An Rhein und Ruhr. Länger am Urlaubsort bleiben und am Strand arbeiten – das ermöglichen immer mehr Firmen in NRW. Was Arbeitnehmer über Workation wissen müssen.

Tausche Großraumbüro gegen mediterrane Sonnenterrasse – so lautet das verlockende Versprechen hinter einer Workation. Das Konzept ist die Mischung der englischen Begriffe für Arbeit („Work“) und Urlaub („Vacation“) und funktioniert genau so. Immer mehr Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen ermöglichen es ihren Angestellten, ihren Jahresurlaub zu verlängern, wenn sie vom Urlaubsort arbeiten. „Wer zum Beispiel vier Wochen Gran Canaria bucht, kann dort zwei Wochen lang Urlaub machen und im Anschluss vor Ort noch zwei Wochen remote arbeiten“, erklärt Gerald Kassner, Geschäftsführer von Schauinsland-Reisen. Der Reiseveranstalter aus Duisburg hat das Konzept kürzlich für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingeführt.

Vorteile bietet das Arbeiten aus Hotelzimmer, Strandliege oder Hängematte nämlich nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. „Wir suchen immer wieder nach Wegen, die Arbeitsplätze bei uns im Unternehmen noch attraktiver zu machen. Diese moderne Arbeitsform anzubieten, ist daher ein logischer Schritt“, erklärt Steffen Kassner, Sohn und künftiger Nachfolger des Geschäftsführers. Im harten Wettbewerb um Fachkräfte wolle sich Schauinsland-Reisen so als attraktiver Arbeitgeber behaupten.

Workation in Düsseldorf: Mitarbeiter von Vodafone arbeiten bis zu 20 Tage im Ausland

Wer nun denkt, dass das Konzept Workation nur in der Tourismus-Branche funktioniert, liegt falsch. Auch Vodafone, mit rund 5000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber Düsseldorfs, wirbt in seinen Stellenanzeigen mit der Möglichkeit, bis zu zwanzig Tage pro Jahr im EU-Ausland zu arbeiten. Seit dem Start im Oktober 2021 hätten mehr als 1250 Mitarbeitende von dem Angebot Gebrauch gemacht, die Erfahrungen seien durchweg positiv, wie Unternehmenssprecher Tobias Krzossa berichtet: „Wir sind davon überzeugt, dass sich Vertrauen gegenüber unseren Mitarbeitenden und flexible Arbeitsbedingungen positiv auf deren Motivation und Bindung an Vodafone auswirkt.“

Warum beschränkt der Mobilfunk-Anbieter das Angebot dann aber auf zwanzig Tage im Jahr? Einer der Gründe ist die arbeitsrechtliche Situation. Die ist schließlich noch nicht klar definiert. Tanja Nackmayr, stellv. Hauptgeschäftsführerin der Landesvereinigung der Unternehmensverbände in NRW, fordert von der Politik mehr Rechtssicherheit und Flexibilität. Sie sieht die Workation einerseits als mögliches Instrument für die Gewinnung knapper werdender Fachkräfte, andererseits als möglichen Konfliktherd unter Kollegen. „Mobiles Arbeiten ist etwa in der Produktion oder bei vielen Dienstleistungen gar nicht möglich. Unternehmen werden daher immer darauf achten, dass es innerhalb der Belegschaften nicht zu gefühlten oder echten Ungerechtigkeiten kommt“, sagt Nackmayr.

Workation in NRW: Welche Regeln für das Arbeiten aus dem Urlaub gelten

Nach aktueller Regelung gibt es arbeitsrechtlich keinen Handlungsbedarf, solange die Workation nicht länger als vier Wochen dauert. Allerdings müssen Arbeitgeber prüfen, welche Regelungen bezüglich Arbeitszeit und Pausen in dem jeweiligen Land gelten. Steuerrechtlich relevant wird die Arbeit aus dem Urlaub übrigens erst ab 183 Tagen im Jahr. Dann würde in dem Aufenthaltsland eine Lohnsteuerpflicht entstehen.

Darüber hinaus will Vodafone noch nicht gänzlich auf Homeoffice wechseln. „Wichtig ist es für Unternehmen, die richtige Balance zu finden: Aus Flexibilität und persönlichem Austausch bei uns am Campus. Denn der persönliche Austausch ist unersetzlich“, sagt Krzossa. Nach der Corona-Pandemie hat sich bei vielen Arbeitgebern eine hybride Arbeitsweise bewährt.

Workation NRW: Thyssenkrupp prüft Ausweitung von mobiler Arbeit auf Ausland

Auch Thyssenkrupp hat während des Lockdowns Gefallen an den Vorteilen mobiler Arbeit gefunden und die Möglichkeiten für seine Angestellten ausgeweitet. Die Flexibilität des Arbeitsortes beschränkt sich auf Deutschland – zumindest bis jetzt. Denn wie das Essener Unternehmen auf NRZ-Nachfrage mitteilt, prüfe man in einem aktuell laufenden Projekt die Möglichkeiten einer Ausweitung: „Aus einigen unserer Geschäftsbereiche nehmen wir ein steigendes Interesse der Mitarbeitenden an einer „Workation“ wahr.“

Welche Geschäftsbereiche das sind, benennt Thyssenkrupp zwar nicht. Klar dürfte aber sein, dass Arbeitnehmer mit Bürotätigkeiten eher darunter fallen als ihre körperlich arbeitenden Kollegen aus den Stahlwerken.

Kritik an Workation: DGB-Chefin nennt Arbeiten aus dem Ausland „Luxusdebatte“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund NRW stellt daher infrage, inwieweit das Konzept gerecht ist. „Die Debatte um Workation ist weitestgehend eine Luxusdebatte“, meint die Vorsitzende Anja Weber. Schließlich seien die Arbeitsbedingungen verschiedener Berufe sehr unterschiedlich. Einige Tätigkeiten erfordern ständige Präsenz und Schichtarbeit und verlangen den Angestellten vieles ab. Möglichkeiten für Homeoffice, geschweige denn Workation, gebe es oft nicht: „Ungerecht wird es, wenn die unterschiedlichen Belastungen ignoriert werden und nicht die politische, gesellschaftliche und finanzielle Anerkennung bekommen, die sie verdienen.“

Grundsätzlich sei Workation – wie mobile Arbeit insgesamt – nur dann für die Beschäftigten von Vorteil, wenn sie klar geregelt und eine Entgrenzung der Arbeitszeit verhindert wird. Ferner kritisiert der DGB, dass die meisten Beschäftigten es sich schlicht nicht leisten könnten, ihren Urlaub zu verlängern, um von dort zu arbeiten. Vier Wochen auf Gran Canaria gehen für viele Menschen dann eben doch ordentlich ins Geld.