Moers. Musa Nkuna hat eigens für das Fest „Moers klingt“ eine Friedensfanfare komponiert. Im Interview erklärt er, was ihn an dem Projekt fasziniert.

Musa Nkuna sitzt etwas versteckt in der Aula des Gymnasiums in den Filder Benden und lauscht konzentriert dem Jugendsinfonieorchester der Ukraine (YSOU). Als Tenor und Composer in Residence begleitet er die Proben für die musikalische Festwoche „Moers klingt – und der Niederrhein stimmt ein!“, die vom 26. August bis 4. September sicher auch über Städte- und Ländergrenzen hinaus für Aufmerksamkeit sorgen wird. Denn obwohl die Idee für das Programm bereits seit über einem Jahr steht, bekommt die Veranstaltung durch die aktuellen Geschehnisse noch einmal eine ganz neue Dimension. Kurz vor seiner Rückreise nach Kassel – wo er mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebt – hat der 48-Jährige uns verraten, wie für ihn der Frieden klingt, was ihn an dem Projekt so fasziniert – und welche Attraktion ihn bei seinem Besuch am Niederrhein besonders verblüfft hat.

Herr Nkuna, sind Sie gerade zum ersten Mal in Moers?

Ja, tatsächlich! Ich bin 2002 der Kunst wegen von Südafrika nach Deutschland gekommen, weil es nirgendwo sonst auf der Welt so viele Theater und Opernhäuser gibt. Die beste Musik kommt aus Deutschland, auch wenn die Deutschen das selbst nicht so sehen. Als Vergleich: In Südafrika leben 58 Millionen Menschen und es gibt nur drei Orchester, die nicht mal so gut funktionieren, weil es wenig Geld dafür gibt. Als Opernsänger hatte ich daher schon früh das Ziel, irgendwann in Deutschland zu arbeiten. Seitdem habe ich in vielen verschiedenen Städten gewohnt, unter anderem einige Jahre in Köln. Deshalb kannte ich natürlich auch den Niederrhein, aber in Moers war ich vorher noch nie.

Und? Wie ist Ihr erster Eindruck?

Die Menschen, denen ich begegnet bin, sind alle so nett! Jeder läuft mit einem Lächeln herum und fragt, ob er helfen kann. Besonders aber mag ich, dass es ein Verständnis dafür gibt, weshalb wir überhaupt hier sind und wieso wir Musik machen. Ich hoffe, dass wir diese Unterstützung auch bei den Konzerten zu spüren bekommen.

Die musikalische Festwoche soll ein Zeichen für ein friedliches Miteinander setzen. Aber wie klingt der Frieden eigentlich?

Frieden verbinde ich mit Freiheit, Hoffnung, Liebe, Emotionen. Aber man erinnert sich immer auch an die Traurigkeit, die es vor dem Frieden gab. Ein bisschen von allem habe ich versucht, kompakt in die „Friedensfanfare“ zu packen, die bei „Moers klingt“ in verschiedenen Versionen vor jedem Konzert gespielt wird. Mir war es dabei besonders wichtig, die Melodie einfach zu halten, damit sie in den Köpfen der Menschen bleibt. Und es scheint zu funktionieren: Ich habe schon bemerkt, dass einige der jungen Musiker in den Pausen das Lied summen… (lacht)

Beeinflusst das aktuelle Geschehen Ihre Kreativität?

Immer! Ich glaube, jeder Künstler ist immer von den jeweiligen politischen Geschehnissen beeinflusst. Ich schreibe beispielsweise auch viel Musik über meine Heimat Südafrika, wo ich unter der Apartheid aufgewachsen bin. In meinen Stücken klingt immer die Fröhlichkeit, aber auch das Leiden der Menschen durch. Meine Kinder sagen immer, dass meine Musik so traurig ist, und freuen sich dann immer besonders über die fröhlicheren Stücke.

Sie haben unter anderem auch das jüdische Klagelied „Wie liegt die Stadt so wüst und leer…“ neu arrangiert. Weil es aktueller denn je ist?

Für das Gedenkkonzert haben wir zwölf Lieder ausgewählt, die alle mit dem Thema Krieg verbunden sind, damit vor allem die Kinder und Jugendlichen verstehen: Was passiert ist, darf nicht noch einmal passieren. Und doch haben wir jetzt die Situation in der Ukraine…

Wieso ist Musik gerade in diesen Zeiten so wichtig?

Mit Musik kann man Brücken bauen! Das sieht man gerade auch an „Moers klingt“: Die Jugendlichen sprechen Ukrainisch und nur etwas Englisch, aber das ist überhaupt nicht schlimm. Denn durch die Sprache der Musik verstehen wir uns trotzdem. Neulich erst habe ich noch mit einem Freund darüber gesprochen: Vor einigen Jahren hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich als Südafrikaner mal Musik schreibe für ein Orchester aus der Ukraine, das die Stücke in Deutschland spielt. Eine solche Internationalität funktioniert nur durch die Musik.

Wie laufen die Proben für „Moers klingt“?

Ich bin für ein Tage hier, um zu sehen, ob alles funktioniert, oder ob ich musikalisch etwas neu arrangieren muss. Aber es läuft super! Das ist besonders beeindruckend, weil das Jugendsinfonieorchester aus einem Kriegsgebiet kommt und trotzdem so gut vorbereitet ist. Hier sitzen Jugendliche, die nicht wissen, ob ihre Papas und Brüder noch leben… Das bricht einem das Herz! Und doch sehe ich sie zwischendurch lächelnd spielen, was beweist, wie gut Musik für die Psyche ist. Sie hilft dabei, für einen Moment alle Probleme zu vergessen.

Noch einmal zurück zum Niederrhein – konnten Sie Moers und die Umgebung schon etwas besser kennenlernen, bevor es nun wieder für Sie zurück nach Kassel geht?

Ich war vor einigen Tagen im Naturfreibad hier in Moers. So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen!

>>> „Moers klingt – und der Niederrhein stimmt ein!“

Konrad Göke, künstlerischer Leiter der Festwoche, pflegt bereits seit einigen Jahren intensiven Kontakt zu dem Jugendsinfonieorchester der Ukraine (YSOU), wodurch die Idee für das Programm der musikalischen Festwoche „Moers klingt – und der Niederrhein stimmt ein!“ entstanden ist. Der Moerser Verein „Erinnern für die Zukunft“ unterstützt ihn bei der Umsetzung.

Los geht’s mit dem Festkonzert am Freitag, 26. August, um 19 Uhr in der Enni Eventhalle. Neben Musa Nkuna (Tenor) treten Stella Louise Göke (Sopran) und Giulio Alvise Caselli (Bariton) mit dem Konzertchor Ratingen auf. Das Jugendsinfonieorchester der Ukraine (YSOU) spielt erstmals am Sonntag, 28. August, um 18 Uhr in der Enni Eventhalle in Moers.

Die Tanz- und Musikaufführung „Der Tod und das Mädchen“ ist am Sonntag, 28. August, sowie am Dienstag, 30. August, um jeweils 20.45 Uhr im Schlosspark Moers zu sehen. Das Konzert für den Frieden findet statt am Mittwoch, 31. August, um 12.30 Uhr in der Enni Eventhalle, das Abschlusskonzert „Fast and furious“ am Samstag, 3. September um 18 Uhr in der Enni Eventhalle und der Schlusspunkt „five o’clock“ am Sonntag, 4. September, um 17 Uhr in der Stadtkirche Moers.

Weitere Informationen zu der Festwoche sind zu finden auf www.moers-klingt.de