Essen. Die Reisebranche erwartet 2023 Rekordumsätze. Bei der Eröffnung des neuen Reisebüros in Essen verriet Tui-Chef Jacobi die Trend-Urlaubsziele.
„Es ist Buchungswetter“, sagt Benjamin Jacobi und blickt aus der Fensterfront auf den verregneten Willy-Brandt-Platz. Tatsächlich füllt sich der Regenschirmständer des neuen Tui-Reisebüros in der Essener Innenstadt rasant. Das Fernweh zieht schon zur Eröffnung viele Passanten und geladene Stammgäste in die neue – und trockene – Beratungsstelle für Urlaubsplanung. Die soll mit modernem Ambiente zum Vorzeigestandort der Reisegesellschaft werden, Bewegtbilder von türkisen Lagunen und Beratungsplätze mit Tablets haben die klassische Katalogwand abgelöst.
„Wir wollen in zentraler Lage Präsenz zeigen und neue Maßstäbe setzen“, erklärt Jacobi, bei Tui als Geschäftsführer für Marketing und Vertrieb tätig. Und er fügt an, dass das Reisebüro trotz digitaler Alternativen weiter zeitgemäß ist. Schließlich sei der Jahresurlaub für viele Familien die teuerste Haushaltsausgabe, das Bedürfnis nach qualifizierter Beratung daher groß. Zudem würden Reisen immer komplexer und individueller, Rundreisen durch ferne Länder mit Aufenthalten in mehreren Hotels liegen im Trend. „In diesem Sommer entwickelt sich der Reisebüromarkt stärker als der Online-Markt“, verrät der Tui-Chef im Gespräch mit der Redaktion.
Deutscher Reiseverband: Weniger Reisebüros in NRW – aber mehr Umsatz
Diese Entwicklung bestätigt der Deutsche Reiseverband. Die jüngste GfK-Umfrage habe gezeigt, dass die Reisebüros im vergangenen Jahr bundesweit 15,3 Milliarden erwirtschaftet haben. Damit seien die Umsätze nach starken Einbrüchen in den beiden Corona-Jahren wieder gestiegen und näherten sich langsam den Werten vor der Pandemie an. 2316 stationäre Reisebüros hatte der Verband in Nordrhein-Westfalen bei seiner letzten Erhebung aus dem Jahr 2018/2019 gezählt. 2013 waren es noch 2435.
Trotz leicht sinkender Anzahl von Reisebüros sei im selben Zeitraum der Umsatz in diesen gestiegen, berichtet der Leiter für Kommunikation, Torsten Schäfer. „Ein massenhaftes Reisebürosterben haben wir – dank der Unterstützung der Bundesregierung durch Überbrückungshilfen und Kurzarbeitergeld – zum Glück in den vergangenen zwei Jahren nicht beobachten können.“
Reisebranche erholt von Corona – Tui erwartet 2023 Rekordumsätze
Auch Tui profitierte von staatlicher Finanzhilfe in Höhe von insgesamt 4,3 Milliarden Euro durch Staatsbank-Kredite und stille Einlagen. „Durch die Hilfen konnten wir die Zahl unserer Reisebüros deutlich stabiler halten als befürchtet“, sagt Benjamin Jacobi. In Laufe des Jahres solle die Rückzahlung der Corona-Kredite bereits abgeschlossen sein. Für den Vertriebschef der Beweis dafür, dass sich die Branche endgültig erholt hat.
„In vielen Vertriebskanälen erwarten wir im Jahr 2023 Rekordumsätze“, so Jacobi. Der Reiseveranstalter beobachte bei vielen Kundinnen und Kunden einen Nachholeffekt aus der Pandemie. Der Trend zur Vorsicht und Kurzfristigkeit scheint vorbei, die klassischen Frühbucherangebote sind zurück. Auch die durchschnittliche Reisedauer sei gestiegen. „Die Menschen gönnen sich in diesem Jahr längere und wertigere Urlaube. Auch die Anspannung durch die Energiekosten löst sich langsam.“
Urlaubs-Trends 2023: Mallorca und Türkei bleiben Top-Reiseziele – auch Senegal beliebt
Zu den neuesten Trend-Reisezielen gehören in diesem Sommer die kapverdischen Inseln und der Senegal. Die afrikanischen Destinationen wurden mit Direktflügen und neuen Hotels erschlossen und wecken bei einigen Kunden die Abenteuerlust. Auch Reisen nach Tunesien werden wieder zunehmend gebucht.
An den bisherigen Favoriten der deutschen Urlauber ist aber auch 2023 kein Vorbeikommen. Das Angebot auf Mallorca wurde sogar um fünf Prozent erhöht. Ebenso beliebt ist die Türkei. Der Buchungsrückgang habe sich nach dem verheerenden Erdbeben normalisiert, das Land bleibe ein attraktives Ziel für Gäste mit kleinerem Budget.
Neues Reisebüro in Essen: Kreuzfahrten und Rundreisen sind 2023 gefragt
Bei der Kundschaft in Essen seien besonders Kreuzfahrten, Inselhopping und Rundreisen gefragt. Das berichtet Sebastian Rautenberg, der sich stolz zeigt, das neue Reisebüro im traditionsreichen Handelshof leiten zu dürfen.
Zur Eröffnungsfeier am vergangenen Samstag ist auch Tim Müllenbeck gekommen. Der Stammkunde aus Düsseldorf bucht seine Urlaube ausschließlich im Reisebüro und lässt sich von den Beraterinnen und Beratern vor Ort gern inspirieren. So ist er auf die Idee für seine erste Fernreise auf Bali mit vielen Insider-Tipps gekommen. Im Mai reist er nach Ägypten, im November soll es noch weiter weggehen, vielleicht auf die Malediven. „Im Internet ist mir die Suche zu kompliziert und anstrengend“, sagt er. Viele günstige Angebote seien auf den zweiten Blick gar nicht so ansprechend wie gedacht. „Ich habe sogar schon Reisen aus dem Internet im Reisebüro günstiger gebucht. Manchmal geht es auch andersherum.“