Moers. Das Jugendsinfonieorchester der Ukraine plant eine Gastspielreise nach Moers. Jetzt erreichen den Organisator bewegende Nachrichten der Musiker.
Uljana ist 16 Jahre alt, sie spielt Bratsche. Als Mitglied des Jugendsinfonieorchesters der Ukraine will sie mit 80 anderen Musikerinnen und Musikerinnen im Spätsommer nach Moers kommen und in der Grafenstadt auftreten.
Doch jetzt sitzt Uljana seit Tagen in einem Schutzraum in Kiew, der umkämpften Hauptstadt ihrer Heimat. In zwei Wochen wird sie 17: „Ich hoffe, ich kann meinen Geburtstag feiern.“ Die Jugendliche schreibt diese bedrückenden Worte an den Moerser Kulturmanager Konrad Göke, der das einwöchige Gastspiel organisiert. Höhepunkt soll ein Festkonzert am 26. August in der Enni Eventhalle sein. Göke steht in ständigem Kontakt mit dem Orchester. Neben den Zeilen von Uljana erreichten ihn Nachrichten von weiteren Orchestermusikern.
Anna (21 Jahre, Charkiw, Oboistin): „Ich spiele Oboe. Aber wir haben keine Zeit mehr, über Musik nachzudenken. Es geht jetzt nur noch darum zu überleben. Unsere Stadt hat sich in eine Hölle verwandelt. Leichen liegen schon seit zwei Tagen auf der Straße, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser und andere Gebäude brennen. Unschuldige Menschen sterben. Viele meiner Freunde haben kein Zuhause mehr.“
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Yehor (17 Jahre, Kiew, Percussionist): „Ich lebe in in Kiew, aber meine Familie fünfzehn Kilometer außerhalb der Stadt. Es ist sehr gefährlich dort. Alles wurde komplett niedergebrannt. Meine Familie und Freund:innen haben mir Fotos geschickt. Die Russen haben alles in die Luft gejagt: Wohnhäuser, Schulen, Krankenhäuser. Mein bester Freund hat es nach Polen geschafft, die anderen suchen Schutz in Kellern. In Charkiw geht es nur ums Überleben.“
Alexandra (24 Jahre, Violinistin und Managerin des Orchesters, zur Zeit in Würzburg): „Ich bin durchgängig in Kontakt mit unseren jungen Musiker:innen. Wir sprechen so zehn Mal am Tag, um sicher zu sein, dass niemand verletzt ist. Ich fühle mich schrecklich. Mein kleiner Bruder ist zehn Jahre alt. Mein ganzes Leben ist noch in der Ukraine. Ich fühle mich, als wäre ich dort – nicht körperlich, aber geistig. Es tut sehr weh, die Fotos und Videos zu sehen und mit meinen Eltern zu sprechen. Meine Mutter weint.“
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Varvara (18 Jahre, Kiew, Violinistin): „Wir verstecken uns im Korridor unseres Gebäudes. Hier sind wir im Falle eines Angriffs sozusagen sicher. All diese Nachrichten, dass die russische Armee nur strategische Einrichtungen oder Soldaten angreift, sind Schwachsinn. Ich habe einen Livestream gemacht und die ersten beiden Sätze einer Bach-Sonate und einer Ysaÿe-Sonate gespielt. Die Leute melden sich freiwillig, verteidigen sich mit Gewehren und Molotowcocktails. Das kann ich nicht. Aber ich kann Geige spielen.“ (wit)