Weeze. Der Airport Weeze wird 20 Jahre alt. Im Interview spricht Geschäftsführer Dr. Sebastian Papst darüber, wie alles begann und was es Neues gibt.
Wer hätte das vor über 20 Jahren gedacht? Dass ein ziviler Flughafen am Niederrhein sich langfristig etablieren würde, dass eines Tages bis zu zwei Millionen Passagiere von Weeze aus fliegen würden, dass heute hier gut 800 Menschen Arbeit finden? Und vor allem: dass man sich allen Herausforderungen gestellt hat. Ein Blick zurück auf die nicht immer einfachen ersten Jahre, auf die weitere Entwicklung und die mögliche Zukunft des Airport Weeze. Im Gespräch mit Flughafengeschäftsführer Dr. Sebastian Papst.
Herr Dr. Papst, können Sie die Anfänge des Flughafens kurz skizzieren? Was passierte nach dem Abzug der Briten?
Der Flughafen war 45 Jahre lang die Basis der Royal Air Force. Die Briten zogen sich ab Ende 1999 aus Weeze zurück. Danach ging es zunächst um die Erarbeitung eines Nutzungskonzepts für die Ansiedlung von Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Idee eines Zivilflughafens entstand und wurde in den kommenden vier Jahren umgesetzt. Umbauten mussten stattfinden. Am 1. Mai 2003 hob die erste Ryanair-Maschine von hier aus Richtung London-Stansted ab. Das war der Startschuss für Weeze. Dabei war das Terminal noch gar nicht fertiggestellt. Das wäre heute wahrscheinlich undenkbar.
Was waren denn die entscheidenden Schritte zum heute erfolgreichen Flughafen? Es galt, einige Schwierigkeiten zu bestehen.
Das stimmt. Es gab ab 2006 Widerstände und Klagen gegen die flugrechtliche Genehmigung. Doch dadurch wurde der Flugbetrieb nicht eingeschränkt, und seit Mai 2010 ist die Betriebserlaubnis des Flughafens nach jahrelanger juristischer Auseinandersetzung gesichert und hat Bestand. Die Luftfahrt ist zudem eine hoch regulierte Branche, und die Abgabenlast in Deutschland im europäischen Vergleich höher als in vielen anderen Ländern. Denken Sie an die Luftsicherheitsgebühr, die Luftverkehrssteuer oder die Flugsicherungskosten, die wir seit Bestehen des Airports in jährlich siebenstelliger Höhe bis vor anderthalb Jahren selbst übernommen haben. 2007 eröffnete Ryanair hier seine Base. Das 15-jährige Bestehen konnten wir im vergangenen Jahr feiern. Das Unternehmen ist unser größter und war zwischenzeitlich unser einziger Kunde, der die Passagierzahlen vorangetrieben hat. 2010 hatten wir 2,9 Millionen Fluggäste – bisher Rekord! Damit war die aktuelle Kapazitätsgrenze allerdings fast erreicht.
Als dann 2011 die Luftverkehrssteuer in Deutschland eingeführt wurde, standen wir vor einer neuen Herausforderung. Passagiere wanderten in die Niederlande ab, weil es dort günstiger war. Dann kam noch die Air Berlin-Pleite hinzu, in deren Folge Ryanair Jets aus Weeze abzog, um die frei werdenden Slots (Zeitfenster, Anm.d.Red.) an anderen Standorten zu besetzen.
Wer nutzt den Flughafen heute?
Im vergangenen Jahr waren 40 Prozent der Fluggäste Niederländer, 60 Prozent kamen aus Deutschland. Neben Ryanair ist beispielsweise auch die staatliche Fluggesellschaft Air Arabia Maroc ein wichtiger Kunde. Eine große Gruppe marokkanischer Passagiere nutzt Weeze. Wir sind der größte deutsche Marokko-Flughafen mit insgesamt sieben Zielen in dem nordafrikanischen Land. Dazu kommen weitere Airlines wie Sky Express, die Kreta, Kos, Rhodos und Zakynthos anfliegen, Sunexpress mit Zielen in der Türkei und seit diesem Jahr die beiden Fluggesellschaften Freebird und Tailwind Airlines mit Charterangeboten in die Türkei. Darüber freuen wir uns besonders. Damit wird der ganze Bereich der Pauschalreisen angeboten.
Auf dem Gelände des Flughafens steht die größte Photovoltaikanlage In NRW. Wer profitiert davon?
Das Flughafengelände umfasst 620 Hektar. Etwas mehr als ein Drittel wird für den Flugbetrieb genutzt und folgt zusammen mit den angesiedelten Industrie- und Gewerbebetrieben der damaligen Idee der Einrichtung eines „Euregionalen Zentrums für Luftverkehr, Logistik und Gewerbe“. Die auf dem Gelände befindliche große PV-Anlage schafft eine Leistung von 14 Megawatt mit ihren 60.000 Modulen. Weitere vier Megawatt Leistung kommen von den Dächern der Car Ports auf den Parkplätzen. Eine Anlage mit zusätzlichen vier Megawatt Leistung wird gerade gebaut und geht im September in Betrieb. Wir produzieren aktuell also bereits mehr Strom als der Flughafen rein rechnerisch benötigt.
Wie viele Menschen arbeiten hier – direkt am Flughafen oder auf dem Gelände?
Am Flugbetrieb direkt beteiligt sind 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insgesamt arbeiten gut 800 Menschen hier.
Der Sommerflugplan ist raus. Welche neuen Ziele gibt es?
Wir bieten in diesem Jahr eine Besonderheit: Ryanair fliegt mit Kopenhagen eine skandinavische Destination an. Zu den insgesamt 40 Zielen gehören neue wie Pula in Kroatien, Bodrum in der Türkei, Rhodos, Zakynthos, Sevilla oder Mailand.
Wagen Sie einen Blick in die Zukunft?
Wir sehen uns weiter wachsend und haben mit der Corona-Pandemie die größte Krise der zivilen Luftfahrt überstanden. Mit dem abgelaufenen Jahr sind wir sehr zufrieden. In diesem Jahr planen wir nicht nur die Rückkehr auf das Vor-Corona-Niveau, sondern sogar mit etwa 20 Prozent darüber.
Sie sind seit fast zweieinhalb Jahren Geschäftsführer. Was haben Sie hier vorgefunden?
Ich habe einen sehr gut geführten Flughafen vorgefunden. Hier arbeitet ein hochmotiviertes Team. Alle waren und sind mit Herzblut bei der Sache und haben für den Airport immer weitergemacht. Wir sind mehrheitlich in Privatbesitz, daher spielt kostenbewusstes Arbeiten eine zentrale Rolle.
>>> Flugverkehr und Festivalstimmung
2001 kauft die niederländische Investorengruppe um Hans van de Lande das Areal vom Kreis Kleve. Weeze gehört zu einem der wenigen Flughäfen in mehrheitlichem Privatbesitz (Mehrheitseigentümer ist Herman Buurman). 2002 begann man mit dem Bau eines neuen Terminals. Am 1. Mai 2003 nimmt der Flughafen Niederrhein seinen Betrieb auf. Von 2004 bis 2020 ist Ludger van Bebber Geschäftsführer der Flughafen Niederrhein GmbH.
Seit 2005 wird der Flughafen als Airport Weeze bezeichnet. Ryanair richtet 2007 eine neue Basis ein. Bis 2010 sind hier neun Jets stationiert. Mit der Abschaffung der Luftverkehrssteuer in den Niederlanden geht die Zahl der Passagiere aus dem Nachbarland zurück. Als Ryanair 2018 in Folge der Air Berlin-Insolvenz die frei werdenden Slots an anderen Standorten besetzt, bleiben zunächst nur drei Jets in Weeze.
Überstanden hat man in Weeze verschiedene, teils jahrelange Rechtsstreitigkeiten etwa um den Namen des Flughafens und um die Fluggenehmigung. Letztere wurde 2010 beigelegt. Auf dem Areal finden Festivals wie Parookaville statt. Auf dem Gelände der Training Base Weeze üben Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste für den Ernstfall.