An Rhein und Ruhr. Als Alternative zum Heizen kaufen viele Menschen aus NRW Kerzen und Teelichter. Medien sprechen sogar von Hamsterkäufen. Was dahinter steckt.
Nach Toilettenpapier und Pflanzenöl haben Vorratskäufer ein neues Produkt ins Auge gefasst. Im Internet kursieren Bilder von nahezu leeren Supermarktregalen in der Kerzen- und Teelichtabteilung, erste Medien sprechen bereits von Hamsterkäufen. Anlass dafür bietet offenbar eine Liste des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). In dieser werden Produkte genannt, die Bürgerinnen und Bürger im Falle eines längerfristigen Stromausfalls zu Hause haben sollten. Die Liste veröffentlichte das Amt im vergangenen Jahr zur Zeit des Hochwassers, bei dem viele Menschen in NRW lange Zeit ohne Strom auskommen mussten. Auch wenn die Bundesregierung jüngst in einer Stellungnahme klarstellte, dass großflächige, langanhaltende Stromausfälle in Deutschland bislang nicht vorgekommen sind und trotz Ukraine-Krieg „sehr unwahrscheinlich“ bleiben, legen immer mehr Menschen aus Sorge vor einem Blackout Notvorräte an.
Wenn es draußen früher dunkel wird, startet für Hersteller von Kerzen die verkaufsstärkste Zeit. Doch besonders bei einem Produkt überschreitet die Nachfrage in diesem Jahr die üblichen saisonalen Schwankungen. „Aktuell sind besonders Teelichter stärker nachgefragt als sonst“, berichtet Norbert Stenmans, Kundenmanager von Müller Kerzen aus Straelen. „Diese Entwicklung hat sicherlich mit dem Hype um Teelichtöfen zu tun.“ Von diesen kursieren zurzeit im Internet viele Bauanleitungen, in denen sie als günstige Alternative zum Heizen angepriesen werden. Die Eigenbau-Öfen bestehen aus zwei unterschiedlich großen Tontöpfen und einem Untersetzer, die mit einer langen Schraube verbunden werden. In den Untersetzer sollen mehrere Teelichter gestellt werden, deren Wärme zwischen den Tontöpfen zirkuliert, gespeichert und nach außen abgegeben wird, so die Idee.
Alternative zum Heizen: Feuerwehr Rheinberg warnt vor Teelichtöfen – „Brandgefährlich“
„Teelichtöfen sind im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich“, warnt jedoch die Feuerwehr in Rheinberg. So könne die Temperatur im Innern eines einzelnen Teelichts bis auf 250 Grad ansteigen. Bei mehreren Teelichter nebeneinander könne es innerhalb von Sekunden zu einem Wachsbrand kommen. „Kerzenwachs beginnt je nach Zusammensetzung bereits ab 280 Grad zu brennen. Dabei kann schlagartig eine bis zu einem Meter hohe Flamme entstehen.“ In diesem Fall bittet die Feuerwehr eindringlich darum, den Brand keinesfalls mit Wasser zu löschen, sondern das Feuer zu ersticken.
„Kerzen und Teelichter sorgen für eine gemütliche Atmosphäre. Der Heizeffekt geht allerdings gegen null“, ergänzt Norbert Stenmans. So haben handelsübliche Teelichter lediglich eine Heizleistung von 30 bis 40 Watt, die auch im Teelichtofen nicht erhöht werden könne. Laut dem Vergleichsportal Verivox werden jedoch mindestens 81 Watt benötigt, um einen Raum auf 20 Grad zu beheizen – pro Quadratmeter.
Hamsterkäufe von Kerzen und Teelichtern laut Herstellern sinnlos
Doch nicht nur Teelichter stehen im Fokus der Käufer. Auch die Nachfrage nach Kerzen sei „definitiv auf einem sehr hohen Niveau“, sagt Stefan Thomann, der als Geschäftsführer der European Candle Manufacturers Association (ECMA) mehr als 50 europäische Kerzenhersteller und deren Zulieferer vertritt. „Allgemein kann man sagen, dass während Krisenzeiten die Nachfrage nach Kerzen hoch ist. Die Menschen verbringen viel Zeit zu Hause und dort möchten sie es sich dann möglichst schön und gemütlich machen.“
Leere Regale, von denen bereits einige Medien berichtet hatten, habe Thomann aus dem Handel bislang nicht zurückgemeldet bekommen: „Wir hatten während der Pandemie tatsächlich Phasen, in denen Regale öfter leergeblieben sind. Das hatte aber vor allem mit Probleme der Lieferketten bei der Rohstoffversorgung zu tun. Dieses Problem besteht momentan nicht. Falls es also nicht zu Hamsterkäufen wie bei anderen Produkten kommt, erwarte ich keine dauerhafte Knappheit.“
Energiekrise: Kerzen und Teelichter werden im Winter 2022 doppelt so teuer
Diesen Eindruck kann der Straelener Produzent Kerzen Müller bestätigen: „Es wird genug Kerzen für die Saison geben.“ Anlass zu Panikkäufen bestehe also nicht, zumal Kerzen in den letzten zwölf Monaten aufgrund gestiegener Produktionskosten deutlich teurer geworden seien. Diesen Preissprung würden Kundinnen und Kunden bereits zur Adventszeit spüren müssen. „Eine Weihnachtskerze wird in diesem Jahr etwa doppelt so viel kosten wie im Vorjahr“, so Stenmans.
Diese Entwicklung ziehe sich durch die gesamte Branche, auch im Möbelhaus kostet das Hunderterpack Teelichter mittlerweile 4,99 Euro statt wie zuvor noch 2,49 Euro. Insbesondere im kommenden Jahr würden Verbraucherinnen und Verbraucher die Mehrkosten durch die Inflation noch stärker merken. Daher rechnen Hersteller und Händler im besten Fall mit gleichbleibender Nachfrage nach Kerzen und Teelichtern, keineswegs aber mit einem langfristigen Boom.