Duisburg. Die Cubus Kunsthalle in Duisburg zeigt den Nachlass von Heinrich Strunk. Interessierte können die Kunstwerke gegen eine kleine Spende erwerben.

Das Atelier liegt versteckt in einem Hinterhof, kaum zu glauben, dass hier, an diesem so unscheinbaren Ort, hunderte Kunstwerke entstanden sein sollen. Wobei, wer Heinrich Strunk gekannt hat, dürfte davon nicht besonders überrascht sein. „Er war ein stiller Maler“, sagt Dr. Claudia Schaefer. Als Leiterin der Cubus Kunsthalle musste sie ihn regelrecht überreden, am alljährlich stattfindenden Kunstmarkt teilzunehmen. Manchmal klappte es, meistens aber nicht. „Er hat sehr im Verborgenen gearbeitet.“ Im Jahr 2016 ist er gestorben, vor sieben Jahren also schon. Und doch sieht sein Atelier noch immer so aus, als wäre er gerade nur mal eben kurz rausgegangen – vielleicht um ein Bierchen im Finkenkrug nebenan zu trinken… Das aber soll sich nun ändern.

Doch bevor sein kleines Atelier ausgeräumt und aufgelöst wird, bevor seine gesamten Werke in einer großen Nachlassausstellung in der Cubus Kunsthalle ausgestellt werden, geht’s ein letztes Mal auf die Suche nach den farbenfrohen, ausdrucksstarken und doch manchmal auch sehr feinen Spuren von Heinrich Strunk. „Für mich ist das ein ganz besonderer Ort“, erklärt Kai Toss, während er ins Atelier führt. Der WDR-Reporter und -Autor hat den Künstler vor vielen Jahren kennengelernt, ja, tatsächlich sogar im Finkenkrug, und hat mit ihm zahlreiche Gespräche geführt. „Das Bild hier hat er gezeichnet, während wir in einem Café geplaudert haben“, erzählt er und zieht einen bemalten Bierdeckel hervor. Darauf zu sehen ist er selbst, als Sportreporter, „und wenn ich mit einem nix an der Brause habe, dann mit Sport“, sagt er und lacht.

Humor oder Quatsch?

Ja, Heinrich Strunk war „sehr ironisch“, kann sein langjähriger Freund und Nachlassverwalter Uwe Loss bestätigen. Das schimmert auch in vielen seiner Arbeiten durch. Beispielsweise in dem großformatigen Bild, auf dem ein dunkler Schatten ins eine rotes Gesicht hineinragt und auf dem in ungelenker Schrift geschrieben steht: „Rechte Hand will zum Strand, linke Hand will Traubenbrand.“ Ist das trockener Humor oder doch verrückter Dadaismus? Bei so manchem Werk fällt die Unterscheidung schwer. „Aber ich hole mal eines, das wirklich Quatsch ist“, sagt Kai Toss und hält eine Leinwand hoch. Darauf zu sehen sind drei grüne Männer in einer Reihe, die rosafarbenen Herzen und Rippen ragen wie Kraken aus ihren Körpern, dazu der Spruch: „Gulasch muss herzhaft sein.“

Das Bild auf Bierdeckeln hat Heinrich Strunk für seinen Freund Kai Toss gemalt.
Das Bild auf Bierdeckeln hat Heinrich Strunk für seinen Freund Kai Toss gemalt. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Was der Künstler damit wohl sagen wollte? Vielleicht nix. Vielleicht aber auch etwas, das sich einem erst nach stundenlangem Betrachten erschließt. Denn obwohl die Bilder oft kindlich und naiv erscheinen, „sind sie das meistens nicht“, sagt Dr. Claudia Schaefer. „Bei ihm ist alles gleich gewichtet, Vorder- und Hintergrund, das macht es so spannend, weil einem alles regelrecht entgegenkommt.“ Formen, Farben und dann immer wieder, meist allerdings erst auf den zweiten Blick erkennbar, Sätze. „Das Dilemma der viel zu guten Mutter.“ Das regt an, zum Nachdenken und zum Weiterstöbern. Rund 700 Werke haben sie im Atelier gezählt, wobei, eigentlich sind es noch viel mehr. Denn die Wände selbst sind ebenfalls zu Kunst geworden.

Kunstwerke auf dem Sperrmüll

Ein alter Quast hängt an der weißen Wand, daneben hat Heinrich Strunk mit Bleistift geschrieben: „Ich überlege, mein Bauch entscheidet.“ Oder dort drüben, die eingetrockneten Tücher, die zusammen ein Gesicht ergeben… All das soll der Nachwelt erhalten bleiben, deshalb werden sich viele Gegenstände – darunter übrigens auch seine farbbesprenkelten Arbeitsschuhe – in der Ausstellung wiederfinden. Außerdem hat Gernot Schwarz das Atelier fotografiert, seine Bilder werden ebenfalls in der Cubus Kunsthalle zu sehen sein. Die Besucherinnen und Besucher sollen einen Eindruck von Heinrich Strunk bekommen, der immer an seine Kunst geglaubt hat – obwohl er nie viele Werke verkauft hat. Aber auch das soll sich nun ändern…

Die Wände seines Ateliers hat Heinrich Strunk ebenfalls in Kunstwerke verwandelt.
Die Wände seines Ateliers hat Heinrich Strunk ebenfalls in Kunstwerke verwandelt. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Künstlernachlässe sind ein Riesenthema“, weiß Dr. Claudia Schaefer. „Manche Erben sind damit überfordert, sodass viele Kunstwerke auf dem Sperrmüll landen.“ Trotz einiger landesweiter und kommunaler Vorstöße gibt’s noch immer keine zufriedenstellende Lösung, was mit solchen Arbeiten passieren soll. Die Familie und die Freunde von Heinrich Strunk haben sich daher dafür entschieden, die Werke noch einmal zu zeigen und dann „unters Volk“ zu bringen. Interessierte können die Arbeiten kaufen, die Preise liegen dabei zwischen fünf und 100 Euro. 60 Prozent der Erlöse gehen an die Tafel, „das hätte ihn gefreut“, ist sie sicher, „weil er ein sehr sozialer Mensch war.“ Aber hätte er, der „stille Maler“ sich auch über so viel Aufmerksamkeit gefreut?

Logo für den Finkenkrug

Ja, auf jeden Fall! „Man musste ihn nur manchmal etwas anschubsen“, erzählt Uwe Loss. Und ganz unbekannt waren er und seine Kunst in seiner Neudorfer Nachbarschaft sowieso nicht… Dazu geht’s noch einmal raus aus seinem Atelier, rauf auf den Innenhof. Denn von hier aus ist der Finkenkrug, seine Stammkneipe, zu sehen. Und das Logo, das an der Hauswand zu sehen ist, hat vor über 30 Jahren Heinrich Strunk entworfen. Der Fink ist auch auf drei Bildern zu finden – mal mit leerem Tablett, mal mit leicht angesäuseltem Blick – die jedoch nicht zum Verkauf stehen. Stattdessen sollen sie bald im Finkenkrug hängen, ganz in der Nähe des Ortes, an dem einst alles andere als unscheinbare Kunst entstanden ist.

>>> Heinrich Strunks Kunst in der Cubus Kunsthalle in Duisburg

Die Eröffnung der Nachlassausstellung startet am Sonntag, 14. Mai, um 15 Uhr in der Cubus Kunsthalle. Die Arbeiten sind bis zum 11. Juni immer mittwochs bis sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Heinrich Strunks Kunstwerke können Interessierte kaufen. Die Spenden fangen bei fünf Euro an und sollten 100 Euro für eine Leinwand nicht überschreiten.

Die Verantwortlichen haben außerdem Aktionen an den Sonntagen geplant, darunter die Enthüllung mehrerer Leinwandrollen… Welche Kunstwerke dabei wohl noch auftauchen? Weitere Infos dazu: www.cubus-kunsthalle.de