An Rhein und Ruhr. Kein „Last Christmas“ auf Weihnachtsmärkten: Einige Veranstalter in NRW wollen nur noch lizenzfreie Musik spielen. Wo Chart-Hits verschwinden.

  • Weihnachtslieder wie „Last Christmas“, „All I Want For Christmas Is You“ und „Driving Home For Christmas“ schaffen es im Winter nicht nur oft in die Charts, sondern werden auch auf vielen Weihnachtsmärkten gespielt.
  • Auf Weihnachtsmärkten in NRW könnten sie jedoch bald verstummen, weil einige Veranstalter auf lizenzfreie Musik umsteigen wollen.
  • Wo und warum moderne Weihnachtshits von Märkten verschwinden.

Bekannte Weihnachtshits wie „Last Christmas“ von „Wham!“ oder „Thank God It’s Christmas“ von „Queen“ könnten bald verstummen, zumindest auf Weihnachtsmärkten und Stadtfesten. Die Verwertungsgesellschaft Gema greift härter durch und bittet Veranstalter zur Kasse. Die stehen vor einem Dilemma: Entweder sie verzichten auf Gema-pflichtige Musik oder zahlen teils horrende Summen – so auch in NRW.

Das Ergebnis einer solchen Abwägung werden zum Beispiel Besucher des Duisburger Weihnachtsmarkts spüren. Bei der beliebten Eislaufbahn, die nach einjähriger Pause zurückkehrt, werden nur lizenzfreie Lieder statt moderner Hits laufen. Das hat der Veranstalter Duisburg Kontor entschieden, „um den hohen Kosten von vorneherein aus dem Weg zu gehen“, sagt Geschäftsführer Uwe Kluge gegenüber der NRZ.

Weihnachtsmärkte in NRW: Diese Veranstalter verzichten auf Hits

Die Musik an der Eislaufbahn laufe nur im Hintergrund. Duisburg Kontor sei nicht bereit, „dafür so hohe Gema-Forderungen zu bedienen“, erklärt Kluge. Neben der Eisbahn ist der Veranstalter in Duisburg auch für die Musik auf der Bühne zuständig. Bühnenprogramm ist aber meist nur bei der Eröffnung geplant. Dort will Duisburg Kontor weiterhin auch Gema-pflichtige Musik spielen.

Die beliebte Eislaufbahn kehrt auf den Weihnachtsmarkt in Duisburg zurück – aber ohne Weihnachtshits. (Archivbild)
Die beliebte Eislaufbahn kehrt auf den Weihnachtsmarkt in Duisburg zurück – aber ohne Weihnachtshits. (Archivbild) © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Bei den Weihnachtsmärkten in der Düsseldorfer Innenstadt mussten sich Besucher schon im vergangenen Jahr mit lizenzfreien Liedern anfreunden. Der damalige Veranstalter, die Düsseldorf Tourismus GmbH, habe die Gebühren auf der Gema-Webseite vorab berechnen lassen. Sie hätten sich „2022 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich erhöht“, teilt sie auf Anfrage mit. Deswegen habe Düsseldorf Tourismus auf den Marktflächen nur Gema-freie Musik gespielt und das Live-Programm separat abgerechnet.

Dieses Jahr organisiert „D.Live“ die Weihnachtsmärkte in der Düsseldorfer Innenstadt. Auch die Stadttochter will die Teilmärkte nur mit lizenzfreien Liedern bespielen, heißt es auf Anfrage.

Streit um Gema-Gebühren: Viele Städten beklagen hohe Rechnungen

Viele Städte haben im vergangenen Jahr deutlich höhere Rechnungen von der Gema bekommen als noch vor der Pandemie. Bei 37 Städten und Kommunen in Deutschland haben sich die Gebühren um mehr als 10.000 Euro erhöht, wie aus einem internen Brief des Deutschen Städtetags hervorgeht. So mussten die Organisatoren des Weihnachtsmarkts in Magdeburg 101.000 Euro statt 1750 Euro wie noch 2019 zahlen.

Manche Veranstalter überlassen es den Schaustellern und Budenbetreibern, ihre Stände mit Musik zu bespielen. In dem Fall müssen sich die Organisatoren nur um die Anmeldung der Musik kümmern, die auf Bühnen gespielt wird. So machen es zum Beispiel die Veranstalter der Weihnachtsmärkte in Essen, Moers und Kleve. Wollen die Veranstalter selbst Musik laufen lassen, beginnt eine Abwägung wie in Düsseldorf und Duisburg.

Weihnachtsmärkte in Xanten und Emmerich: So hoch sind die Gebühren

Die Interessengemeinschaft Gewerbetreibender Xanten (IGX) verzichtet beim Xantener Weihnachtsmarkt schon seit vielen Jahren auf moderne Hits. „Wir lassen eine CD mit lizenzfreien Liedern laufen“, erklärt Geschäftsführer Michael Neumaier. So hören Besucher zwar die Melodie von „In der Weihnachtsbäckerei“, aber nicht das Original von Rolf Zuckowski, sondern eine Instrumentalversion.

Das Bühnenprogramm melde die IGX gesondert bei der Gema an, so wie die Kollegen in Duisburg und Düsseldorf. An 14 Tagen treten Künstler auf der Bühne auf. Dafür zahle der Verein 800 Euro an Gebühren. Der Veranstalter des Lichtermarkts in Emmerich macht es genauso und zahlt einen ähnlichen Betrag, sagt Verena van Niersen von der Emmericher Wirtschaftsförderung – obwohl der Lichtermarkt nur über drei Tage geht.

Wie die Gema die hohen Rechnungen begründet

Die Höhe der Gebühren geht teils stark auseinander, weil die Gema „die Lizenzkosten auf Grundlage der gesamten Veranstaltungsfläche berechnet“, heißt es auf der Webseite. Wer bei einem Stadtfest oder Weihnachtsmarkt Musik spielt, zahlt also auch für Flucht-, Gehwege und andere Flächen, auf denen die Lieder nicht gespielt werden. Je größer die Fläche des Events, desto höher die Gebühren.

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Dass einzelne Städte plötzlich extrem hohe Rechnungen erhalten haben, rechtfertigt die Gema mit strikteren Kontrollen. Erst nach der Pandemie habe die Gesellschaft begonnen nachzuprüfen, wie groß die angemeldeten Flächen tatsächlich sind, zum Beispiel über „Google Maps“. „Wir haben dabei deutliche Diskrepanzen festgestellt“, heißt es in einer Stellungnahme.

„Dies hätten wir umfassend kommunizieren müssen. Das ist nicht in dem gewohnten Maße erfolgt und das bedauern wir“, gibt die Gema zu. Sie habe mit betroffenen Kunden Gespräche aufgenommen.

Schausteller kritisieren Gema-Berechnung: „Stück Brauchtum und Kultur vernichtet“

Der Deutsche Schaustellerbund (DSB) kritisiert das Berechnungsverfahren der Gema scharf: „Wir halten es für unverschämt, dass die Gema von Häuserwand zu Häuserwand rechnet“, meint Präsident Albert Ritter gegenüber der NRZ.

Albert Ritter, Essener Schausteller und Präsident des Schaustellerbunds, kritisiert das Verfahren, mit dem die Gema Gebühren berechnet. (Archiv)
Albert Ritter, Essener Schausteller und Präsident des Schaustellerbunds, kritisiert das Verfahren, mit dem die Gema Gebühren berechnet. (Archiv) © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die Veranstalter und Schausteller müssten bei der Anmeldung um jeden Quadratmeter kämpfen. Und wer die Musiknutzung nicht oder falsch bei der Gema anmeldet, bezahle direkt das Doppelte plus Strafgeld. „Dadurch wird ein Stück Brauchtum und Kultur vernichtet“, warnt der Schausteller-Chef aus Essen.

Er fordert von der Gema, bei den Gebühren deutlicher zwischen reinen Musikevents wie Konzerten und Veranstaltungen zu unterscheiden, bei denen die Musik nur Nebensache ist. Außerdem soll seiner Ansicht nach nur die Fläche berechnet werden, die auch bespielt wird, „bei einem Biergarten zum Beispiel nur der Biergarten selbst und nicht die Straße davor“.

>> STREIT UM GEBÜHREN: WELCHE LIEDER GEMA-PFLICHTIG SIND

  • Wollen Veranstalter urheberrechtlich geschützte Musik spielen, müssen sie die Nutzung bei der Gema anmelden. Das gilt für alle öffentlichen Veranstaltungen und unabhängig davon, ob die Musik live aufgeführt oder nur abgespielt wird. Die Gesellschaft entlohnt die Urheber der Werke.
  • Gema-pflichtig sind alle Lieder, deren Urheber Mitglieder bei der Gema sind. Die Gesellschaft vertritt über Repräsentationsverträge nach eigenen Angaben weltweit fast zwei Millionen Rechteinhaber.
  • Lizenzfrei wird die Musik erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Alte Weihnachtslieder wie „Jingle Bells“, „O Tannenbaum“ oder „Alle Jahre wieder“ sind in der Originalversion demnach gemeinfrei.