An Rhein und Ruhr. Eine Studie zeigt, dass Autofahrer ihre Fahrweise anpassen. Professorin Helena Wisbert hat weitere Erklärungsansätze.

Der rechte Fuß sitzt etwas lockerer auf dem Gaspedal und wird nicht mehr bis zum Äußersten durchgedrückt, in der Freizeit bleibt der eigene Wagen gar häufiger stehen. Was Forscher des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln anhand von Verkehrsdaten auf nordrhein-westfälischen Autobahnen schlussfolgern, können der ADAC Nordrhein und Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft, bestätigen. „Ja, Pendler schaffen sich durch hohe Spritkosten und steigende Inflation selbst ein Tempolimit“, erklärt Wisbert. Sie ist neben ihrer Forschungstätigkeit neue Direktorin am privaten Institut „CAR“ in Duisburg – unter anderem zusammen mit Prof. Ferdinand Dudenhöffer. „Bei einer unserer letzten Befragungen haben 47 Prozent der Autofahrer angegeben, dass sie ihre Fahrweise anpassen, um Benzin zu sparen“, pflichtet ihr Thomas Müther, Leiter Kommunikation ADAC Nordrhein, bei.

Rückkehr ins Büro

Drei Kernaussagen treffen die Kölner Forscher, die Autobahnabschnitte ohne Geschwindigkeitsbeschränkungen zwischen Mai und August 2022 betrachtet haben. Erstens: „Der deutliche Anstieg des Pkw-Aufkommens am frühen Morgen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Zunahme im Pendlerverkehr zurückzuführen.“ Durch die Aufhebung von Pandemiebeschränkungen und weniger Menschen im Homeoffice sei ein Anstieg der Pendlerfahrten gegenüber dem Jahr 2021 sehr plausibel.

So wurden auf den betrachteten Autobahnabschnitten in den Monaten Mai bis August in diesem Jahr etwa 690 Millionen Pkw erfasst. Im Vorjahreszeitraum waren es nur 685 Millionen Autos.

Zweitens: „Es gibt deutlich weniger Pkw-Verkehr in dem klassischen Zeitraum der Abend-Rush-Hour.“ Dieser Trend verstärke sich in den weiteren Abendstunden. Dies könne nach Angaben der Studienautoren zweierlei bedeuten: „So könnten die Pendler ihre Arbeitszeiten nach vorne verschoben haben. Die Personen, die zusätzlich um 4 Uhr fahren, machen sich typischerweise nicht erst um 17 Uhr auf den Rückweg.“ Wahrscheinlicher erscheine, dass der Freizeitverkehr eingeschränkt wurde. „Im Zeitraum zwischen 16 und 19 Uhr ist das Verkehrsaufkommen deutlich zurückgegangen. Bereits zwischen 16 und 17 Uhr war eine Reduktion des Verkehrsaufkommens, um fast zehn Prozent zu verzeichnen. In den Folgestunden bis Mitternacht wurde durchweg ein Rückgang des Pkw-Aufkommens zwischen 20 und 30 Prozent verzeichnet.“

Fahrer halten sich an Richtgeschwindigkeit

Drittens: Es gibt nach Angaben der Kölner Forscher deutliche Anzeichen dafür, dass die Autos gerade in den verkehrsärmeren Randstunden bewusst langsamer gefahren werden als noch im Jahr 2021. „Trotz relativ freier Fahrt am frühen Morgen hält sich die überwältigende Masse der Pkw auf dem untersuchten Teilnetz an die Richtgeschwindigkeit. Gerade in den Abendstunden ist auch die Zahl der schneller als Richtgeschwindigkeit fahrenden Pkw gefallen.“

So lag die gemessene Geschwindigkeit der allermeisten Fahrzeuge unterhalb der geltenden Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Der Anteil dieser Fahrzeuge am Gesamtaufkommen lag im Tagesmittelwert bei 81,4 Prozent – im Vorjahr lag dieser Anteil um etwa vier Prozent niedriger bei 77,6 Prozent. Das Fazit der Studienautoren: „Aufgrund der verkehrlichen Rahmenbedingungen ist davon auszugehen, dass die Verringerung der gefahrenen Geschwindigkeiten in einem engen Zusammenhang mit den gestiegenen Betriebskosten für Pkw stehen.“

Auch das 9-Euro-Ticket, mit dem zwischen Juni und August bundesweit Fahrten mit Bus und Bahn möglich waren, habe Auswirkungen gehabt. Ein „dämpfender Effekt“ in den Abendstunden sei denkbar, so die Aussage der Studienautoren.

Bewussteres Fahrverhalten

„Die hohen Spritkosten, die im März 2022 bei über zwei Euro für Super E10 und Diesel lagen und die generelle Belastung durch höhere Energiekosten und Inflation haben zu einem bewussteren Fahrverhalten geführt“, kann Helena Wisbert die Ergebnisse nachvollziehen. „Viele Pendler wissen genau, was ihr Auto im Schnitt verbraucht.“ Das sei vor zehn Jahren noch anders gewesen, ist sich Wisbert, die in der VW-Stadt Wolfsburg an der Fakultät Wirtschaft der Hochschule Ostfalia lehrt, sicher. „Und da, wo man einmal ganz auf Autofahrten verzichten kann, weil man zeitlich flexibler ist, wie in der Freizeitgestaltung, sucht man sich Alternativen, wie in den Sommermonaten mit dem 9-Euro-Ticket.“

Neben den gestiegenen Kosten sieht Wisbert aber auch das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und den CO2-Ausstoß als einen weiteren wichtigen Punkt. „Durch die hohe Präsenz des Themas, nicht zuletzt durch die zunehmende Verbreitung von E-Autos im Straßenbild, wurde das Bewusstsein für das eigene Verhalten geschärft. Umso schneller das Tempo, umso höher ist der CO2-Ausstoß.“

Bis zu 20 Prozent Benzin einsparen

Thomas Müther vom ADAC merkt ebenfalls eine Veränderung bei einem Teil der Autofahrerinnen und -fahrer. „Es gibt diesen Anteil, etwa ein Drittel, der nicht auf die Preise schaut und fährt wie immer. Aber es gibt viele, die sensibler geworden sind.“ Aus eigenen Befragungen des Automobilclubs geht hervor, dass etwa jeder zweite Autofahrer seine Fahrweise anpasst. „Man kann mit überlegtem Fahren seinen Kraftstoffverbrauch um bis zu 20 Prozent senken.“ Ab einer Geschwindigkeit von über 120 km/h würde der Luftwiderstand so sehr zunehmen, dass der Verbrauch fast in exponentieller Höhe ansteigen würde.

Die Auswirkungen des 9-Euro-Tickets hält Müther dagegen eher für marginal. „Bei einer unserer Befragungen gaben zwar 70 Prozent der Teilnehmer an, das Ticket für die Freizeit genutzt zu haben, aber dabei ging es um zusätzliche Fahrten, die sonst gar nicht stattgefunden hätten.“

Puls, Thomas / Wendt, Jan Marten, 2022, Hohe Spritpreise. Autofahrer gehen vom Gas, IW-Report, Nr. 54, Köln. Abrufbar unter iwkoeln.de/studien/thomas-puls-jan-marten-wendt-autofahrer-gehen-vom-gas.html