Essen. Albert Ritter aus Essen ist Vollblut-Schausteller in sechster Generation und engagierter Verbandsfunktionär weit über Essen hinaus.
Er ist Vollblut-Schausteller und Multi-Funktionär, Essener Lokalpatriot und Familienmensch mit Bodenhaftung: Albert Ritter feiert an diesem Sonntag (2. Juli) seinen 70. Geburtstag. Und das natürlich standesgemäß: Nach einer Dankesandacht in der Cranger Kirche geht’s rüber zur Geburtstagsparty auf dem Cranger Kirmesplatz. Dort lassen sie einen erfolgreichen Mann hochleben, der das Schaustellerwesen weit über Essen hinaus über Jahrzehnte mitgeprägt hat.
Das Licht der Welt erblickte Albert Ritter im Sommer 1953 nicht etwa im Kreißsaal eines Essener Hospitals, sondern geradezu klassisch: nämlich auf dem Schützenfest in Hannover im Wohnwagen seiner Eltern, die ursprünglich in Berlin beheimatet waren. Sein Urgroßvater Hermann Ritter reiste mit einer Schaubude und sein Vater Albert sen. war Prinzipal eines Kinematographen. In diesem reisenden Kino liefen die angesagten Filme jener Tage – hauptsächlich Stummfilme mit den Stars von damals: Charlie Chaplin, Buster Keaton, Laurel & Hardy.
Die Ritters sind Schausteller in 6. Generation: Albert kommt im Wohnwagen zur Welt
Dieser Kinematograph war es auch, an dem Albert jun. die hohe Kunst des Rekommandierens erlernte. „Recommendare“ ist lateinisch und bedeutet so viel wie empfehlen und anbieten. Auf dem Rummelplatz ist damit die charmant-werbende und zugleich unterhaltsame Ansage an das „hochverehrte Publikum“ gemeint.
Mit seiner „Nuckelpinne“, einer Ausschankkutsche, machte sich der junge Ritte schon früh selbstständig und etablierte sich mit seiner stetig wachsenden Gastronomie auf den Jahr- und Weihnachtsmärkten der Region. Ob auf der Cranger Kirmes, die für ihn eine Herzensangelegenheit ist, oder auf „seinem“ Weihnachtsmarkt in Essen: Albert Ritter und sein Team sind stets mit von der Partie: dort mit Frischgezapften, hier mit Glühwein.
Der Mann mit den markanten breiten Hosenträgern, mit Drehorgel und aufwendig restauriertem historischen Wohnwagen: das ist die eine Seite in Albert Ritters Leben. Die andere ist das beharrliche Wirken in Verbänden, Gremien und Ausschüssen.
Vorsitzender und Präsident in Essen, im Bund und in Europa
Seit 1970 ist er Mitglied des Schaustellerverbandes Essen von 1919 und seit 1986 dessen Vorsitzender. 2003 steigt er auf zum Präsidenten des Deutschen Schaustellerbundes, des größten Branchenverbandes der Welt, und nur drei Jahre später, 2006, erheben sie den Essener zum Präsidenten der Europäischen Schausteller-Union.
Enge Weggefährten und Freunde charakterisieren Albert Ritter als zuverlässig, selbstbewusst, durchsetzungsfähig, ehrgeizig, gewissenhaft und beinahe perfektionistisch.
Tugenden, die sich besonders in der Corona-Pandemie für die in ihrer Existenz bedrohte Schausteller-Branche auszahlen sollten. Albert Ritter, ein gewiefter Netzwerker, half mit Übergangsgelder locker zu machen und bewahrte in dieser extrem unsicheren Zeit so manchen Familienbetrieb vor dem Untergang.
Der imposante Fahrzeugkorso in der Hauptstadt im Sommer 2020 mit anschließender Kundgebung vor dem Brandenburger Tor war ein deutlicher Fingerzeig an die Politik mit der Botschaft: Vergesst uns Schausteller nicht.
In der Corona-Pandemie steht die gesamte Branche am Abgrund
Wie wichtig ihm Brauchtum und Tradition sind, stellte Albert Ritter 2003 unter Beweis, als er mit anderen die Historische Gesellschaft Deutscher Schausteller gründete.
Fast so lang wie die Liste seiner Ämter ist die der Ehrungen: Das Bundesverdienstkreuz gehört ebenso dazu wie der vom Verein „Pro Ruhrgebiet“ verliehene Titel „Bürger des Ruhrgebiets“. „Er steht wie kein anderer für leidenschaftliches Engagement für das Schaustellergewerbe, für das große kulturelle Erbe der Kirchweihfeste, für die oft unterschätzte Wirtschaftskraft von Brauchtumsfesten, Weihnachts- und Jahrmärkten“, hieß es in der Laudatio.
Der erste Schausteller der Republik, der an der Bundespräsidenten-Wahl teilnimmt
Ritter, der in Landes- und Bundesministerien ein- und ausgeht und mit etlichen Ministern per du ist, ist 2009 der erste Schausteller in der Geschichte der Bundesrepublik, der an der Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten teilnimmt. 2016 trifft er den Papst in einer Privataudienz.
„Er trägt das Herz am rechten Fleck“, sagt der Essener Schausteller Richard Müller über seinen guten Freund Albert. Den Ausschankbetrieb führt er mittlerweile in der sechsten Schaustellergeneration. Und das Feld für die Nachfolge ist übrigens auch schon bestellt. Längst sind seine beiden Kinder im operativen Geschäft tätig – und Enkelkinder, also Generation acht, die gibt’s auch schon.
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