Krefeld. Sabine Schwenk aus Krefeld hat bereits viele Bücher von bekannten Autorinnen und Autoren ins Deutsche übersetzt. Wie es dazu kam.
So richtig auf Hochtouren kommt Sabine Schwenk erst am Nachmittag. Dann sitzt sie am Computer, übersetzt Texte vom Französischen oder Englischen ins Deutsche und schaut zwischendurch immer mal wieder raus ins Grüne. Oder aber sie spaziert durch ihr Arbeitszimmer, die ausgedruckten Texte in der Hand, und liest sich das soeben Geschriebene laut vor. Über 60 Bücher hat die Krefelderin bereits übersetzt, darunter auch solche von bekannten Autorinnen wie Elizabeth Gilbert oder Jo Baker.
Literatur zu übersetzen ist ja kein ganz alltäglicher Beruf… Wie sind Sie dazu gekommen?
Seit vielen Jahren wird in Düsseldorf ein Studiengang Literarisches Übersetzen angeboten. Den gab’s aber noch nicht, als ich studiert habe, und so habe ich mich damals für Romanistik und Philosophie entschieden. Zum Übersetzen bin ich dann über Umwege gelangt: Ich habe bei einem Verlag in Paris in der Abteilung für Foreign Rights gearbeitet, was ich auf Dauer allerdings langweilig fand. Die Arbeit ist eher kommerziell, man geht nicht so tief in die Texte rein. Als uns eines Tages dann eine griechische Übersetzerin kontaktiert und uns eine lange Liste mit den von ihr übersetzten Büchern geschickt hat, dachte ich auf einmal: Das ist ja viel interessanter! Daraufhin bin ich nach drei Jahren in Paris zurück nach Deutschland gekommen und habe hier einfach als freie Übersetzerin angefangen.
Das klingt mutig!
Durch meine Verlagsarbeit kannte ich bereits viele Lektorate. Ich habe mich dann mit einer Freundin zusammengetan, die ähnlich wie ich arbeiten wollte. Bei unserem ersten Auftrag haben wir uns allerdings, das muss ich heute so sagen, schon eher etwas zusammengestümpert. Aber es hat scheinbar gereicht, denn daraufhin sind weitere Aufträge reingekommen. Im Laufe der Jahre habe ich viele Fortbildungen absolviert und immer mehr Erfahrungen gesammelt.
Wie kreativ ist der Job einer Übersetzerin?
Man muss nicht selbst Bücher schreiben können, auch wenn es die eine oder andere Übersetzerin gibt, die das tut. Grundsätzlich muss man sich natürlich für Sprache interessieren und Spaß daran haben, mit Sprache umzugehen. Wenn man beispielsweise ein komplexes Bild hat, das sich nicht einfach so übersetzen lässt, darf man nicht zu schnell die Flinte ins Korn werfen. So etwas wie „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ gibt’s in jeder Sprache, das sind feste Wendungen. Aber individuelle Formulierungen und Bilder, die sich im Wörterbuch nicht finden lassen, klingen oft schief, wenn man sie wörtlich übersetzt.
Wie lösen Sie so eine vertrackte Situation?
Da ist dann wirklich Kreativität gefragt. Man muss sich vom Original lösen und überlegen, was der Autor oder die Autorin ausdrücken will. Manchmal finden sich Lösungen erst dann, wenn man bei der Suche sozusagen „loslässt“, sich vom Original entfernt. Und plötzlich kommt man auf eine Formulierung, die auf den ersten Blick ganz anders ist, aber genau die erwünschte Wirkung erzielt. Das sind dann richtige kleine Glücksmomente.
Das klingt nach viel Denkarbeit. Wie lange brauchen Sie, um einen Roman zu übersetzen?
Das kommt natürlich darauf an, ob der Roman 250 oder 800 Seiten lang ist. Aber im Schnitt sind es drei, vier Monate, die ich aber wirklich auch nur an einem Buch sitze.
Lesen Sie vorab die Bücher einmal durch, bevor Sie mit dem Übersetzen beginnen?
Normalerweise schon. Und danach benötige ich immer eine gewisse Zeit, um voll in ein Buch einsteigen zu können. Ich bin ja so eine Art Papagei, der versucht, den Sound nachzuahmen. Deshalb dauert es immer eine Weile, bis ich ein Gefühl für die Sprache des jeweiligen Buches bekomme.
Gefällt Ihnen persönlich jedes Buch, das Sie übersetzen?
Im Idealfall schon, aber natürlich kann ich mir nicht immer alles aussuchen. Trotzdem gibt’s auch Aufträge, die ich nicht annehmen würde.
Zum Beispiel?
Fantasy ist überhaupt nicht meins. Das Genre mag ich nicht, lese ich nicht und kenne mich deshalb auch nicht damit aus. Mir würden also auch einfach bestimmte Begrifflichkeiten fehlen.
Und was übersetzen Sie besonders gern?
Gute Literatur, gut geschriebene Geschichten. Und ich übersetze auch gern mal Unterhaltungsliteratur, vor allem, wenn dadurch der Text besser wird. Gerade in Frankreich und den USA scheint in den Verlagen weniger lektoriert zu werden als in Deutschland. Da kann es schon mal passieren, dass jemand einen roten Mohair-Pullover trägt, der ein paar Seiten später auf einmal grün ist. Oder dass Wörter doppelt gemoppelt sind. Solche Dinge herauszufiltern und zu verbessern, macht mir Spaß.
Woran arbeiten Sie gerade?
Ich übersetze gemeinsam mit einer Kollegin einen Roman der französischen Autorin Clarisse Sabard. Die Tandem-Übersetzung eignet sich dafür besonders gut, weil es zwei komplett voneinander getrennte Erzählstränge gibt. Der eine Strang spielt in der Gegenwart und ist eher knapp, launig geschrieben. Mein Teil dagegen erzählt die Familiengeschichte zwischen den beiden Weltkriegen und kommt leicht historisierend daher. Es passt also gut, wenn sich die stilistischen Ebenen etwas voneinander unterscheiden. Mittlerweile arbeiten immer mehr Übersetzer, wobei es ja meistens Übersetzerinnen sind, in Teams zusammen. So lassen sich die teils abenteuerlichen Abgabetermine auch leichter einhalten.
Es gibt mehr Frauen als Männer, die den Beruf ergreifen?
Ja, allein zu den Mitgliedertreffen des VdÜ, dem Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen, kommen gefühlt 90 Prozent Frauen und 10 Prozent Männer.
Woran liegt das?
Es ist ein schlecht bezahlter Job, den noch immer eher Frauen ergreifen. Immerhin ist vor einigen Jahren mit der Urheberrechtsnovelle gerichtlich festgehalten worden, dass Leute, die kreativ arbeiten, auch angemessen bezahlt werden müssen. Deshalb zahlen Verlage nun auch den Übersetzern, so wie den Autoren, eine Beteiligung. Allerdings, das muss auch gesagt werden, meist erst ab dem fünftausendsten oder sogar achttausendsten verkauften Buch. Gleichzeitig stagnieren die Honorare für eine Normseite seit Jahren, es gibt keinerlei Inflationsausgleich. Es ist also definitiv noch Luft nach oben.
Sie haben den Schritt dennoch gewagt…
Ehrlich gesagt habe ich das am Anfang gar nicht gewusst und einfach angefangen. Und wenn man es mag, ist das freiberufliche Arbeiten ja auch sehr schön. Aber man muss es eben auch wollen.
Lesen Sie privat überhaupt noch Bücher?
Wenn ich den ganzen Tag Buchstaben vor den Augen hatte, bin ich abends natürlich müde. Aber beim Podcast-Hören schlafe ich immer sofort ein… Deshalb, ja: Ich lese noch gern!
>>> Literatur aus aller Welt
Sabine Schwenk, Jahrgang 1964, lebt und arbeitet in Krefeld. Seit 1994 hat sie als freiberufliche Übersetzerin mehr als 60 Bücher vom Französischen oder Englischen ins Deutsche übersetzt.
Dazu zählen unter anderem folgende Werke: „Das Wesen der Dinge und der Liebe“ von Elizabeth Gilbert, „Ein Ire in Paris“ von Jo Baker oder „Das dritte Hotel“ von Laura van den Berg.
Mehr über Sabine Schwenk und ihre Arbeit finden Interessierte auf ihrer Homepage: www.sabine-schwenk.de