An Rhein und Ruhr. Steigende Kosten, die noch nicht überstandene Pandemie, ein großer Fachkräftemangel: So blickt die Konzert- und Veranstaltungsbranche auf 2023.
Steigende Energiekosten, die noch nicht überstandene Corona-Pandemie, ein ausgemachter Fachkräftemangel: Die Konzert- und Veranstaltungsbranche in der Region und der gesamten Bundesrepublik hat mit einer ganzen Bandbreite an Problemen zu kämpfen. Dem Präsidenten des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, Jens Michow, zufolge erwecken die wenigen ausverkauften Veranstaltungen einen falschen Eindruck: „Alle erst in diesem Jahr neu geplanten Konzerten und Tourneen mit nationalen Künstlern, laufen weitaus schlechter als vor der Krise.“
Dazu zählten auch Konzerte nationaler Top-Acts. Außerdem fehlen laut Michow nicht nur die Fans, sondern sowohl Arbeitnehmer als auch selbstständige Fachkräfte im Bereich der Ton- und Lichttechnik oder beim Aufbau- oder Sicherheitspersonal. „Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass viele aufgrund der in den letzten drei Jahren andauernden Perspektivlosigkeit der Veranstaltungswirtschaft in andere Branchen abgewandert sind.“
Zuspruch für Konzerte sei „unkalkulierbar“
Dorette Gonschorek sieht weiterhin bei vielen Veranstaltungen eine große Unkalkulierbarkeit, wie der Zuspruch des Publikums aussehen wird. „Es lässt sich oft nicht erklären, warum Karten für ein bestimmtes Konzert gut laufen, für ein anderes dagegen nicht“, berichtet die Geschäftsführerin des Popboard NRW, einer im vergangenen Jahr gegründeten Interessensvertretung der Popmusik in Nordrhein-Westfalen.
„Ich sehe gerade für den Mittelbau, also Konzerte und Veranstaltungen im Bereich zwischen einigen hundert und einigen wenigen tausend Besuchern, Probleme. Die ganz großen und ganz kleinen Events funktionieren“, schätzt Gonschorek die Lage ein.
KOMMENTAR VON MARCEL SROKA:MUSIK MACHT DAS LEBEN LEBENSWERT!
„Nachdem in den ersten vier Monaten des Jahres keine Public Events möglich waren, haben wir den Anstieg der Veranstaltungen danach deutlich bemerkt“, berichtet Annalena Mandrella, Sprecherin von „D.Live“. Das Unternehmen betreibt in der Landeshauptstadt unter anderem die Merkur Spiel-Arena (Heimspielstätte von Fortuna Düsseldorf) und den PSD Bank Dome. Von Mai bis Dezember 2022 habe es in acht Monaten die gleiche Anzahl an Shows gegeben, die sonst in ganzen zwölf Monaten auf dem Programm stehen.
„Positive Entwicklung nach langer Durststrecke“
„Diese Event-Explosion war für die Branche auf der einen Seite natürlich eine enorm positive Entwicklung nach einer langen Durststrecke.“ Auf der anderen Seite habe es dadurch aber auch Herausforderungen etwa für Veranstalter und Künstler gegeben.
Bei den Gästen sei zudem der Trend zum kurzfristigen Ticketkauf zu bemerken. „Das hat Auswirkungen auf die Produktionen von Konzerten und Shows, die vor allem die Planungssicherheit betreffen“, so Mandrella. Für bestimmte, vor allem aufwendigere Shows, würden die Planungen dadurch schwieriger und unsicherer. „Zum Beispiel gestaltet sich der dadurch kurzfristigere Bedarf an Personal als größere Herausforderung als noch vor zwei Jahren“, berichtet die D.-Live-Sprecherin.
„Wir haben einen gut gefüllten Eventkalender für 2023 und dieser wird sich auch noch weiter füllen. Der Nachholbedarf an Events ist weiterhin da, viele neue Touren kommen hinzu. Trotz der Herausforderungen blicken wir positiv auf das Jahr 2023.“
Veranstalter: „Konzertmarkt funktioniert momentan nicht“
Einen etwas anderen Blick auf das kommende Jahr hat Maximilian Janetzki. Normalerweise veranstaltet er Konzerte und keine Weihnachtsmärkte. Doch mit der Organisation des „City-Adventszaubers“, der Neuauflage des Weihnachtsmarktes in der Oberhausener Innenstadt, hatte er nun neues Terrain betreten – und das nicht ganz freiwillig. „Der Konzertmarkt funktioniert momentan einfach nicht“, sagt der Geschäftsführer der Veranstaltungsagentur Indie Radar Ruhr. Und das liege nicht nur an den Folgen der Pandemie. „Corona ist ja nicht weg. Hinzu kommen die steigende Inflation, die Energiekrise und der Fachkräftemangel in der Branche. Wir befinden uns in einer Multi-Krise.“
Und diese Multi-Krise sei für Janetzki herausfordernder als zwei Jahre Corona. Während der Pandemie gab es staatliche Hilfen für die Veranstaltungsszene. Mit diesen hätten sich Events relativ risikofrei planen lassen. Das sei jetzt anders. Die Kosten würden explodieren. Maximilian Janetzki rechnet vor: Lag der Tagessatz für einen Veranstaltungstechniker vor den Krisen noch zwischen 100 und 250 Euro, sind die Tagessätze mittlerweile zum Teil auf über 400 Euro gestiegen. Und weil viele Techniker coronabedingt der Branche den Rücken zugekehrt haben, sei es noch schwieriger, überhaupt Personal zu finden.
Auch die Hallenbetreiber würden deutlich höhere Mieten nehmen, um Ausfälle und die Folgen der Energiekrise zu kompensieren. Die steigende Inflation würde zudem zu höheren Ticketpreisen führen. „Der Ticketverkauf geht enorm zurück.“ Janetzki selbst hat die Reißleine gezogen. Konzerte in Clubs oder größeren Hallen plant er erst wieder ab April 2023 und hofft auf staatliche Unterstützung, um gerade kleinen Künstler zu helfen.