Am Niederrhein. Insgesamt fünf Wölfe sind in Nordrhein-Westfalen ansässig. Ein Überblick über die Situation am Niederrhein und in den anderen Wolfs-Regionen.
Es scheint ruhig zu sein im Wolfsgebiet Schermbeck, der letzte nachgewiesene Nutztierriss durch einen Wolf liegt mehr als eineinhalb Monate zurück. Am 9. November tötete die Wölfin Gloria (GW954f) zuletzt drei Schafe in Hünxe. Dabei gibt es längst nicht mehr nur Wölfin Gloria, seit Mitte Juli gilt der Wolfsrüde mit der Kennung GW2347m im Kreis Borken als territorial. Er soll aus dem Rudel Werlte in Niedersachsen stammen. Ein Überblick über die Situation in NRW.
Die Nutztierrisse
Warum es derzeit weniger Risse von Nutztieren wie Schafen gibt, kann das Lanuv nicht eindeutig erklären. „Ein Blick auf die bisherige Entwicklung der Nutztierrisse in diesem Jahr bestätigt allerdings Beobachtungen, die wir seit dem Jahr 2018 machen: Von Mitte Februar bis Mitte Juli 2022 über einen Zeitraum von fünf Monaten fand kein einziger Übergriff von Wölfen im Schermbecker Wolfsgebiet auf Nutztiere statt“, erklärt Lanuv-Sprecher Wilhelm Deitermann auf NRZ-Anfrage. „Die Ursache für dieses Verhalten ist rein spekulativ und kann daher von uns nicht konkret benannt werden. Ein höheres Nahrungsangebot an Wildtieren, vor allem Jungtiere, im Frühjahr/Sommer kann ein Grund dafür sein, dürfte den Sachverhalt allerdings auch nicht alleine klären“, schildert er weiter. Er sieht die Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen als einen weiteren Grund dafür, dass Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere reduziert werden.
Doch ist unklar, ob überhaupt ein Rückgang an Nutztierrissen zu beobachten ist. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen nach Lanuv-Angaben 45 Nachweise von Nutztierrissen durch Wölfe, im Jahr davor waren es zwei mehr. Im Jahr 2020 sind 22 benannt.
Doch das Lanuv will die Zahlen aus verschiedenen Gründen „noch nicht in einen Vergleichskontext“ gestellt wissen.
Die Zahl der Wölfe
Im Territorium Schermbeck ist laut Lanuv die Zahl der territorialen Tiere nicht angewachsen. In 2022 habe es bislang keinen Nachweis von Reproduktion gegeben, der Rüde aus dem Jahr 2021 wurde letztmalig am 30. Januar 2022 nachgewiesen und sei seitdem verschollen, schildert Deitermann. Am 12. Februar 2022 und am 14. Juli 2022 seien zwei Nachkommen aus 2021 nachgewiesen worden.
Territoriale Wölfe leben nach derzeitigem Stand in NRW in folgenden Gebieten:
Im Wolfsgebiet Schermbeck gibt es ein Paar, Nachwuchs aus dem Jahr 2022 ist bislang nicht nachgewiesen. Im Territorium Hohe Mark, nicht weit vom Wolfsgebiet Schermbeck weg, lebt ein erwachsenes Tier. Im Territorium Leuscheid im Rhein-Sieg-Kreis ist ein Paar bekannt, Nachwuchs aus dem Jahr 2022 ist auch hier bislang nicht nachgewiesen – auch nicht in Rheinland-Pfalz. Die Rudel in der Eifel halten sich laut Lanuv auf belgischer Seite auf und zählen daher nicht zu NRW. In der Senne wird noch ein Wolfsgebiet mit umgebender Pufferzone geführt, da sich hier in den vergangenen Jahren immer wieder Einzelwölfe auch über einen längeren Zeitraum aufgehalten haben. „Da hier bereits länger kein einzelnes Tier mehr nachgewiesen wurde, steht hier der Status auf unbestimmt und wird daher nicht mitgezählt“, so Deitermann.
Die Schutzmaßnahmen
Halter von Nutztieren und kleinen Pferden können beim Land NRW eine Förderung für wolfsabweisende Zäune oder für Herdenschutzhunde beantragen, wenn sie in den gekennzeichneten Gebieten wohnen, in denen Wölfe leben.
Dabei sind diese Präventionszahlungen von 2021 im Vergleich zu 2022 deutlich gesunken. Gingen bei der Landwirtschaftskammer im Jahr 2021 286 Anträge ein, waren es 2022 nur noch 94. Das entspricht in 2022 einer abgerufenen Fördersumme von 217.685 Euro, in 2021 waren es mit 880.903 Euro mehr als viermal so viel. Allerdings stiegen die Ausgleichszahlungen, also eine Art Entschädigung für gerissene Tiere, an: von 4251 Euro im Jahr 2021 auf 5319 Euro im Jahr 2022.
Seit 2022 konnten auch Pferdehalter Anträge auf Schutzmaßnahmen stellen. 14 Anträge bekamen eine Förderung mit einer Gesamtsumme von 80.080 Euro.
Drei Anträge lehnte die Landwirtschaftskammer im abgelaufenen Jahr ab. „Einer, weil der Zuwendungsempfänger keinen Mittelabruf eingereicht hat. Zwei Anträge wurden vor Bewilligung wegen Unvollständigkeit abgelehnt“, erklärt ein Sprecher auf NRZ-Anfrage. Auch bei Pferdehaltern wurden drei Bewilligungen widerrufen.
Ein neues Wolfsgebiet?
Wird, nachdem im Kreis Borken ein neuer Wolf nachgewiesen wurde, das Wolfsgebiet Schermbeck nun erweitert? Oder wird demnächst nicht weit von der Grenze des Kreises Wesel ein weiteres ausgewiesen?
Über eine solche Wolfsgebiet-Ausweisung entscheidet nach der fachlichen Vorarbeit durch das Lanuv das NRW-Umweltministerium. „Hier findet eine zusätzliche Prüfung zu den rechtlichen Rahmenbedingungen statt. Diese Prüfung läuft derzeit“, so der Lanuv-Sprecher. Im Fall der hohen Mark könnten aber bereits jetzt die Halterinnen und Halter von Schafen und Ziegen Förderungen für Herdenschutz beantragen, da dieses Gebiet innerhalb der Pufferzone zum Wolfsgebiet Schermbeck liege.
Der Abschuss des Wolfes
Die Wolfsverordnung für NRW sieht vor, dass in besonderen Fällen Wölfe unter Schmerzen verscheucht („vergrämt“) oder abgeschossen werden dürfen. Laut Lanuv liegen derzeit keine Anträge auf Vergrämung oder andere Maßnahmen vor. „Dies erfolgt, wenn nachgewiesen werden kann, dass ein Wolf kein natürliches Verhalten mehr zeigt. Dies ist in NRW derzeit nicht der Fall“, so Deitermann.