An Rhein und Ruhr. 63 Züge des spanischen Herstellers CAF sollen dann 30 Jahre lang für mehr Platz, mehr Komfort, mehr Pünktlichkeit und besseren Klimaschutz sorgen.
Hellblau ist er und wäre in der Größe, in der er an diesem Montag in Kempen aufgefahren ist, ein idealer Kandidat für so manche Gartenbahn: Der Civity-Bemu von CAF. Der was? Keine Bange, die Erklärungen kommen. Zunächst mal ist wichtig: Bahnkundinnen und Kunden am Niederrhein und Westfalen bekommen einen neuen Zug – und alles soll besser werden als bisher mit den Dieseltriebwagen, die seit 2009 auf denStrecken von Kleve über Krefeld nach Düsseldorf und von Xanten über Moers und Rheinhausen nach Duisburg und Bottrop verkehren. Oder von Essen nach Norden bis nach Borken und Coesfeld.
Der neue Zug, dessen Kauf an diesem Montag in einer ehemaligen Strumpffabrik besiegelt wurde, soll gewissermaßen Wunder wirken: Mehr Sitzplätze bieten, Klimaanlage, Steckdosen und WLAN. Und schneller und spurtstärker wird er auch sein, denn er fährt mit Strom, selbst dort, wo es mangels Oberleitung eigentlich keinen gibt.
Ein Zug wie ein E-Auto: mit der Oberleitung als Ladebox
Möglich macht es wie beim E-Auto eine Batterie. Dort, wo es Oberleitungen gibt, zum Beispiel von Düsseldorf bis Krefeld und von Duisburg bis Rheinberg-Millingen und von Essen bis Gladbeck kommt der Saft durch den Fahrdraht. Weiter nach Kleve, Xanten, Coesfeld und Borken geht es mit der Akkuladung. Leiser, schneller, feinstaubfrei und – je nach Bahnstrommix – auch weitgehend klimaneutral sind die Bahnkunden dann ab 2025 (nach Xanten) und 2028 (nach Kleve) auf der Strecke.
Die Fahrgäste zwischen Kamp-Lintfort, Xanten, Moers und Duisburg kommen als erstes in den Genuss der neuen Bahnen. Allerdings – dicker Wermutstropfen – nach einer mutmaßlich monatelangen Vollsperrung nördlich von Moers: Die neue Strecke von Kamp-Lintfort muss angebunden werden, zudem werden die alten Stellwerke alle in Moers zentral und zukunftsfähig zusammengefasst. Nicht zuletzt sollen neue Bahnsteige entstehen, damit die Fahrgäste möglichst ohne Stolperstufe in die neuen Bahnen kommen – auch mit Rollstuhl, Kinderwagen und Fahrrad.
Kostenpunkt: Na ja, mag an diesem Festtag für die neuen Züge keiner so recht verraten, aber gute fünf Millionen kostet so ein Zug durchaus. Macht also satt über 300 Millionen. In zwei Längen, 45 oder 55 Meter, soll der Zug namens „Civity“ 120 bis 160 Sitzplätze bieten. Da die Bahnsteige vielerorts auf bis zu 180 Meter verlängert werden sollen, wären Züge mit 480 Plätzen denkbar.
Hinzu kommt ein Wartungsvertrag mit der Firma „Construcciones y Auxiliar de Ferrocarrilles“, zu deutsch etwa: „Konstruktionen und Zubehör für Eisenbahnzüge“. Was zu Unrecht nach Hinterhofwerkstatt klingt: CAF ist einer der großen Player, auf allen Kontinenten vertreten, Züge wie sie jetzt am Niederrhein rollen, fahren (ohne Batterie) beispielsweise auch schon in den Niederlanden. Von Intercitys für Irland bis U-Bahnen für Washington und Essen bauen die Spanier fast alles, was auf Schienen fährt – und dazu zur Not auch noch Busse.
Werkstatt für die neuen Bahnen am ehemaligen Dampflokdepot
Abfahrt in die Zukunft also, daran ließ VRR-Vorstand Ronald Lünser keinen Zweifel: „Mit dieser Technologie bringen wir in NRW den ersten echten alternativen Antrieb auf die Schiene. Zudem wird es deutschlandweit die größte Flotte.“ 63 Züge sollen es werden, die Kamp-Lintfort, Duisburg-Ruhrort anbinden sollen, zudem im Emschertal von Dortmund über Herne nach Dorsten rollen. Dort, auf dem Gelände des ehemaligen Dampflokbetriebswerks in Gelsenkirchen-Bismarck, könnten Depot und Werkstatt für die Züge entstehen, denn CAF ist auch verpflichtet, die Züge 30 Jahre instand zu halten.
Schließlich, wenn am Niederrhein die Infrastruktur weiter ausgebaut worden ist, soll zudem eine neue Linie von Geldern über Krefeld nach Neuss bestückt werden, die ab 2027 starten soll. Dafür muss allerdings noch gebaut werden, damit die Züge in Geldern wenden können. Zudem braucht es zwei zusätzliche Stromtankstellen in Coesfeld und Kleve für die neuen Züge. Eine „Oberleitungsinselanlage“. Kürzt man leider „Olia“ und nicht „La Ola“ ab. Auch, wenn dort spanische Züge aufgeladen werden.