Kamp-Lintfort. Was wäre wenn? Das Kloster Kamp wagt zum 900. Jubiläum ein Gedankenexperiment in der Ausstellung „Konvent der Bosse“ – mit Marionetten.
Am runden Tisch sitzen fünf Bosse. Worüber sie wohl konferieren? Wahrscheinlich geht’s um die Geschichte des Klosters Kamp, denn darüber kann jeder von ihnen etwas erzählen… Aber weil Marionettenfiguren eher selten Plaudertaschen sind, übernimmt Peter Hahnen das mal lieber mit dem Reden. Immerhin hat er die Ausstellung „Konvent der Bosse“ in der Schatzkammer konzipiert – anlässlich des 900. Jubiläum des Klosters Kamp. „Mal etwas ganz anderes“ sollte es werden, erklärt der Leiter des „Geistlichen und Kulturellen Zentrums Kloster Kamp“. Denn ja, Geschichte kann langweilig sein, wenn es nur um Zahlen und Fakten geht, sie kann aber auch spannend werden, wenn die Menschen im Mittelpunkt stehen. So wie die Äbte, die am Tisch sitzen und dabei am seidenen Faden hängen.
Wieso ausgerechnet Marionettenfiguren? „Von Marionetten geht ein Zauber aus“, findet Peter Hahnen, der die Figuren bei der Dinslakenerin Annette Schreiner in Auftrag gegeben hat. In diesem Fall ist es ein Zauber, der auf eine Reise durch die 900 Jahre des Klosters Kamp mitnimmt… Los geht’s mit Heinrich, dem allerersten Abt, der seinen Platz an der tiefsten Stelle des schiefen Tischs hat. Ja, ruhig mal genauer hinsehen! „Das war ein ganz armer Kerl“, weiß der Experte. Er trägt einen Habit aus Schafswolle, ein Kreuz aus Holz „und im echten Leben hatte er wahrscheinlich nicht mal Sandalen“. Die absolute Schlichtheit „ohne Gedöns“, wie er es formuliert, ist das Grundprinzip des Zisterzienserordens, der sich im 11. Jahrhundert im Kloster Cîteaux gegründet hat.
Der „Big Boss“ von Kloster Kamp
Die Reformbewegung in Frankreich machte auch den Erzbischof von Köln neugierig, sodass er kurzerhand den Mönchen einen Flecken in Kamp-Lintfort anbot. „Man könnte sagen, weit genug weg von Köln“, so Peter Hahnen. Aber eben noch nah genug dran, um das Experiment zu wagen… Und tatsächlich, das neue Konzept, das sich auf die ursprünglichen Ideale der Benediktsregel zurückbesinnt, kam gut an. „Aus zwölf Mönchen wurden schon nach kurzer Zeit an die 100 Mönche“, erzählt er. Woran das lag? „Vermutlich an den geistlichen Persönlichkeiten, die glaubwürdig waren.“ Denn nicht nur ihre Kleidung war einfach, auch ihre Kirchen kamen ohne Prunk aus. Außerdem arbeiteten sie hart, bauten eigenes Obst und Gemüse an – die Renette beispielsweise, „das ist eine Apfelsorte, die wir den Zisterziensern verdanken“, sagt er.
Doch über die Jahrhunderte verändert sich vieles, auch ein Kloster mit seinen Mönchen und Äbten. Johannes hatte es nicht gerade leicht, weiß Peter Hahnen: „Er musste sich mit der Reformation auseinandersetzen, weil ihm die Leute weggelaufen sind.“ Wie also konnte er die Kirche wieder attraktiver für die Menschen gestalten? Durch noch strengere Regeln? Nee… „Die Gottesdienste sollten noch feierlicher werden.“ Deshalb investierte er in eine pompöse Kirchenausstattung. Und auch er selbst, der kleine Abt an den dünnen Seilen, trägt nicht mehr ein Kreuz aus Holz, sondern aus Edelmetall. Das aber ist noch nix im Vergleich zu Franziskus, dem „Big Boss“ aus dem 18. Jahrhundert… „Er soll cholerisch gewesen sein“, hält der Experte fest, „ihm ging es nur um Macht.“ Und ums Protzen.
Napoleon und das Ende von Kloster Kamp
Deshalb ließ Franziskus den barocken Terrassengarten bauen, sich selbst gönnte er ein hübsches Wohnhaus und schicke Kleidung. Brokatstoff statt Schafsfell. Was aber hätte nun Heinrich seinem Nachfolger gesagt? Die beiden sitzen sich am runden Tisch genau gegenüber, „mit Absicht“, wie Peter Hahnen verrät. „Denn das war quasi der Höhepunkt des Verrats an den Reformidealen der Zisterzienser.“ Wenn Marionetten doch sprechen könnten… dann würde es wahrscheinlich hitzig werden, zumindest zwischen den beiden. Dionysius dagegen, Abt von 1773 bis 1778, war wesentlich ruhiger und milder. „Er war ein Freund der Künste“, erzählt er, „und hat den Mönchen angeboten, ein Instrument zu lernen.“ So beliebt wie er war kaum einer, am wenigsten aber wohl der 50. und letzte Abt…
„Bernhard war eine unglückliche Person“, weiß Peter Hahnen, „und ungeeignet fürs Amt.“ Da passt es doch nur zu gut, dass ausgerechnet in seiner Amtszeit die Franzosen den linken Niederrhein besetzten. Und Napoleon – „hatte etwas gegen Kloster“. Wieso? Naja… „Mönche lesen tagsüber in ihren Büchern und sitzen abends zusammen, um darüber zu sprechen, was ihnen in der Welt nicht gefällt“, fasst er zusammen. „Das ist doch die geborene Opposition.“ Und die sollte weg. 1802 wurde das Kloster Kamp aufgelöst. Endgültig? Nun ja… Zunächst scheinbar schon, die Gebäude verwahrlosten und im Terrassengarten grasten die Tiere, bis es 1954 „nochmal spannend wurde“, erzählt er. Die niederländischen Karmeliter lebten und wirkten bis 2002 auf dem Kamper Berg, „das ist die zweite europäische Wurzel von Kloster Kamp“.
Ort des Segens
Und nun? Hat sich der 2003 gegründete Verein „Geistliche und Kulturelle Zentrum Kloster Kamp“ längst hier eingelebt und etabliert. Die Idee fasst der Leiter so zusammen: „Viele Jahrhunderte war Kloster Kamp ein Ort der Stille, der Begegnungen, des Gebets, der Kunst, des Segens. Und das soll es auch weiterhin sein.“ Das Angebot reicht von Segensandachten über Meditationsangebote bis hin zu Führungen, Lesungen und Konzerten. Und, ganz wichtig, „das Spendencafé“, wirft er noch schnell ein, „wenn das Wetter gut ist, steppt hier oben der Bär.“ Na, was die fünf Bosse am runden Tisch wohl dazu sagen würden?
>>> Schatzkammer und Gewölbekeller von Kloster Kamp
Die Ausstellung „Konvent der Bosse“ ist noch bis zum 29. Oktober in der Schatzkammer des Museums Kloster Kamp, Abteiplatz 24, zu sehen – immer dienstags bis samstags von 14 bis 17 Uhr sowie sonn- und/feiertags von 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt liegt bei drei Euro.
Aktuell läuft auch die Ausstellung „Die sieben Todsünden“. Die Zeichnungen von Andreas Noßmann hängen noch bis zum 1. November im Gewölbekeller des Museums Kloster Kamp, geöffnet ist zu denselben Zeiten wie die Schatzkammer. Weitere Infos: www.kloster-kamp.de
Beim Besuch der Dauerausstellung können sich Interessierte übrigens die Museums-App kostenlos im Museum – es gibt einen eigenen Hotspot – herunterladen.