An Rhein und Ruhr. Nachhaltige Kosmetik liegt im Trend. Auch Großkonzerne stellen eigene Produktlinien her. Doch wie können Kunden nachhaltige Kosmetik erkennen?
Die Creme war ein Geschenk, schön verpackt im Karton, der Tiegel edel, die Inhaltsstoffe leider nicht. Die Produktcheck-App des Naturschutzbundes „Tox Fox“ schlägt an: Dieses Produkt enthält Mikroplastik und einen hormonellen Schadstoff – Polyenthylen und Sodium Methylparaben. Die Neugier ist da, was ist mit dem Shampoo, Duschgel, der Aloe-Vera Handcreme? Kurz den Barcode auf der Verpackung scannen: auch sie sind nicht ganz unbedenklich. Von zehn gescannten Produkten fielen sechs durch. Viele gekaufte Kosmetika enthalten Mineralöle, teilweise Stoffe, die das Hormonsystem stören können – und der Umwelt schaden.
Rund 977 Tonnen Mikroplastik und rund 47.000 Tonnen gelöste chemische Verbindungen aus Kosmetik und Putzmitteln landen pro Jahr im Abwasser. Das ergab eine Studie, die vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik im Auftrag des NABU vor gut drei Jahren durchgeführt wurde. Dieser fordert ein EU-Verbot von Mikroplastik in Kosmetik und Reinigungsmitteln.
Kunden sehen Nachholbedarf
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Das hilft dem Verbraucher im Dschungel unzähliger Kosmetik-Produkte heute aber noch nicht weiter. „30.000 verschiedene Inhaltsstoffe gibt es für Kosmetikprodukte“, sagt Kerstin Effers, Diplom-Chemikern und Referentin für Umwelt und Gesundheitsschutz bei der Verbraucherzentrale NRW im Gespräch mit der NRZ. Kosmetik wird von den Überwachungsbehörden der Kommunen und Kreise kontrolliert. In NRW werden circa 4000 kosmetische Mittel jährlich labortechnisch untersucht. Die Beanstandungsquote liegt bei etwa 10 bis 15 Prozent. Mängel werden vorwiegend bei der Kennzeichnung sowie der chemischen Zusammensetzung festgestellt, teilt das Landesumweltministerium mit. Die Branche reagiert.
Nachhaltigkeit spielt auch in Zeiten von Corona eine große Rolle. Kosmetikkonzerne wie Henkel und L‘Oréal geben vor, das grüne Thema in ihre Unternehmensstrategie zu integrieren. Eine Studie des Kosmetikverbands VKE aus dem April 2020 zeigt aber auch: Kunden sehen noch großen Nachholbedarf. Nur jeder fünfte Befragte hielt die Kosmetikindustrie für nachhaltig. Vielen Konsumenten sei aber gleichzeitig nicht klar, was eigentlich unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist. 65 Prozent der Befragten wünschen sich Produkte, die ohne Tierversuche hergestellt werden. Dabei gebe es Kosmetik, die auf Tierversuchen basieren, „in unseren Märkten so gut wie gar nicht mehr in der Herstellung“, meint Stephan Telschow von der Gesellschaft für innovative Marktforschung, die die Studie durchgeführt hat. Kosmetikmarken, die den Massenmarkt bedienen, bieten seit einiger Zeit Naturkosmetik-Serien. „Wenn mir das einer vor zehn Jahren gesagt hätte, ich hätte es für unmöglich gehalten. Die konventionelle Branche springt auf den Trend auf, hat aber noch ihre ,alten’ Produkte am Markt“, sagt Kerstin Effers.
Mittlerweile gebe es viele feste Duschgels, Shampoo, „die in Tests gut abschneiden“, mit denen nicht nur Plastikmüll vermieden wird, sondern die auch als Naturkosmetik zertifiziert sind. Sie rät beim Kauf auf Siegel wie das „NATRUE-Siegel“, das in Deutschland sehr verbreitet ist, zu achten. Europäische Naturkosmetiksiegel haben den „Cosmos-Standard“ gegründet, und auch das Biosiegel „demeter“ zeichnet Naturkosmetik aus. Ein eigenes Label vergibt auch der Deutsche Allergie- und Asthmabund an Produkte, die frei von Duft-, Konservierungs- oder Farbstoffen sind, die als Kontaktallergene bekannt sind.
Tipp: Öle statt Lotion
Verbraucher, die Fragen zu bestimmten Produkten und Inhaltsstoffen haben, können sich an die kostenlose Online-Schadstoffberatung der Verbraucherzentrale wenden. Viele nutzen diese Möglichkeit. Eine beliebte Frage in den Sommermonaten: „Ich habe gelesen, dass alte Sonnencreme einen krebserzeugenden Stoff enthält. Muss ich jetzt jede Saison neue Creme kaufen? Gibt es auch Cremes, die ich länger verwenden kann? Die Antwort in Kürze: Wenn bei den Inhaltsstoffen ,Octocrylene’ aufgelistet ist, sollten ältere Sonnencreme vorsorglich nicht weiter verwendet werden. Mineralische UV-Filter wie ,Titanium dioxide’ oder ,Zinc Oxide’ sind in der Regel länger stabil als organisch-chemische Filter. In zertifizierter Naturkosmetik sind ausschließlich diese mineralischen UV-Filter erlaubt. Und: Nicht nur in Sonnencremes, auch in vielen Anti-Aging-Cremes sind UV-Filter enthalten.
Die Diplomchemikern Kerstin Effers empfiehlt grundsätzlich eher zu „einfachen Produkten“ z.B. Pflanzenölen oder Sheabutter zu greifen und weniger zu Cremes und Lotionen, da diese meist Wasser enthalten. Und da wasserhaltige Cremes leicht verkeimen und sich Öl und Wasser nicht von alleine mischen, werden Konservierungsstoffe und Emulgatoren diesen Produkten zugegeben. Ratsam sei es deshalb eher auf wasserfreie Produkte zu setzen. Und Öle hätten noch den Vorteil, „dass man länger mit ihnen auskommt.“
Wer will, kann sich seine Kosmetik zum Beispiel aus Shea, Kakaobutter oder Mandelöl auch selber mischen. Die Umweltberatung der Verbraucherzentrale bietet Workshops dazu an. Zu beachten gibt es hier eigentlich nur den einfachen Grundsatz, unbedenkliche Inhaltsstoffe zu verwenden, „die man prinzipiell auch essen könnte und wegen der Haltbarkeit wasserfreie Rezepturen zu bevorzugen.“