Den Haag. Der Verdacht bestand immer: Prinz Bernhard, Gatte von NL_Königin Juliana, war in der NSDAP. Ausgerechnet in seinem Nachlaß fand sich der Beweis.

Prinz Bernhard der Niederlande war Mitglied der NSDAP – auch wenn er das bis zu seinem Tod immer wieder energisch bestritten hat. Dafür gibt es jetzt einen endgültigen Beweis: seinen NSDAP-Mitgliedsausweis, gefunden ausgerechnet im persönlichen Archiv des 2004 verstorbenen Gemahls von Königin Juliana.

Öffentlich gemacht hat dies der ehemalige Königliche Hausarchivar Flip Maarschalkerweerd. Bereits 1996 hatten Historiker eine Kopie des Mitgliedsausweises veröffentlicht. Dennoch hatte der aus Thüringen stammende Prinzgemahl bis kurz vor seinem Tod bestritten, jemals Mitglied der Hitler-Partei gewesen zu sein.

Dennoch ist weniger die Tatsache der Mitgliedschaft der spannende Teil der Entdeckung, die jetzt die Medienlandschaft im Nachbarland umtreibt. Eher ist das „wie?“ bezeichnend für den Umgang mit der Vergangenheit, die nicht vergehen will – beiderseits der Grenze. Denn das Beweisstück wurde – gelinde gesagt – alles andere als triumphierend präsentiert vom Könglichen Hausarchivar, der seit knapp zwei Jahrzehnten damit befasst ist, den Nachlass von Prinz Bernhard zu inventarisieren.

König Willem: Archiv wird bis 1948 geöffnet

Das historisch so bedeutsame Fundstück zitierte Flip Maarschalkerweerd jetzt in einer Fußnote in seinem neuen Buch über die Geschichte des Königshofes in der Zeit der deutschen Besetzung der Niederlande. Ein noch späterer Zeitpunkt wäre für Maarschalkerweerd, von 2003 bis 2019 Leiter des Königlichen Hausarchivs, womöglich noch peinlicher geworden: König Willem hat gerade bekannt gegeben, dass ab Januar die Archivalien der Jahre 1934 bis September 1948 freigegeben werden – und damit die komplette der Regierungszeit seiner Großmutter Königin Wilhelmina.

Ehrung für Kriegshelden: Übergabe des Kommandeurskreuzes des Ordens von Oranien-Nassau durch Prinz Bernhard von Holland, Bildmitte an General Jean Piollet (1899-1970) und an Oberst Levy in der Botschaft der Niederlande in Paris im Jahre 1946. .
Ehrung für Kriegshelden: Übergabe des Kommandeurskreuzes des Ordens von Oranien-Nassau durch Prinz Bernhard von Holland, Bildmitte an General Jean Piollet (1899-1970) und an Oberst Levy in der Botschaft der Niederlande in Paris im Jahre 1946. . © picture alliance / opale.photo | ©Selva/opale.photo

Spätestens dann wäre wohl auch der NSDAP-Mitgliedsausweis gefunden worden und Maarschalkerweerd hätte sich womöglich fragen lassen müssen, warum er fast 16 Jahre lang dazu nichts gefunden hat. Denn dass Prinz Bernhard eine NS-Vergangenheit hatte, ist eigentlich keine Überraschung.

Bernhard Friedrich Eberhard Leopold Julius Kurt Carl Gottfried Peter Graf von Biesterfeld, 1911 in Jena geboren, studierte Anfang der 30er Jahre in Berlin Jura, war Mitglied der rechtsnationalen „Deutschen Studentenschaft“ und schon auf deren 2010 entdeckten Mitgliedsausweis war vermerkt, dass er Mitglied der NSDAP wie auch der SA war. Rund zwei Jahre lang hat er, Parteimitglied Nummer 2.583.009, Beiträge gezahlt – dann wurde er Niederländer.

In der Reiterstaffel der SS, aber nicht in der Partei?

Zu Lebzeiten hatte er lediglich eingeräumt als „Aspirant“ bei der SA bzw SS gewesen sei und die braune, beziehungsweise schwarze Uniform getragen habe. Aus opportunistischen Gründen, wie er in seiner Biografie einräumte: Sonst hätte er Nachteile beim politischen Examen zu befürchten gehabt. Ein Examen, das es so nicht gab. Indes: Mitglied der Reiter-SS war er nachweislich. Die SS betrachtete ihn später als Verräter, Porträts des Prinzen sollen in den besetzten Niederlanden beliebte Zielscheiben für Schießübungen gewesen sein.

Insofern spiegelt die Lebensgeschichte von Prinz Bernhard einen womöglich nicht untypischen, sehr ambivalenten Umgang mit der NS-Geschichte wider. Schon sieben Jahre war der Prinz von Jena-Biesterfeld auf Brautschau. Bei den Olympischen Winterspielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen gelang die erste Kontaktaufnahme mit Juliana von Oranien-Nassau, der Tochter von Königin Wilhelmina. Die niederländische Königsfamilie bezog bewusst nicht Quartier in Deutschland, sondern logierte in Österreich.

Auch die Hochzeit 1937 war vom angespannten Verhältnis zwischen Nazideutschland und dem Königreich der Niederlande überschattet. Zunächst wurden Bernhards Familie die Pässe abgenommen und erst ausgehändigt, als klar war, dass während der Hochzeit die deutsche Nationalhymne inklusive des dazu gehörenden Horst-Wessel-Liedes, der NSDAP-Parteihymne, gespielt wird. Der Dirigent und 25 Musiker der Hofkapelle weigerten sich, eine Militärkapelle musste einspringen , die deutschen Gäste zeigten dazu – und zur niederländischen Hymne ebenfalls – den Hitlergruß.

Im Exil arbeitete er für die britische Luftwaffe

Doch Prinz Bernhard mutierte offenbar zum waschechten Niederländer - er hatte mit der Verlobungt die Staatsbürgerschaft gewechselt. Er ging gemeinsam mit dem Königshaus ins Exil, als am 10. Mai 1940 die deutschen Truppen die Niederlande überfielen, bot seine Dienste dem britischen Geheimdienst an, die dem „Deutschen“ allerdings nicht trauten. Er sammelte Gelder für die Royal Air Force, wo es ein eigenes „Dutch Squadron“ gab, wurde 1944 Oberbefehlshaber der niederländischen Widerstandstruppen, was dazu führte, dass er bei der Kapitulation der deutschen Truppen am 5. Mai 1945 auf der Siegerseite dabei war.

Die Befreiung der Niederlande. Am 5. Mai 1945 endete die Besatzung durch die Deutschen. Bis heute wird das in den Niederlanden gefeiert. Prinz Bernhard stand bei der Kapitulation der deutschen Truppen auf der richtigen Seite: an der der Kanadier.
Die Befreiung der Niederlande. Am 5. Mai 1945 endete die Besatzung durch die Deutschen. Bis heute wird das in den Niederlanden gefeiert. Prinz Bernhard stand bei der Kapitulation der deutschen Truppen auf der richtigen Seite: an der der Kanadier. © picture alliance / dpa | Martijn Beekman

Später wurde gemunkelt, er habe womöglich einem deutschen Spion Details über die Operation „Market Garden“ zugetragen, mit der die Alliierten im Oktober 1944 erstmals versuchten, bei Arnheim über den Rhein zu kommen. Prinz Bernhard, später Generalinspekteur der niederländischen Streitkräfte, galt für die Jahrzehnte während des Wiederaufbaus als große diplomatische Unterstützung seiner Gattin Juliana, die seit 1948 Königin der Niederlande war. - und stilisierte sich später gern als oberster Widerstandskämpfer des Landes.

Es endete mit einer Bruchlandung: Prinz Bernhard ließ sich vom US-Flugzeugbauer Lockheed schmieren, musste 1976 von allen öffentlichen Ämtern zurücktreten, um einem Gerichtsverfahren zu entgehen. Nach einer langen Leidensgeschichte starb Prinz Bernhard 2004. Kurz nach seinem Tod erschien in der populären „Volkskrant“ ein Interview mit ihm. „Ich kann, mit der Hand auf der Bibel erklären: Ich war nie ein Nazi. Ich habe nie Mitgliedsbeiträge bezahlt, ich habe nie einen Mitgliedsausweis gehabt.“, so Prinz Bernhard. Er wisse nichts, vermute nichts. „Ich gebe hier die Fakten wieder, so wie ich sie weiß.“

„Gut, dass die Wahrheit ans Licht kommt“

Offenbar war ihm ein bedeutendes Detail seiner Vita entfallen: Lucius D. Clay, US-Oberbefehlshaber im besetzten Deutschland hatte einige Dokumente, darunter den NS-Mitgliedsausweis dem „lieben Prinzen Bernhard“ zugeschickt. Er habe die Dokumente eigentlich vernichten wollen, sei aber zu der Ansicht gekommen, das Recht stehe dem Prinzen selbst zu.

Offenbar fertigte jemand zuvor jedoch eine Kopie an, auf die niederländische Historiker bereits 1996 in den USA stießen. Gerard Aalders, der den Fund damals mit einem Kollegen enthüllte, reagierte jetzt erleichtert. Er sei damals einer Fälschung bezichtigt worden, selbst eine Woche vor seinem Tod habe Prinz Bernhard ihn noch angerufen und seine Mitgliedschaft in der Nazi-Partei bestritten.

„Nach dem Krieg konnte Prinz Bernhard nicht anders als die Mitgliedschaft zu bestreiten, wo er doch Oberbefehlshaber des Widerstands war“, so die niederländische Historikerin Annejet van der Zijl. „Gut, dass die Wirklichkeit nun langsam ans Licht kommt.“