Krefeld. Johannes Tophoven aus Krefeld hat mit neun Jahren seinen ersten Eddy steigen lassen. Der 83-Jährige erklärt, worauf es beim Drachenbauen ankommt.

Eddy ist klitzeklein, trägt ein geblümtes Papierkleid und saust am liebsten wild durch die Luft. Dazu muss ihn Johannes Tophoven nur aus der Metallbüchse befreien und an seinem Faden hochziehen. Der 83-Jährige dreht sich im Kreis, dreht sich weiter und weiter, bis der selbstgebaute Drache tatsächlich aufsteigt und sein weißer Schweif durchs Zimmer tanzt. „Es funktioniert“, jubelt er. Eddy fliegt! Und in diesem Moment scheint der gut gelaunte Mann mit weißem Zopf plötzlich wieder neun Jahre alt zu sein. So wie damals in den Herbstferien 1948, als alles begonnen hat…

„Mein Großvater hat mir den Auftrag gegeben, Packpapier, eine Tapetenleiste und Packkordel zu kaufen“, erzählt Johannes Tophoven. Daraus baute der Opa seinem Enkel dann einen Eddy, so der Name für den klassischen, rautenförmigen Drachen. Mit Eddy unterm Arm ging’s kurze Zeit später auf eine kleine Anhöhe, um das neue Spielzeug direkt mal auszuprobieren. „Aber als Steppke hatte ich überhaupt keine Ahnung, wie so etwas funktioniert“, erinnert er sich. Wie gut, dass er 14 Tage Zeit hatte, um es immer wieder auszuprobieren, immer wieder hochzulaufen und loszulassen, bis Eddy schließlich und endlich flog.

Tipps fürs Drachenfliegen

Denn beim Drachenfliegen, das weiß Johannes Tophoven seitdem, sind einige Punkte entscheidend. Die Tipps gibt er gern an Eltern und Kinder weiter, damit sie ebenso viel Spaß haben wie er damals und noch heute: „Man braucht eine baumfreie Wiese, leichten Wind und am besten einen Starthelfer.“ Und dann kann es auch schon losgehen. „Stell dich mit dem Rücken zum Wind“, erklärt er. „Der Helfer sollte sich circa sechs Meter von dir entfernen und dann den Drachen loslassen. Du bewegst dich langsam nach hinten, also gegen den Wind.“ Quasi wie ein Flugzeug beim Start.

Einen Taschendrachen hat Johannes Tophoven oft mit dabei, um ihn zwischendurch mal steigen zu lassen.
Einen Taschendrachen hat Johannes Tophoven oft mit dabei, um ihn zwischendurch mal steigen zu lassen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Faszination für die Aerodynamik hat Johannes Tophoven seit ebenjenen Herbstferien 1948 nicht mehr losgelassen. Gut, während seiner Berufsjahre als Herrenausstatter hatte er weniger Zeit, aber seit er Rentner ist, kann er sich nun ganz dem Drachenbauen widmen. Denn es gibt ja so viel mehr als Eddys! Wie viel genau, das kann er nun wirklich nicht sagen. Allein das Blättern durch ein Fachbuch zeigt: Die Spannbreite reicht vom Trapezoiden über Delta bis hin zum… Kimono. Was ist denn das? „Die Form stammt aus Japan und erinnert an einen Kimono“, erklärt er.

Drachenbauen mit Kindern

Inspiration holt sich der 83-Jährige aus dem Internet, dort gibt’s auch für jede erdenkliche Form die passende Bauanleitung. Meist nutzt er Seidenpapier für den Körper und Kreppband für den Schweif sowie Bambusstäbchen und Nähgarn. „Es gibt so viele verschiedene Formen, Stäbe, Schnüre“, betont Johannes Tophoven, „und alles muss miteinander harmonieren.“ Damit das auch klappt, testet er jedes neue Werk an der frischen Luft. 14 Tage, wie bei seinem allerersten Eddy, braucht er natürlich nicht mehr, bis ein Drache aufsteigt. „Ich sehe immer sofort, wenn ich noch etwas korrigieren muss.“

Da fliegt er, der selbstgebaute und selbstbemalte Drache von Johannes Tophoven aus Krefeld. Übrigens ein Delta, der nur einen „Hauch von Wind“ braucht, weiß der Experte.
Da fliegt er, der selbstgebaute und selbstbemalte Drache von Johannes Tophoven aus Krefeld. Übrigens ein Delta, der nur einen „Hauch von Wind“ braucht, weiß der Experte. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Das kann der Faden sein, der noch nicht an der richtigen Stelle befestigt ist. Das können die Bambusstäbe sein, die noch nicht im perfekten Winkel stehen. Meist nimmt Johannes Tophoven das Material direkt mit auf die Wiese, um mit wenigen Handgriffen etwas zu verändern. Am meisten Spaß macht ihm die Arbeit, wenn er sie gemeinsam mit anderen erledigt. Über 7000 Drachen hat er bereits mit Kindern gebaut, an Schulen oder auch bei Ferienaktionen, hat ihnen gezeigt, wie aus wenigen Materialien innerhalb von zehn Minuten ein wunderbares Spielzeug entstehen kann.

Große und klitzekleine Drachen

Denn, das ist dem 83-Jährigen wichtig zu betonen: „Mein Fokus liegt darauf, möglichst vielen Menschen das Drachenbauen zu vermitteln.“ Es geht ihm um den Spaß am Bauen und Bemalen, den er mit anderen teilen möchten. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb er seine selbstgebauten Drachen nie behält, sondern lieber zu einem guten Zweck versteigert. „Sobald sie fertig sind, verliere ich das Interesse“, sagt er und lacht. „Meine Drachen sind in alle Winde verstreut.“ Und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Einige liegen dann aber doch noch in seinem Wohnzimmer herum, darunter auch ein sperriges, vierteiliges Exemplar. „Das ist eine Lynn Box“, sagt Johannes Tophoven. Die stammt aus der Zeit, als er noch die „ganz großen Dinger“ gebaut hat. „Ich bin aber ja auch nicht mehr der Jüngste“, sagt er und lacht, „deshalb setze ich jetzt den Fokus auf kleinere Drachen.“ So wie auf den geblümten Taschendrachen Eddy, den er zwischendurch mal eben aus seiner Metallbüchse holt, um ihn quer durchs Zimmer sausen zu lassen…

>>> Alles aus Seide

Johannes Tophoven baut nicht nur gern Drachen, sondern startet immer wieder auch andere Kreativprojekte. Aktuell arbeitet er an Seidenminiaturen, die ab dem 19. November im Haus der Seidenkultur in Krefeld zu sehen sind.

Der Herrenausstatter im Ruhestand stellt aus seinem „Lieblingsstoff“, wie er die Liberty-Seide aus London selbst bezeichnet, kleine Objekte wie Kraniche, Schmetterlinge oder Ringe her. Mehr Informationen dazu finden Interessierte bald unter www.seidenkultur.de