben und der schwarze Eckzahn verraten es bereits: Vor der Burg Linn steht nicht etwa Inge Reuter, sondern… „Alruna“, so stellt sie sich selbst vor, „Adrians Tochter Pommegranata.“ Und das auf ihrem Arm ist Batilda, ihre Fledermaus. Klar, so eine echte Hexe braucht natürlich auch ein schauriges Haustier! Jetzt fehlt nur noch der Besen… „Nee“, sagt sie, „das ist doch Oldschool! Ich habe einen Dyson 3000.“ Ja, wer mit ihr auf unterwegs ist, kann noch so einiges lernen: über Hexen, Burgen, Kreuzzüge und all die Märchen, „die die Grimm-Burschen falsch erzählt haben“. Die Wahrheit und nix als die Wahrheit, versichert sie mit einem schelmischen Augenzwinkern, gibt’s nur bei ihr. Aber Vorsicht: „Das ist nur was für Erwachsene“, sagt sie und kichert dabei so schaurig-schön, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen…

Wenn Hexe Alruna jedoch ihren Filzhut absetzt, um sich in die Krefelderin Inge zu verwandeln, dann wird’s mindestens genauso unterhaltsam. Immerhin führt sie bereits seit zwölf Jahren ehrenamtlich durch die Burg Linn, mal als Burgfräulein, mal als Fee und neuerdings eben auch als Hexe, aber immer „mit Herzblut“, wie sie betont. „Ich kann den Leuten viel durch das Lustige beibringen.“ Wen interessieren schon Jahreszahlen, „die sind viel zu trocken!“ Aber wenn es darum geht, welche Geschichten sich hinter den Gemäuern abgespielt haben, „dann schauen mich auch die 17-Jährigen mit großen Augen an.“ Und weil die Märchenführungen für Kinder so gefragt waren, entstand irgendwann die Idee, auch Hexenführungen für Erwachsene anzubieten. Dass die allerdings so gut ankommen würden und schon vor dem Start größtenteils ausgebucht sein würden, damit hätte sie selbst nicht gerechnet.

Sauereingelegte Krötenköttel

Woran das liegt? Nunja… „Erwachsene wollen manchmal auch wieder Kind sein und sich gruseln“, vermutet die 57-Jährige. „Und das leicht Böse kommt scheinbar gut an.“ Dann lacht sie krächzend, setzt sich schnell wieder ihren Hut auf und schon ist Hexe Alruna zurück! Übrigens, bei ihren Führungen begleitet sie nicht nur Batilda, da wären auch noch Oskar Nosferatu und der Wilde Oskar, die es sich mit ihren acht Spinnenbeinen auf dem schwarzen Gewand gemütlich gemacht haben. Aber genug gequatscht! Jetzt geht’s endlich über eine Treppe hoch zum Turm, „dem Bergfried“, fügt sie hinzu. „Und welches Märchen fällt einem bei den Fenstern sofort an?“ Natürlich Rapunzel! Allerdings kennen nur die wenigsten die wahre Geschichte… „Mein Ömchen“, erzählt sie, „hat das Kind von zwei Fremden versorgt und dann kam plötzlich ein schöner Prinz und nahm sie mit! Mein Ömchen hat nie wieder was von ihr gehört.“

Etwas Gift oder Quecksilbertabletten – nur für den Notfall natürlich – hat die Hexe immer dabei.
Etwas Gift oder Quecksilbertabletten – nur für den Notfall natürlich – hat die Hexe immer dabei. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Was für eine Frechheit! Bei so viel Aufregung und Bluthochdruck hilft nur noch ein Mittelchen aus ihrem Korb, den Hexe Alruna immer dabei hat. Sauereingelegte Krötenköttel, „wobei die für Gruppen sind, die nicht so lustig sind“, sagt sie, oder doch lieber schokoladige Quecksilbertabletten, „die helfen gegen alles“? Beim Durchwühlen fällt ihr noch ein Säckchen in die Hände, zu dem sie natürlich auch etwas erzählen kann: „Stell dir mal vor, du hast eine traumhaft schöne Wohnung mitten im Wald und dann kommen zwei Blagen, die deine Dekoration aufessen und dich dann auch noch in den Ofen schieben!“ Und alles, was übrig bleibt, ist ein Haufen Asche – den sie nun dramatisch auf den Boden schüttet. Ja, sie kennt alle Bösewichte aus den Märchen höchstpersönlich, aber nicht nur die…

Ritt auf dem Staubsauger

Nanu, sitzt etwa jemand im Verlies?
Nanu, sitzt etwa jemand im Verlies? © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

„Hier unten“, dabei zeigt Hexe Alruna auf das Gitter im Boden, „ist mein WG-Kollege: Max, der grausame Raffzahn.“ Tatsächlich, unten im Verlies sitzt jemand, allerdings ziemlich reglos… „Klar“, antwortet sie schnell, „jetzt ist ja auch Tag! Aber in der Nacht, wenn hier kein Gesindel rumläuft, erleben wir die tollsten Abenteuer!“ Zum Schutze aller verrät sie aber lieber nicht mehr. Nur so viel: Zur WG gehört auch noch Otto von Linn, der gerade ein Nickerchen im Rittersaal hält. Zugegeben, er sieht nicht mehr ganz so fit aus… „Während seines dritten und letzten Kreuzzugs bekam er Muskelschwund“, erzählt sie. Oder, wie es in anderen Quellen heißt: „Starb er.“ Nunja, beim Anblick des Skeletts kann jeder selbst entscheiden, wer glaubwürdiger scheint.

Hexe Alruna zumindest verabschiedet sich jetzt, um sich in ihrem Zimmer unterm Dach noch etwas auszuruhen. „Und wehe, einer wagt es, mich hier nachts zu besuchen!“ Nee, lieber tagsüber, wenn sie von ihrem Ritt auf dem Staubsauger wieder da ist und Zeit für eine Führung durch die Burg hat!

>>> Hexenführungen auf Burg Linn in Krefeld

Die öffentliche Führung „Von bösen Stiefmüttern, alten Hexen und netten Feen“ auf Burg Linn in Krefeld kostet drei Euro plus Eintritt. Weitere Infos: 02151/15539111

Wie bei den anderen Führungen führt Inge Reuter die Tour ehrenamtlich, die Einnahmen gehen an den Förderverein des Museums. Allerdings sind die Termine bereits bis Februar fast alle ausgebucht.

Anfragen für private Gruppenführungen (35 Euro für 20 Personen, zusätzlich zum Museumseintritt) nimmt Inge Reuter als E-Mail entgegen: reuter-inge@t-online.de