Kleve. Prof. Dr. Dirk Bockmühl forscht an der Hochschule Rhein-Waal zu mikroplastikfreier Kosmetik. Was Walnusswälder in Kirgistan damit zu tun haben.
Plastik im Peeling? Das ist schädlich, klar, für Mensch und Umwelt. Deshalb gilt seit Oktober europaweit ein Mikroplastikverbot, das sich auch auf Kosmetikprodukte bezieht. Doch welche Alternativen gibt es für die Kunststoffteilchen? Vielleicht ja… Walnussschalen oder Aprikosenkerne! Das klingt verrückt, zugegeben, „aber tatsächlich ist es gar nicht so absurd“, stellt Prof. Dr. Dirk Bockmühl klar. Der Mikrobiologe lehrt und forscht an der Fakultät Life Sciences der Hochschule Rhein-Waal, hauptsächlich zu Hygiene im Alltag und aktuell zu einem besonders „spannenden Thema“, wie er selbst sagt. Es geht um Walnusswälder und Aprikosenanbau in Kirgistan, ebenso wie um Kosmetikhersteller am Niederrhein. Wie das zusammenpasst? Nunja, dazu muss er kurz etwas ausholen.
„Wir sind hier an der Hochschule interdisziplinär aufgestellt“, erklärt er. Wenn sich also Kollege Prof. Dr. Dietrich Darr aus agrarwissenschaftlichem Interesse die Walnusswälder in Zentralasien ansieht – weil durch die Übernutzung die Bestände bedroht sind –, dann kann Prof. Dr. Dirk Bockmühl auch noch seine mikrobiologische Expertise miteinbringen. Denn, das wurde ihm schnell klar: „Wir müssen etwas aus den Abfallströmen machen.“ Konkret heißt das: Die vielen Walnussschalen und Aprikosenkerne könnten doch weiterverarbeitet werden… Mit Letzteren passiert genau das bereits, wie er weiß: „Die Kerne werden aufgebrochen, damit man die Mandel essen kann.“ Allerdings gibt’s diese meist nur auf den lokalen Märkten zu kaufen. Ebenso wie kleine Fläschchen, von denen er nun eines hervorzieht.
Körnchen im Peeling
Das Etikett verrät, was drin steckt: „Apricot Scrub“, also Aprikosenkernmehl, um die Haut zu „schrubben“ und so zu reinigen. „Einige Firmen vermarkten bereits das Produkt“, sagt Prof. Dr. Dirk Bockmühl. Aber eben nur regional. Dabei könnte es auch für den europäischen Markt interessant sein, spätestens seit dem Mikroplastikverbot. Aber welchen Effekt hatten bislang überhaupt die Kunststoffteilchen? „Die sorgen für eine mechanische Reinigung“, antwortet er. Jeder kennt’s – diese kleinen Körnchen in der Zahnpasta oder im Gesichtspeeling. Und ebenjene könnten nun ersetzt werden, durch feines Aprikosenkernmehl oder aber durch zermahlene Walnussschalen – „wobei das noch kniffliger ist, weil die scharfkantiger sind“. Klingt doch eigentlich einfach! Nicht ganz… Denn nun kommt der Mikrobiologe zum Einsatz.
Eine Frage steht dabei im Mittelpunkt: „Wie hygienisch sind die Rohstoffe?“, möchte Prof. Dr. Dirk Bockmühl gemeinsam mit seiner Doktorandin Binal Dobariya herausfinden. Welche Bakterien, welche Pilze befinden sich auf den Kernen und Schalen? Und, im zweiten Schritt: „Mit welchen maßgeschneiderten Möglichkeiten werden wir sie los, ohne sie zu bestrahlen?“ Immerhin sollen sie natürlich bleiben, damit sie für Bio-Kosmetik verwendet werden dürfen, aber eben auch stabil werden, um den hygienischen Ansprüchen entsprechen zu können. „Vieles kann man schon durch die Rezepturen selbst erreichen“, erklärt er. Deshalb arbeiten die beiden eng mit dem Kosmetikhersteller „bb med“ aus Kalkar zusammen, der im Projekt sein Wissen weitergibt – „als Investition in die Zukunft“, wie er sagt.
Hilfe zur Selbsthilfe
Denn vielleicht eignen sich Aprikosenkerne und Walnussschalen tatsächlich als Alternative zu Mikroplastik, vielleicht sind sie bald als sinnvoller Inhaltsstoff in vielen Gesichtspeelings oder Fußcremes zu finden. Die Zusammenarbeit zwischen den Partnern hat ein konkretes Ziel: „Eine Pilotanlage in Zentralasien aufzubauen“, sagt Prof. Dr. Dirk Bockmühl. „Das ist im Prinzip der klassische Entwicklungshilfeansatz: Hilfe zur Selbsthilfe.“ Deshalb war er bereits Anfang des Jahres in Kirgistan, um sich die Situation vor Ort anzusehen – und natürlich auch einige Aprikosenkerne und Walnussschalen fürs Labor an der Hochschule Rhein-Waal mitzunehmen.
Einen festen Zeitplan bis zur Markteinführung der Produkte gibt’s zwar noch nicht, zwischen fünf und zehn Jahre kann das Ganze dauern, aber schon jetzt ist die Hoffnung groß, dass eines Tages ein Unternehmen seine Kosmetik mit natürlichen Inhaltsstoffen in Kirgistan produziert und auch nach Europa verkauft. Wobei, das muss Prof. Dr. Dirk Bockmühl zuletzt noch einmal betonen: „Mikroplastik entsteht vor allem über Reifenabrieb und durch Verwehungen von Sportplätzen.“ Kosmetik trägt verglichen dazu relativ wenig zur Mikroplastikverschmutzung von Meeren bei. Trotzdem sind die Zahlen alarmierend, wie unter anderem die Verbraucherzentrale zeigt: 977 Tonnen Mikroplastik und 46.900 Tonnen gelöste Polymere gelangen jährlich in Deutschland allein aus Kosmetikprodukten sowie Wasch-, Pflege- und Reinigungsmitteln ins Abwasser. Dazu kommen mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit… denn ja, wer will schon Plastik im Peeling? „Wir werden nicht die Welt retten“, sagt er. „Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.“
>>> Studium Generale am Campus Kleve
Im Rahmen des Studium Generale am Campus Kleve, Hörsaalzentrum (Gebäude 1, Raum 01 02 005) geht’s am Dienstag, 21. November, ab 19 Uhr um die Frage „Was haben Walnusswälder in Kirgistan mit Kosmetikherstellern am Niederrhein zu tun?“. Der Eintritt ist frei.
Über das Projekt sprechen: Dr. Dirk Bockmühl, Professor für Hygiene und Mikrobiologie an der Fakultät Life Sciences, Philip Schierning, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt „Nachhaltige Forst- und Agroforstwirtschaftliche Wertschöpfungsketten in Zentralasien“ an der Fakultät Life Sciences, und Robert Beinio, Geschäftsführer von bb med in Kalkar.