Auf Rhein und Ruhr. Die „Carl Straat“ ist ein Tauchglockenschiff. Ein arbeitendes Denkmal. Einzigartig. Jedenfalls solange ihr Nachfolger, immer noch kaputt ist.
Sie ist immer noch unterwegs, dümpelt gerade in einem Hafen nahe Speyer – und das mit 60 Jahren: Die „Carl Straat“, das Tauchglockenschiff des Wasser- und Schifffahrtsamtes Duisburg. Heimathafen Hamborn. Eigentlich sollte sie seit 2021 in Rente sein, aber das Nachfolgeschiff, die „Archimedes“, nun ja: sie taucht nix. Jedenfalls noch nicht.
Aber bleiben wir zunächst bei der „Carl Straat“. Die taucht jetzt vor Gericht auf, genauer vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. Dort wird Richter Burkhard Werk die Frage zu klären haben, ob die „Carl Straat“ ein „mobiles Denkmal“ ist. Denn als solches ist sie auf Geheiß der Bezirksregierung Düsseldorf in die Denkmalliste der Stadt Duisburg eingetragen worden.
Das passt dem Wasser- und Schifffahrtsamt nicht, das offiziell „Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes“ (WSV) heißt. So klagt nun die Bundesrepublik Deutschland gegen das Land NRW – wegen der „Carl Straat“. Die sollte eigentlich längst in Rente sein.
Das Schiff „realisiert einen Menschheitstraum“
Und diese Außerdienststellung, machte den Landschaftsverband Rheinland auf das einzigartige Schiff aufmerksam. Denn das Tauchglockenschiff ermöglicht, dank einer Überdruckkammer, die auf den Flussboden abgesenkt werden kann, dass Menschen trockenen Fußes auf dem Flussboden arbeiten können: Wrackteile zur Bergung vorbereiten, Bojen befestigen, Bodenproben nehmen, Schleusen reparieren und so weiter.
Um es mit den lyrischen Worten der Denkmalschutz-Gutachter auszudrücken: „Die Anlage ist bedeutend für die Geschichte des Menschen, weil sie die bereits seit der Antike immer wieder als Menschheitstraum thematisierte Erkundung auf Gewässerböden aufgreift, diesen auf moderne Weise realisiert und weiterentwickelt.“
Nach dem Unglück eines Containerschiffes 2007 vor Köln, wo die Fracht nur mit Hilfe des Tauchglockenschiffes aus der Fahrrinne geholt werden konnten, orderten die Behörden einen leistungsfähigeren Neubau. Im November 2018 bekam die Damen-Werft im niederländischen Gorinchem den Auftrag. Eine Firma, die Erfahrung mit Spezialschiffen hat und „Ozeane von Möglichkeiten“ verspricht, zumindest im Internetauftritt.
Der 25 Millionen-Neubau wurde am 23. September 2021 im Heimathafen Homberg feierlich getauft. Die „Archimedes“, flacher als ihr Vorgänger, sollte auch unter Kanalbrücken hindurch passen. Doch vor Ort muss das Hubgerüst für die Taucherglocke hochgefahren werden. Dabei entstand im März 2022 ein „unvorhersehbarer Schaden“ so die WSV. Ein Garantiefall, für den die „Archimedes“ zurück in die Werft musste. Immerhin, sie kann die Strecke aus eigener Kraft fahren.
„Nutzung liegt ihm öffentlichen Interesse“
Die „Carl Straat“ ist nur schwach motorisiert und muss sich zu ihren Einsatzstellen schleppen lassen. Dennoch feiern die Denkmalschützer sie: „Aus konstruktionsgeschichtlicher Sicht liegen Erhaltung und Nutzung der Carl Straat im öffentlichen Interesse, weil es sich insbesondere bei der Konstruktion der Taucherglocke um ein Unikat handelt, das grundsätzliche Prinzipien der Vorgängeranlagen aufnimmt und technisch wie konstruktiv weiterentwickelt. Zugleich war es wesentliches technisch-konstruktives Vorbild für das 2021 in Dienst gestellte Nachfolgeschiff „Archimedes.“ Das aber leider defekt ist.
Die Werft, die die „Archimedes“ als „weltweit einzigartig“ preist, repariert seit gut einem Jahr an der „Archimedes“. Im Mai soll sie fertig sein. „Die Kosten der Havariebeseitigung gehen zur Lasten der Werft“, so die WSV. Man behalte sich „das Recht vor, die Reaktivierung und die laufenden Reparaturkosten vom Taucherglockenschiff „Carl Straat“ der Werft in Rechnung zu stellen“.
Bis „Archimedes“ fit ist, tut also die „Carl Straat“ weiter Dienst - und hat sogar unter Modellschiffbauern ihre Liebhaber, genauso wie wiederum dessen Vorgänger, der „Kaiman“. Aber dem Vernehmen fürchtet die Bundeswasserstraßenverwaltung zuviel Verehrung und zu wenig Phttps://www.nrz.de/staedte/duisburg/duisburger-modellbauer-baut-zwoelf-jahre-an-schiff-kaiman-id237552861.htmlraktikabilität, wenn die „Carl Straat“ zum Denkmla wird. Sie muss aber einräumen, dass es seit der Unterschutzstellung keine Auflagen gab. Und der Presserichter am Verwaltungsgericht Düsseldorf sagt - mal so ganz allgemein, versteht sich: „Es ist davon auszugehen, dass es den Denkmalwert nicht mindert, eher im Gegenteil, wenn ein technisches Denkmal weiter eingesetzt wird.“
„Die öffentliche Hand pflegt ihre Denkmäler oft nicht sehr gut“
Auch Reparaturen und Verbesserungen sind möglich, heißt es aus Fachkreisen. Warum also die Klage gegen die Unterschutzstellung? Die WSV will sich zum laufenden Verfahren nicht äußern. Also bleibt nur die sehr allgemeine Einschätzung des in Denkmalschutzsachen erfahrenden Pressesprechers des VG Düsseldorf: „Leider müssen wir feststellen, dass gerade die öffentliche Hand ihre Denkmäler oft nicht sehr gut pflegt.“ Mit anderen Worten: Als Denkmal außer Dienst drohen „Carl Straat“ Wasser, Wind und Rostfraß. Der Unterhalt eines Schiffes versenkt oft reichlich Geld.
Bei der Benennung seinerzeit 1963 bewies das damalige Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg durchaus historisches Bewusstsein: Carl Straat war ihr erster Präsident. Die Nachfolgebehörde WSV will von ihrer „Carl Straat“ hingegen nichts mehr wissen, feierte schon bei Inbetriebnahme die „Archimedes“ als „europaweit einzigartiges Taucherglockenschiff“. Einzigartig? Da hatte man die „Carl Straat“ offenbar mental versenkt. Schiffe, wer wüsste das besser als Archimedes, verdrängen recht gut. Auch Kränkungen?