Kevelaer. Der Wallfahrtsort Kevelaer ist bereit, denn am 1 Mai startet die Pilgersaison. Die Stadt freut sich auf mehrere Hunderttausend Besucher.
Was das Oktoberfest für München ist, ist die Wallfahrt für Kevelaer. Beides zieht unfassbar viele Menschen an. Im Süden suchen die Gäste das leibliche Wohl, am Niederrhein steht das seelische im Fokus. Eins haben beide Sehnsuchtsorte gemeinsam: Corona hat sie zu Boden gedrückt, aber nicht vernichtet. In Kevelaer geht jetzt am 1. Mai die Pilgersaison wieder los. „Endlich“, sagt Wallfahrtsrektor Gregor Kauling erleichtert.
Die Menschen kehren zurück, nisten sich im Priesterhaus ein, zünden Kerzen an, kommen zur Ruhe. Und damit Seele und Geist wieder Kraft tanken können, keimt auch das weltliche Bedürfnis auf, diese Kraft mit Symbolen zu untermauern. Eine Symbiose bilden Kirche, Kunst und Kommerz.
Denn in jedem Bereich geht es natürlich auch um Geld. Bitter waren die drei Jahre für alle: Kirche, Gastronomie und Geschäfte haben gelitten. „Vor Corona kamen täglich sechs bis sieben Busse hier an. Es wurde viel gekauft, jeder hat hier eine Kerze angesteckt“, berichtet Thomas Bloemen, Inhaber des „Kerzenhaus“, im Schatten der Basilika. „Erst war Stillstand durch Corona. Dann hatten wir ein Jahr eine Baustelle vor der Türe.“
Der Kapellenplatz, das Herzstück von Kevelaer, wurde umgestaltet und ist jetzt – fast – fertig. Drei Jahre hatte das Kerzenhaus schmerzliche Einbußen, sagt Bloemen. Das ging der Kirche nicht anders.
Bis zu eine Million Besucher im Jahr kommen nach Kevelaer
Lange konnte Gregor Kauling nur davon träumen, wie es „damals“ war, vor Corona. Dabei war die Wallfahrt immer ein Publikumsmagnet. Schon im 18. Jahrhundert zog die Kerzenkapelle über 100.000 Pilger im Jahr an. Und es wurden immer mehr Gläubige, die nach Kevelaer kamen. „Jetzt sind es im Jahr zwischen 800.000 und eine Million Personen. Der Höhepunkt bisher war das Jahr 1987. Da waren Papst Johannes Paul II. und Mutter Teresa zu Gast.
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Viel hat sich verändert. „Es kommen nicht nur Menschen, die eng mit der Kirche verbunden sind. Und die Folgen der Pandemie sind zu spüren. „Vor Corona kamen viele Gruppen hierhin, die drei Tag gewandert sind und in umliegenden Landgasthöfen übernachtet haben“, erzählt der Wallfahrtsrektor. Aber viele haben die lange Durststrecke wirtschaftlich nicht überlebt. „Ältere Betreiber haben die Krise zum Anlass genommen und ihr Haus geschlossen.“
Auf dem Weg nach Kevelaer fehlen teils Übernachtungsmöglichkeiten
Das hat Folgen. Für viele Pilger gibt es auf dem Weg nach Kevelaer nicht mehr genügend Übernachtungsmöglichkeiten. „Sie fahren jetzt einige Strecken mit dem Bus, laufen einen Tag weniger oder kommen gleich mit Bussen angereist“, weiß Gregor Kauling. Zum Glück ist jetzt das Priesterhaus offen. „Es ist wie ein ganz normaler Hotelbetrieb mit Beköstigung.“ Aber alles in historischem Ambiente mit unglaublichen Kunstschätzen. Zu sehen sind zum Beispiel die sakralen Bronzen von Bert Gerresheim. Neben Günther Uecker einer der bedeutendsten Schüler Otto Pankoks.
Natürlich wird nach wie vor die Tradition in Ehren gehalten. Beeindruckend ist die Kerzenkapelle, die älteste Kevelaerer Wallfahrtskirche. Beeindruckend sind die Wappenschilder der Bruderschaften, die aus ganz Deutschland kommen und über ihrem Wappen riesige Kerzen aufstellen.
Rund um das kirchliche Ensemble haben sich im Laufe der Jahre Restaurants, Cafés, Kunst- und Kitschgeschäfte etabliert. „Auch für die Holländer ist Kevelaer der größte und bedeutendste Wallfahrtsort“, freut sich Gregor Kauling.
Ein wirkliches Kleinod neben der Kerzenkapelle ist die Ikonengalerie von Stefke Michel. Ein Lebenselexier für die in Bulgarien geborene Kunsthistorikerin. Sie kennt die Bedeutung, die Ikonen auf viele Menschen haben. Die meisten Bilder sind Originale aus Osteuropa, fein gearbeitet auf altem Holz mit unglaublicher Ausstrahlungskraft. „Sie geben den Menschen ein Stück unsichtbare Welt, ein wichtiges Gegenüber.“
Manche Kunden kommen, um zu kaufen. Andere lassen den Wert ihrer Ikone schätzen oder geben sie der Fachfrau zum Restaurieren.
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Antrag zur Kurstadt ist gestellt
„Was jetzt im Mittelpunkt für Stadt und Kirche steht, ist die Weiterentwicklung von Angeboten für junge Leute und Familien“, erklärt Verena Rohde, Marketingchefin der Stadt. Wir brauchen mehr Stellplätze für Wohnmobile – eine Folge von Corona. „Und wir wollen uns als Gesundheitsstandort etablieren. Den Antrag zur Kurstadt haben wir gestellt und warten noch auf die Genehmigung.“
Mit Kirche, Kunst und Wallfahrt hat die Awo-Gruppe aus Bochum wenig zu tun. „Wir komm
en öfter nach Kevelaer, weil es hier so schön ist“, sagt Karin Schilf, die mit zehn anderen angereist ist. „Uns ist das Spargelessen in Walbeck heilig“, scherzen sie. Den haben sie gerade genossen und machen sich einen herrlichen Tag im Wallfahrtsort. So unterschiedlich die Gründe der Besucher auch sind – Kevelaer bleibt ein Publikumsmagnet.
Die Anfänge der Stadt: Es begann mit einem Massaker
Während des 30-jährigen Krieges töteten kroatische Soldaten 100 Menschen in Kevelaer. Der Legende nach hörte der Kaufmann Hendrick Busmann aus Geldern vor Weihnachten 1641 an der Weggabelung der Straßen Amsterdam-Köln und Münster-Brüssel eine Stimme: „An dieser Stelle sollst du mir ein Kapellchen bauen.“ Seine Ehefrau hatte ein gleißendes Licht gesehen, in dessen Mitte sich ein Gebetshäuschen mit einem Bildnis der Gottesmutter befand. Dieses Bild war ihr von zwei Soldaten zum Kauf angeboten worden.
Busmann löste das Versprechen ein und baute mitten im Krieg den Bildstock an der Stelle, an der er die Stimme gehört hatte. Am 1. Juni 1642 weihte der Pfarrer von Kevelaer einen Bildstock an der Kreuzung und setzte einen Kupferstich der Gottesmutter Maria „Consolatrix Afflictorum“ (Trösterin der Betrübten) von Luxemburg ein. Es folgte ein Aufschwung der Wallfahrt. Das Bild ist in der Gnadenkapelle am Kapellenplatz zu sehen.