An Rhein und Ruhr. Cem Özdemir will die Privathaltung exotischer Haustiere wie Schlangen, Echsen und Spinnen verbieten. Was Tierhalter aus NRW nun wissen sollten.

Durch die Wohnzimmer Deutschlands kriechen, krabbeln und tollen Königspythons, Vogelspinnen und sogar manche Äffchen. Cem Özdemir (Grüne) will diesem Zustand ein Ende bereiten. „Manche Menschen legen sich Tiere zu, die aus meiner Sicht in privaten Haushalten nichts zu suchen haben.“ Das sagte der Bundeslandwirtschaftsminister zuletzt der „Südwest Presse“. Er habe nie verstanden, warum „jemand etwa anspruchsvoll zu haltende, exotische Tiere wie Schlangen oder ein Chamäleon“ in den heimischen vier Wänden brauche. Als Gründe nennt Özdemir den Artenschutz und überlastete Tierheime – und fordert nun per Gesetzesänderung eine Positiv-Liste, die erlaubte Haustiere festlegen soll. Für dieses Vorhaben bekommt der Minister nun Gegenwind aus NRW.

Statt Verboten fordert Gerlinde von Dehn, die Landestierschutzbeauftragte für Nordrhein-Westfalen, neue Maßgaben für die Beurteilung einer artgerechten Tierhaltung. Sie kritisiert auf NRZ-Nachfrage, dass die Gutachten, welche die Mindestanforderungen an die Haltung von Haustieren festlegen, fachlich überarbeitet werden müssten. Das gelte für Säugetiere und Zierfische, ganz besonders aber für Regelungen für die Exotenhaltung. „Die Inhalte stammen aus den 1990er Jahren und entsprechen nicht mehr den aktuell erforderlichen Standards an eine tierschutzkonforme Haltung exotischer Tiere in Privathand.“

NRW-Tierschutzbeauftragte und SPD fordern Sachkundenachweis für Exotenhaltung

Bei dieser Art von Haustieren bestehe ein „großes Informationsdefizit über die Haltungsansprüche“ kritisiert von Dehn. Dies sei im Rahmen der vom Bundeslandwirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Exopet-Studie nachgewiesen worden. Die Landesbeauftragte fordert, dass „dringend rechtsverbindliche Mindestanforderungen an die Haltung eingeführt werden“. Ein nachprüfbarer, dokumentierter Sachkundenachweis als Voraussetzung für den Erwerb des jeweiligen Tieres könne Fehler bei der Haltung vermeiden.

Die nordrhein-westfälische SPD-Fraktion etwa hält eine Verschärfung der Regeln nicht für notwendig. Zwar lehnen die Sozialdemokraten einen Import von exotischen Haustieren ab, die Haltung dieser Tiere wolle man aber nicht ausschließen. „Der Bestand dieser Art von Tieren ist oftmals in der Hand von Fachleuten, die ein wissenschaftliches Interesse damit verbinden“, sagt René Schneider, Fraktionssprecher für Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz und Landwirtschaft, der für den Kreis Wesel im Landtag sitzt. Entscheidend für die Haltung eines Tiers sei deshalb die Sachkunde der Halterinnen und Halter. „Diese sollte verpflichtend sein und den Behörden vorliegen“, fordert Schneider in Einklang mit der Gerlinde von Dehn.

Exotische Haustiere: Gifttiergesetz in NRW zeigt bislang kaum Wirkung

Statt pauschalen Verboten fordert Schneider, den bislang kaum kontrollierten Handel mit exotischen Tieren im Internet stärker zu reglementieren. Hier komme es oftmals zu „erheblichen Verstößen gegen den Tierschutz“, auch die weltweite Gesundheitsvorsorge, insbesondere die Pandemievorsorge, sei durch die Online-Geschäfte mit gefährlichen Tieren aus dem Ausland gefährdet. Zudem hält es die SPD für sinnvoll, lieber das bereits bestehende Gifttiergesetz konsequent zu vollziehen.

Verbot exotischer Haustiere: Der Terrazoo in Rheinberg befürchtet eine Überlastung für Tierauffangstationen.
Verbot exotischer Haustiere: Der Terrazoo in Rheinberg befürchtet eine Überlastung für Tierauffangstationen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Seit 2021 verbietet dieses landesweite Gesetz die Haltung von giftigen Schlangen, Spinnen und Skorpionen. Dies gilt wohlgemerkt für Neuanschaffungen, für bisherige Halter gilt ein Bestandsschutz, sofern sie die Tiere ordnungsgemäß angemeldet haben. Zwei Jahre später zeigt das Gesetz kaum Wirkung. Nach einer Bilanz des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz wurden in NRW Ende November vergangenen Jahres insgesamt 4320 Gifttiere in 202 Haushalten legal gehalten. Im Vergleich zum Vorjahr sei diese Zahl nur geringfügig zurückgegangen, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. Die Anzahl der Giftschlangen ist im selben Zeitraum sogar gestiegen – ein Vermehrungsverbot innerhalb von bestehenden Haltungen gibt es nämlich nicht.

Exotenverbot-Forderung von Özdemir: Terrazoo Rheinberg fürchtet Überlastung für Auffangstationen

Die Erfahrung mit dem komplexen Gifttiergesetz bereitet Expertinnen und Experten Sorge in Hinblick auf ein mögliches Pauschalverbot von Haustieren außerhalb des Schemas Hund, Katze, Maus. Der Terrazoo in Rheinberg, eine der bundesweit wichtigsten Anlaufstellen für abgegebene oder aufgefundene Exoten, sieht das ähnlich. „Ein solches Gesetz sollte nicht überstürzt verabschiedet werden, um Tierauffangstationen nicht zu überlasten“, meint Niklas Schumacher.

Pro Jahr nimmt das Rheinberger Reptilienhaus zwischen 500 und 1500 Tiere auf, die aus NRW, Hessen, Thüringen und Niedersachsen an den Niederrhein kommen. Zuletzt seien es wegen der steigenden Preise für den Betrieb von energieaufwendigen Terrarien tendenziell sogar noch mehr geworden. „Wir wollen nicht an einen Punkt kommen, an dem Tiere euthanasiert werden, weil es nicht genug Platz für die Unterbringung gibt.“

Tierschutzbund unterstützt Positivliste für exotische Haustiere

Rückendeckung bekommt der Bundeslandwirtschaftsminister vom Deutschen Tierschutzbund. „Den Vorschlag von Minister Özdemir, mit einer Positivliste auf EU-Ebene jene Tierarten zu definieren, die bedenkenlos gehalten werden können, unterstützen wir uneingeschränkt“, sagt Präsident Thomas Schröder.

Diese sei auch für Kontrollbehörden übersichtlicher als die bisher genutzten Negativlisten, in denen jedes verbotene Tier aufgezählt wird. Schröder fordert, Özdemir solle nicht auf einen EU-Beschluss warten, sondern mit einer nationalen Umsetzung vorangehen.