An Rhein und Ruhr. Ein Krankenstand von einem Fünftel belastet nicht nur die Essener Ruhrbahn. Bei privaten Unternehmen ist gibt es dagegen weniger Krankmeldungen.
Wer am Niederrhein und im Ruhrgebiet auf einen Bus oder eine Bahn wartet, sollte in nächster Zeit Geduld mitbringen. Denn aufgrund hoher Krankheitsausfälle musste die Essener Ruhrbahn einen Teil ihres Fahrplans einschränken. Geschäftsführer Michael Feller spricht von einem Krankenstand von bis zu 20 Prozent in der ganzen Branche. Auch die Niag gibt an, die Busfahrten in den Kreisen Wesel und Kleve reduzieren zu müssen. Dass es anders geht, zeigen private Unternehmen. Hier liege der Krankenstand bei maximal zehn Prozent.
NRW: Massive Personalsorgen bei öffentlichen Nahverkehrsunternehmen
Am vergangenen Freitag um 18.18 Uhr hatte die Ruhrbahn überraschend verkündet, dass wegen der vielen Krankheitsausfälle der Fahrplan der Straßenbahnen in Essen und der Busse in Mülheim eingeschränkt werden müsse. Man könne die Lücken nicht mehr mit Ersatzpersonal füllen. Denn laut Ruhrbahn-Chef Feller kämpfe man mit einem Krankenstand von bis zu einem Fünftel. Das sei auch in der ganzen Branche so. „Es ist eine körperlich sehr anstrengende Arbeit“, so Feller.
Ähnliche Probleme melden auch die Niag und die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG). Auch bei der DVG komme es aufgrund von tagesaktuellem Personalmangel durch wie Krankheit oder Urlaub zu Ausfällen, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Ebenso äußert sich die Niag: „Derzeit entfallen leider einzelne Fahrten in den Kreisen Wesel und Kleve“, so ein Sprecher. Das liege an einem aktuell überdurchschnittlichen Krankenstand. „Dazu kommt der seit Jahren anhaltende Personalmangel im gesamten ÖPNV, der auch die Unternehmen in der Region hart trifft.“
Hoher Krankenstand auch bei anderen ÖPNV-Anbietern
Aktuell seien alle Fahrer, die als sogenannte „Springer“ im Team sind, bereits komplett in den laufenden Fahrbetrieb eingebunden, so der Niag-Sprecher. „Aktuell fahren auch wieder Mitarbeiter aus der Verwaltung, die einen Busführerschein und die notwendigen Qualifikationen haben, einzelne Touren. So versuchen wir kurzfristig, Lücken zu schließen.“
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Bei der Stoag in Oberhausen spricht man zwar von einem erhöhten Krankenstand und einzelnen Ausfällen. Der Fahrplan müsse aber nicht eingeschränkt werden. Das müsse auch die Düsseldorfer Rheinbahn nicht, die weiter von einer Krankenquote „im Branchendurchschnitt“ berichtet.
Ob dieser Schnitt aber wirklich bei bis zu 20 Prozent liegt, wie es Ruhrbahn-Chef Feller beschrieb, bezweifelt die Gewerkschaft Verdi NRW. Dieser Krankenstand als Branchenschnitt sei zu hoch, meint Michael Hortig, Gewerkschaftssekretär im Verdi-Bezirk Ruhr-West und zuständig für den Bereich Verkehr. „Das ist dann eher eine Belastungsspitze. Ich gehe von um die 15 Prozent aus, aber die Tendenz ist steigend.“
Private Firmen: Zur Not fährt auch mal der Chef
Deutlich niedriger, nämlich auf „maximal zehn Prozent“ schätzt Christian Gladasch, Geschäftsführer des Verbands Nordrhein-Westfälischer Omnibusunternehmen (NWO), den Krankenstand bei privaten Busunternehmen. Das liege an den Strukturen. „In kleinen und mittelständischen Busunternehmen werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihre Aufträge zu erfüllen. Da fährt zur Not auch mal der Chef oder ein Mitarbeiter aus der Werkstatt die Linie“, so Gladasch. „Wenn ein privates Unternehmen im Auftrag eines öffentlichen Verkehrsunternehmens unterwegs ist und diesen nicht erfüllen kann, dann gibt es auch keine Vergütung. Zusätzlich droht noch eine Vertragsstrafe. Insofern haben die Privaten ein sehr großes Eigeninteresse daran, ihre Aufträge zu erfüllen.“ Eine unzureichende Personaldecke könne hier existenzbedrohend sein.
„Das liegt jedoch nicht nur an den Krankheitsfällen“, sagt Gladasch weiter. Insgesamt gebe es einen gravierenden Fahrpersonalmangel, der sich in den nächsten Jahren noch verschärfen wird. Grund sei der hohe Altersschnitt von über 50 Jahren beim Fahrpersonal. Aber auch fehlender Nachwuchs und Abgänge in andere Branchen seien ein Faktor.
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Bei privaten Unternehmen vermutet Verdi-Sekretär Michael Hortig aber auch mehr Druck auf die Beschäftigten, sich nicht krank zu melden. Dann drohe, eine Krankheit zu verschleppen. „In kleineren Unternehmen hat man eher einen direkten Kontakt zur Geschäftsführung und auch eine größere Abhängigkeit“, meint er. „Bei größeren öffentlichen Unternehmen ist man einer von vielen, wenn man sich krankmeldet. Aber die Belastungssituation ist in beiden Sparten ähnlich.“
Verdi NRW fordert bessere Arbeitsbedingungen für Busfahrer
Wichtig sei es, dass ein Unternehmen genug Personal hat, um die Beschäftigten entlasten zu können, so Hortig. Das bescheinigt sich FlixBus selbst. Das Unternehmen gibt an, zwar auch Phasen mit vermehrten Krankmeldungen zu haben. Auf diese könne man aber in der Regel schnell reagieren und Ersatzpersonal einplanen. „Wir haben sehr engagierte Mitarbeiter, die, wenn nötig auch spontan einspringen“, heißt es.
Für Verdi-Sekretär Hortig steht fest, dass der Beruf wieder ansprechender gestaltet werden muss. „Viele müssen einspringen und haben viel mehr Fahrten als normal. Das macht den Beruf nicht attraktiv.“ Hier könne über Tarifverträge mit mehr Gehalt und mehr Mitspracherecht bei Dienstplänen gegengesteuert werden. „Es müssen andere Bedingungen herrschen, um in den kommenden Jahren das Personal nachzubesetzen.“ Da sehe er aber noch große Fragezeichen, ob das umgesetzt werden könne.