An Rhein und Ruhr. 24 Stunden dauert eine Schicht für Feuerwehr und Rettungsdienst. Wir haben Einsatzkräfte bei ihrem Nachtdienst auf der Wache in Moers begleitet.

Kurz nach Mitternacht klingelt das Telefon von Jan Reimer. Und er weiß sofort, was sein Gesprächspartner möchte. „Ach, wegen der Läusegeschichte, richtig?“, fragt der Mann, der in dieser Nacht die Zentrale der Feuer- und Rettungswache in Moers besetzt, obwohl er die Antwort der Rettungskraft am anderen Ende der Leitung bereits kennt. „Du, pass auf, ich habe mich gerade mal ein bisschen eingelesen“, sagt er und wendet seinen Blick auf einen der sieben Computer-Monitore auf seinem Schreibtisch, auf denen er alle laufenden Einsätze verfolgen kann. „Das könnten Krätzemilben sein. Das müsst ihr dem Krankenhaus auf jeden Fall melden. Und seid vorsichtig.“ Eine kurze, aber wertvolle Information für Michael Finken und Leon Laufmann, die mit dem Rettungswagen zu einem hilflosen, wahrscheinlich betrunkenen Mann ausgerückt sind, der auf der Straße gefunden wurde und offenbar von einem Schädling befallen ist.

„Der Patient war komplett voll von denen“, berichtet Michael wenige Minuten später zurück in der Wache und zeigt ein Foto eines der Tiere, das er mit seinem Handy geknipst hatte. Mit verletzten Menschen nach Autounfällen hat er täglich zu tun, mit undefinierbaren Parasiten seltener. Dank des Tipps aus der Zentrale konnte er den Mann sicher und eingewickelt in eine nahezu luftdichte Decke in die Klinik bringen. Frisch umgezogen macht er sich auf den Weg zurück zum Rettungswagen, wo sein jüngerer Kollege Leon bereits wartet. „Egal was es war, desinfizieren hilft. Am besten doppelt… Leon, hast du schon einen Lappen?“ „Nee...“ „Ah, weißt du, was ich hier hab?“, fragt Michael und kramt in einer Kiste. „Lass mich raten – keinen Lappen?“, sagt Leon, der frisch aus der Ausbildung kommt, die typischen Scherze unter Kollegen aber schon bestens kennt. „Richtig“, sagt Michael und lacht. „Ich hole mal eben einen.“

Nachtschicht bei der Feuerwehr: So anstrengend ist die 24-Stunden-Schicht

24 Stunden dauert ein Dienst für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Feuer- und Rettungswache, um halb acht morgens ist Schichtwechsel. Zwei solcher Dienste stehen pro Person und Woche auf dem Plan. Ein gutes Verhältnis untereinander hilft den Einsatzkräften dabei, durch die kräftezehrende Arbeitszeit zu kommen. Genau wie die im Dauerbetrieb laufende Kaffeemaschine am Tag und Ruhezeiten in der Nacht.

Nachtschicht bei der Feuerwehr: Die Rettungskräfte Leon Laufmann und Michael Finken desinfizieren ihr Einsatzfahrzeug nach dem Transport eines Patienten mit Parasitenbefall.
Nachtschicht bei der Feuerwehr: Die Rettungskräfte Leon Laufmann und Michael Finken desinfizieren ihr Einsatzfahrzeug nach dem Transport eines Patienten mit Parasitenbefall. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Ab null Uhr wird auf den Gängen und in den Hallen des Erdgeschosses geflüstert, in den Schlafräumen eine Etage höher halten sich die rund 20 Retter in der Not in Alarmbereitschaft. Im Ernstfall geht sofort das Licht an und ein penetranter Signalton reißt sie aus dem Schlaf. „Wir haben keine Möglichkeit, uns noch mal umzudrehen oder zu strecken“, betont Einsatzleiter Lars Kleiner. „Innerhalb einer Minute müssen wir abfahrtbereit sein. Und acht Minuten nach dem Notruf müssen die ersten Rettungskräfte am Einsatzort ankommen.“

Feuerwehr NRW: Rutschstange ist sicherer und schneller als die Treppe

Helm, feuerfeste Jacke, Hose und Stiefel liegen neben jedem Fahrzeug bereit. Zu denen gelangen die Einsatzkräfte auf schnellstem Weg per Rutschstange. Und zwar nicht, weil sie in Actionfilmen so spektakulär dargestellt wird. „Die Verletzungsgefahr auf der Treppe ist deutlich größer als an der Stange“, erklärt Kleiner und liefert kurzerhand den Beweis. Er umgreift den Eisenstab mit beiden Händen und legt die überkreuzten Beine darum. So lässt er sich aus rund sechs Metern Höhe vorsichtig Meter für Meter heruntergleiten. Deutlich langsamer, dafür sicherer als in Hollywood.

Im Erdgeschoss angekommen, wartet Jan Reimers aus der Zentrale bereits auf ihn. „Lars, wir müssen mal zum Bethanien rausfahren. Zwangseinweisung.“ Nach 16 Uhr übernimmt die Feuerwehr die Aufgabe des Ordnungsamtes, ein erstes Gutachten bei psychisch auffälligen Patienten zu erstellen, bevor das Gericht über eine dauerhafte Einweisung entscheiden kann. „Viel Papierkram“, sieht Lars Kleiner im Fall eines aggressiven Iren am Krankenhaus vor sich. „Aber auch das gehört zur Nachtschicht, wenn es mal nirgendwo brennt.“

Feuerwehr Moers: Viele Einsätze sind kein wirklicher Notfall

So machen sich Einsatzleiter und Wächter der sieben Bildschirme gemeinsam auf den Weg, der erfahrene Klaus Kutsch übernimmt. Seit er 16 Jahre alt ist, engagiert er sich bei der Feuerwehr, nun steht der 59-Jährige ein Jahr vor der Pension. „Nach so langem Schichtdienst weiß man, was man getan hat“, gibt er zu. 1200 Mal rückt die Moerser Feuerwehr im Jahr aus, der Rettungsdienst noch deutlich häufiger. Bei einem großen Teil der Einsätze handele es sich aber gar nicht um Notfälle. Dazu zähle der Schnitt in den Finger oder die Katze auf dem Baum. Wenn Einsatzkräfte zu Helden werden können, weiß Klaus Kutsch aber, warum er für seinen Job lebt.

Neben seiner Tätigkeit in Moers ist er Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Neukirchen-Vluyn. „In manchen Wochen bin ich jeden Abend unterwegs, da fragt meine Frau schon mal, ob ich lieber Zeit mit meinen Kollegen verbringe als mit ihr“, erzählt der Löschzugführer lachend. Die Kollegen schätzt er nicht nur für flapsige Sprüche, sondern auch als Stütze nach belastenden Einsätzen. Am schwersten zu verarbeiten seien Verkehrsunfälle – besonders mit Kindern. Er habe gelernt, damit umzugehen. Mit den anderen bei einem Kaffee über eine schlimme Schicht zu reden, helfe. „Alle meine Kinder sind aber auch bei der Feuerwehr gelandet. So schlimm kann die Arbeit also nicht sein“, sagt Kutsch noch, bevor er sich gähnend in Richtung Schlafraum verabschiedet. Er wünscht den Bürgerinnen und Bürgern eine sichere und sich selbst eine ruhige Nacht auf der Rettungswache.