Kevelaer. Lisa Jansen aus Kevelaer macht bei der bundesweiten Kampagne „Opt.Ink“ mit. In ihrem Tattoo-Studio bietet sie kostenlos Organspende-Tattoos an.

Halbkreis, Halbkreis, Kreis – fertig ist das Tattoo, das Leben retten kann. Denn wer das Symbol auf seiner Haut trägt, erklärt sich zur Organspende bereit. Klingt verrückt? Ja, vielleicht, aber gleichzeitig ist es doch auch total sinnvoll, dachte sich Lisa Jansen. „Man kann den Organspendeausweis so schnell verlieren“, sagt sie, „und dann werden die Organe nicht gespendet, obwohl man es eigentlich gewollt hätte.“ Nun ist das Tattoo zwar kein rechtsgültiges Dokument, aber zumindest eine sogenannte Willensbekundung. Und die kann im Zweifelsfall den Angehörigen bei einer Entscheidung helfen. Eine richtig gute Sache also, findet die Tätowiererin. Deshalb macht sie bei der Kampagne „Opt.Ink“ mit und sticht kostenlos das Organspende-Tattoo.

Anfang des Jahres hat der Verein „Junge Helden“ das Projekt gestartet und schon jetzt nehmen hunderte Tattoo-Studios in ganz Deutschland daran teil. Doch ob die Idee auch in der Wallfahrtsstadt ankommt? Ja, kann Lisa Jansen nach den ersten Wochen sagen: „Ich habe mindestens ein bis zwei Anfragen pro Tag.“ Das sind so viele, dass sie schon schauen muss, wie sie die Termine alle unterbekommt. Das Stechen dauert zwar nur 15 Minuten, aber trotzdem plant sie immer eine Stunde pro Tattoo ein. Die Vorbesprechung – wo soll das Symbol hin, wie groß soll es werden? – nimmt schließlich auch einige Zeit in Anspruch. „Die meisten wollen es am Arm haben“, sagt sie. Dort, wo es gut zu sehen ist und damit vielleicht auch der Aufhänger für ein Gespräch über die Organspende ist.

Warten auf eine Organtransplantation

Denn, so heißt es auf der Homepage des Vereins: „Während eine große Mehrheit angibt, ihre Organe spenden zu wollen, werden nur 0,001 % wirklich Organspender*innen. Unter anderem, weil Deutschland an der umstrittenen Zustimmungslösung festhält.“ Denn die aktive Einwilligung fehlt oftmals und die Angehörigen wissen nicht, was sich die Verstorbenen gewünscht hätten. Das Tattoo soll dazu animieren, eine Entscheidung zu treffen und sich darüber mit den Angehörigen zu unterhalten – damit am Ende die Zahl der Spenderinnen und Spender steigt. „In Deutschland warten rund 10.000 Menschen auf eine Organtransplantation“, ist dazu auf der Homepage zu lesen. „Auch in diesem Jahr werden circa 1000 Menschen ihr lebensrettendes Organ nicht rechtzeitig bekommen.“

Die Bilder an der Wand sind Zeichnungen für Tattoos, die Lisa Jansen in ihrem Studio „Holy Heart“ in Kevelaer bereits gestochen hat.
Die Bilder an der Wand sind Zeichnungen für Tattoos, die Lisa Jansen in ihrem Studio „Holy Heart“ in Kevelaer bereits gestochen hat. © Holy Heart

Das soll sich mit dem Organspende-Tattoo endlich ändern. Aber Vorsicht! Eine kleine, wenn auch nicht ganz ernst gemeinte Warnung muss Lisa Jansen noch aussprechen: „Tattoos machen süchtig!“ Wer einmal angefangen hat, hört so schnell nicht mehr damit auf… Das weiß sie selbst nur allzu gut. Was ihr erstes Tattoo war? Dazu zieht sie kurz ihre Bluse hoch und gibt damit den Blick frei auf mehrere Pfotenabdrücke auf ihrem seitlichen Oberkörper. „Von meinem Hund damals“, erklärt sie. Und ja, auch bei ihr ist es nicht bei dem einen Tattoo geblieben… Auf ihrem linken Bein und ihrem rechten Arm sind viele bunte Bilder zu sehen, „im Oldschool-Design“, fügt sie hinzu, auf ihrem rechten Bein finden sich Motive aus der Tierwelt und auf ihrem linken Arm aus Harry Potter wieder, „alles realistisch gezeichnet“, sagt sie.

Tattoo-Studio in Kevelaer

Dass sie mal Tätowiererin werden würde, hätte die 28-Jährige dennoch nie für möglich gehalten. Erst schloss sie eine Ausbildung zur Arzthelferin ab, dann wurde sie Sozialversicherungsangestellte. In beiden Berufen arbeitete sie zeitweise, stellte aber schnell fest: Nee, das ist nix für mich! „Ich war super unglücklich und wusste nicht, was ich noch machen sollte“, erinnert sie sich. Bis ihr Mann auf die Idee mit dem Tätowieren kam. Doch sie winkte erstmal ab. Schließlich ist das kein anerkannter Beruf, viele bringen sich das Tätowieren selbst zuhause bei, „aber davon bin ich kein Fan“. Zum Glück fand sie ein Studio, in dem sie ein Jahr lang von den Profis lernte, bis sie ihr erstes Tattoo stechen konnte. „Eine Blume“, sagt sie, während sie die Jeans hochschiebt und ihren Innenknöchel zeigt.

So sieht das Organspende-Tattoo aus – in diesem Fall gestochen in einem Studio im Sauerland.
So sieht das Organspende-Tattoo aus – in diesem Fall gestochen in einem Studio im Sauerland. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Ja, sie hat immer gern gemalt, aber das ist kaum zu vergleichen, weiß Lisa Jansen jetzt: „Die Technik ist anders, die Maschine vibriert, die Haut arbeitet und der Kunde bewegt sich.“ Da kann eine gerade Linie schon mal zur Herausforderung werden. Ihr aber bereitet die Arbeit so großen Spaß, dass sie im September 2021 – „ja, mitten in der Pandemie“ – ihr eigenes Tattoo-Studio „Holy Heart“ eröffnet hat. Und das Geschäft läuft gut, wie sie sagt: „Am Anfang habe ich die Termine hauptsächlich über Instagram vergeben, mittlerweile kommen 80 Prozent der Kunden über Weiterempfehlungen.“ Übrigens, die meisten, fast 90 Prozent, sind Frauen. „Weil ich mich auf Fineline-Tattoos spezialisiert habe.“ Also fein gezeichnete Blumen, Traumfänger, Tiere… besonders beliebt: Schmetterlinge.

Symbol für Organspende

Und seit Neustem eben auch die Organspende-Tattoos. Hat die Tätowiererin denn auch eines? „Ich fliege nächste Woche in Urlaub und damit darf man ja erstmal nicht in die Sonne“, antwortet sie. Aber danach, das steht schon fest, lässt sie es sich in einem befreundeten Studio stechen. „Oder ich steche es mir selbst.“ Wobei, sie schaut auf ihre Unterarme, „so langsam gehen mir die Stellen aus, wo ich noch dran komme…“ Aber hier, am Handgelenk, ist doch noch ein bisschen Platz für Halbkreis, Halbkreis, Kreis.

>>> „Holy Heart“ in Kevelaer

Das Tattoo-Studio „Holy Heart“ befindet sich an der Basilikastraße 18 in Kevelaer. Kontakt: per E-Mail an holyheart-tattoo@freenet.de oder über die Homepage www.holyheart-tattoo.de

Weitere Infos zum kostenlosen Organspende-Tattoo und zu anderen Tattoo-Studios, die ein solches anbieten, sind zu finden unter www.junge-helden.org