An Rhein und Ruhr. Während der Pandemie haben viele Menschen an Rhein und Ruhr die Reize vom Tourismus vor der eigenen Haustür entdeckt. Was davon nun übrig bleibt.

Warum in die Ferne schweifen … Nein, neu ist die Erkenntnis dieses altbewährten Sprichwortes nicht. Dass sich vor der eigenen Haustür doch so manches schönes Ausflugsziel verbirgt, haben viele Menschen dennoch erst in den letzten Jahren entdeckt – Corona sei „Dank“. Jetzt starten Fernflieger wieder rund um den Globus, auch Kreuzfahrtschiffe schippern ungehindert durch die sieben Weltmeere – Maßnahmen gibt es bald keine mehr. Was bleibt jetzt also von der neuen Begeisterung für die eigene Region als Tourismusstandort?

„Die Natur vor der Haustür zu erleben, bleibt ein wichtiger Urlaubsfaktor“, betont Martina Baumgärtner, Geschäftsführerin der Niederrhein Tourismus GmbH, und beruft sich auf aktuelle Umfragen. Dazu gebe es viele Anfragen für Gruppenreisen und Tagesausflüge mit dem Bus – ein Geschäft, das wegen der Pandemie lange stilllag und die Innenstädte am Niederrhein beleben soll. Dabei kommen die Reisenden nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern oftmals auch aus Süddeutschland, Belgien und den Niederlanden.

Urlaub am Niederrhein: Tourismus nähert sich Vor-Corona-Niveau an

„Bei den Übernachtungszahlen nähern wir uns der Ausgangssituation vor Corona wieder an. Damit sind wir sehr zufrieden“, sagt Baumgärtner. 2,33 Millionen Nächte haben Gäste in den Hotels, Ferienwohnungen und Jugendherbergen am Niederrhein verbracht, davon allein 200.000 aus dem Ausland. 2019 waren es insgesamt noch 2,39 Millionen Gäste. Stärker hängt der Tourismus im Bereich Geschäftsreisen, Tagungen und Seminare hinterher. „Bei allen guten Aussichten muss man auch deren Umstände berücksichtigen. Die steigenden Energiekosten und der Mangel an Arbeitskräften bringen die Betriebe ans Limit“, sagt die Chefin von Niederrhein Tourismus.

Dass auf dem regionalen Reisemarkt noch nicht wieder alles wie so gut wie früher läuft, zeigen auch aktuelle Zahlen des Statistischen Landesamtes. Mit 20,3 Millionen war die Zahl der Gäste in den nordrhein-westfälischen Beherbergungsbetrieben im vergangenen Jahr um 83,4 Prozent höher als im Jahr 2021, in dem der Lockdown Reisen in den ersten Monaten stark beschränkte. Vom Vorkrisenniveau ist die Branche aber noch weit entfernt: Die Zahl von 16,4 Prozent weniger Gästen als 2019 belegt das.

Tourismus in NRW: Wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit

„Der Krieg in der Ukraine und die gestiegenen Energiepreise sowie die Inflation und damit einhergehend ein Gefühl der Unsicherheit betreffend die eigene wirtschaftliche Situation hat nach einem Sommer, in dem wir das Vorkrisen-Niveau von 2019 teilweise sogar übertroffen hatten, bereits seine Spuren hinterlassen“, sagt Axel Biermann. Der Geschäftsführer von Ruhr Tourismus ist sich aber sicher, dass sich der Nahtourismus in der Region mittelfristig wieder berappeln wird. Dafür nennt er mit der Ablehnung von Fernreisen aus Sicherheitsgründen in der geopolitischen Situation, hohen Kosten für Flüge und Benzin und dem wachsenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit gleich mehrere Gründe.

Letzteren Aspekt wollen die regionalen Tourismusverbände zu ihren Gunsten nutzen. Eine wichtige Rolle für Reisegäste spielen die Rad- und Wanderwege an Rhein und Ruhr. Das hat eine von RuhrTourismus in Auftrag gegebene, 60.000 Euro teure Studie bewiesen. Entlang des Ruhrtal-Radwegs sowie der Römer-Lippe-Route hat das Unternehmen absolutGPS zwischen Juni und Oktober Radfahrer gezählt und befragt.

Reisen in NRW: Ruhrtal-Radweg und Römer-Lippe-Route sind wichtige Tourismus-Faktoren für die Region

Der 240 Kilometer lange Ruhrtal-Radweg verbindet die Industriekultur des Ruhrgebiets mit der Natur des Sauerlands und zählt laut Biermann zu den drei beliebtesten Radwegen in ganz Deutschland. 400.000 Radfahrende wurden in der vergangenen Radfahrsaison auf dieser Route gezählt. Im Schnitt lassen Tagesgäste rund 25 Euro in der Region, wer dort übernachtet sogar fast 90 Euro pro Tag. Insgesamt hat der Radweg einen Brutto-Umsatz von 39,4 Millionen Euro in die Kassen der regionalen Hoteliers, Gastronomen und Co. gespült. „Der Ruhrtal-Radweg ist ein radtouristisches Leuchtturmprojekt“, bilanziert Biermann.

Ganz so bekannt ist die Römer-Lippe-Route, die in Detmold beginnt und über Schermbeck, Hünxe und Wesel bis nach Xanten führt, noch nicht. Dabei bildet sie mit einer Länge von 295 Kilometern einen „Querschnitt der landschaftlichen Reize unseres Bundeslandes“, meint der RuhrTourismus-Chef. Der mit 11,2 Millionen Euro deutlich höhere Brutto-Umsatz als noch bei der letzten Erhebung im Jahr 2019 zeigt jedoch, dass auch dieser Radweg den mittlerweile gehörig ankurbelt.

Niederrhein Tourismus: Mehrere Jubiläen als Publikumsmagneten

Den Wert des Radfahrens weiß Martina Baumgärtner am Niederrhein ebenso zu schätzen. Daher freut sich die Tourismus-Leiterin bereits auf den 30. Niederrheinischen Radwandertag am 2. Juli, zu dem bis zu 30.000 Besucher erwartet werden.

Auch die Feierlichkeiten zum 900. Geburtstag des Kloster Kamp oder zum 20-jährigen Bestehen des Flughafens Weeze könnten sich als Tourismus-Magneten herausstellen. „2023 steckt voller Jubiläen, die für die Region als Reisestandort zuträglich sind.“