Düsseldorf. Die Düsseldorfer Fluglotsen sorgen rund um die Uhr für Sicherheit am Himmel. Wir haben sie eine Stunde lang bei ihrer Arbeit im Tower begleitet.
Stephan Winkler behält den Himmel nicht nur in der Silvesternacht im Blick. Aus dem Tower hat der Fluglotse besten Blick auf alle Passagiermaschinen, Helikopter und Privatflieger im Düsseldorfer Luftraum. Auch wenn an diesem Vormittag dichte Nebelschwaden die 360-Grad-Aussichtsplattform im zehnten Stock umgeben. Selbst mit dem Fernglas – oft als wichtigstes Werkzeug der Lotsen gesehen, in Wahrheit bloß ein Klischee – ist nur schwer zu erkennen, welche Maschinen sich den Landebahnen nähern. Gut, dass es Radar und Funk gibt.
In 84 Metern Höhe herrscht trotz Außentemperaturen im Minusbereich drückende Wärme. Stephan Winkler krempelt die Ärmel seines oliven Strickpullovers hoch und nimmt am rechten Schreibtisch platz. Nach kurzem Blick auf die drei Monitore vor ihm, die ihm Radaraufnahmen aus der Luft und vom Boden zeigen, kann sein Einsatz mit dem Griff zum Mikrofon um 11 Uhr starten. Für die nächste Stunde hat der 36-Jährige die Kontrolle über den rollenden Verkehr auf dem Boden des Düsseldorfer Flughafens. Er navigiert Flieger von der Landebahn ans Gate und in die Wartungshalle, in ständigem Austausch mit den Piloten aus aller Welt.
Flughafen Düsseldorf: Fluglotsen haben das Kommando über Piloten
Es dauert nicht lange, bis ihn der erste anfunkt. Es ist der Pilot einer Condor-Maschine, die vor Abflug doch bitte enteist werden soll. Winkler erfüllt diesen Wunsch. „Frost auf den Tragflächen ist nicht gut für die Aerodynamik“, erklärt er als das nächste Signal schon blechern durch die Anlage hallt.
Es kommt aus einem TUI-Jet, der ebenfalls vom Eis auf seinen Flügeln befreit werden soll, dessen Pilot sich aber noch etwas in Geduld üben muss. Eine frisch gelandete Passagiermaschine hat Vorfahrt. „Eurowings One Lima Lima – Alpha One approved“, spricht Winkler mit ruhiger Stimme in sein Mikro.
NATO-Alphabet hilft Towerlotsen bei Kommunikation mit Piloten aus aller Welt
Lima? Eine Maschine aus Peru? Zugegeben, dieser Mix aus Englisch und scheinbar willkürlich aneinandergereihten Fremdwörtern klingt für Laien zunächst befremdlich. „Das ist das NATO-Alphabet“, erklärt Winkler. Jeder Flieger hat so einen Code mit Begriffen von A bis Z, Alpha bis Zulu, der auf einen Blick Fluglinie und Abflugort verrät. „Diese Begriffe lernt man relativ schnell, ich habe damit angefangen, die Nummernschilder beim Autofahren so zu lesen.“
So erklärt sich, dass das Eurowings-Flugzeug, das der Lotse eben zum Gate A1, „Alpha One“, navigiert hat, gar nicht aus Südamerika kommt. Die Maschine ist in Bergamo gestartet. Die Italien-Urlauber, einige vermutlich schon von ihren Sitzen aufgesprungen und den Handgepäckrucksack geschultert, haben Vorrang. „Puh, das war anstrengend“, sagt Stephan Winkler nach einem minutenlangen Wechsel aus Deutsch, Englisch und Flug-ABC als auch der geduldige Condor-Pilot endlich das Enteisungsfahrzeug erreicht hat. „Caro, willst du mal übernehmen?“
Fluglotsen-Ausbildung: Nur 5 Prozent der Bewerber schaffen die Aufnahmeprüfung
Die Auszubildende zögert nicht. Mentor Winkler kann sich zurückziehen, jedoch immer ein Auge auf die angehende Fluglotsin gerichtet. Nur circa fünf Prozent aller Bewerberinnen und Bewerber schaffen es an die Akademie der Deutschen Flugsicherung. Um Noten geht es bei der Auswahl weniger als um Multitasking, Langzeitkonzentration oder darum in stressigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Eigenschaften, die man kaum oder gar nicht erlernen kann.
Caro hat sie zweifelsohne. Nicht einmal ein Gabelstapler, der kurz vor einem Flugzeug auf die Fahrbahn ausschert, bringt sie aus der Ruhe. „Ein verwirrter Staplerfahrer“, sagt sie lässig in Richtung Kollegen. „Oh, oh“, sagt der erfahrene Lotse Peter, der am Nebenplatz mit dem bekannten Kommando „Ready for Takeoff“ Startfreigaben erteilt, und greift – dann doch ganz klischeehaft – zum Fernglas. Nach kurzem Funkkontakt hat Caro die Situation geklärt, ein „Follow-Me-Car“, die sogenannte Flughafen-Polizei, übernimmt.
Flughafen Düsseldorf: Fluglotsen arbeiten auch in der Silvesternacht
Während die 21-Jährige am Anfang ihrer Karriere steht, hat Stephan Winkler seit seinem Ausbildungsstart 2010 viele Extremsituationen erlebt. Funkausfälle, medizinische Notfälle an Bord, alles war dabei. „Bei Notfällen schaffe ich alle anderen Maschinen aus dem Weg. Menschenleben haben absolute Priorität.“ Der Beweis lässt nicht lang auf sich warten. Ein roter Punkt tritt in der Ferne aus dem Nebel hervor, wird im Sekundentakt größer. „Das ist ein Rettungshubschrauber, der eine verletzte Person aus Kaiserswerth in die Uniklinik bringt“, weiß Winkler durch sein Radar schon längst. Der startbereite Privatjet nach Wien muss warten, bevor er in den Luftraum abheben darf.
Wegen solcher Fälle ist der Tower auch in der Nacht, wenn der Passagierverkehr ruht, immer mit mindestens zwei Fluglotsen besetzt. Auch an Silvester. Wenn alles ruhig läuft, ist sogar ein Blick auf das Feuerwerk drin. „Von hier oben zu sehen, wie alles unter uns funkelt, ist super“, schwärmt Fluglotsin Sabrina, die Nachtdienste zum Jahreswechsel kennt. Auch wenn nach kurzer Zeit nur noch der Rauch der verpufften Raketen zu sehen ist, gibt es sicher unangenehmere Schichten für die Himmelswächter am Düsseldorfer Flughafen.