Wankum. Als sein Onkel Jupp stirbt, wird das ganze Leben von Christian Spitz auf den Kopf gestellt. Von einem Tag auf den anderen wird er Spargelbauer.

Im urigen Hofladen, direkt hinterm Verkaufstresen, erinnert ein großes Foto an Onkel Jupp. Der Landwirt lächelt breit, fast so, als würde er noch immer alle Kundinnen und Kunden freundlich begrüßen wollen, um danach ein kurzes Schwätzchen mit ihnen zu halten. Vor fast vier Monaten ist Onkel Jupp gestorben und so richtig fassen kann es sein Neffe Christian Spitz noch immer nicht. Weil er einen geliebten Menschen verloren hat, aber auch, weil durch den Tod sein komplettes Leben auf den Kopf gestellt wurde.

Um ihre Geschichte in Ruhe erzählen zu können, setzen sich der 31-Jährige und seine Frau Christina in die angrenzende Sitzecke des Hofladens. „Das war mein erstes Projekt von meinem Onkel und mir zusammen“, erzählt er. Die beiden bauten das alte Kühlhaus um, entdeckten dabei unter der Verkleidung schöne Holzbalken und verwandelten den kleinen Raum in einen gemütlichen Ort zum Verweilen. Der Kundenkontakt sei seinem Onkel Jupp immer wichtig gewesen, betont Christian Spitz. Ihm fällt es schwer, die richtigen Worte zu finden, um den Mann zu beschreiben, der fast wie eine Vaterfigur für ihn war.

Hof seit Generationen in der Familie Spitz

Wie gut, dass gerade eine Kundin den Hofladen betreten hat, um frischen Spargel zu kaufen. Sie wohnt „umme Ecke“, kannte natürlich auch den Josef. Und der war „immer freundlich, hatte für jeden ein offenes Ohr“. Aber er war auch ein „chaotisches Genie“, erinnert sich Christian Spitz. „Er hätte sicher Mathe studiert, aber als ältester Sohn musste er den Hof übernehmen.“ Und so kümmerte er sich um den landwirtschaftlichen Betrieb, stellte irgendwann von Schweinehaltung auf Spargelanbau um. Sein Neffe kam ständig vorbei, wuchs quasi bei Onkel und Oma auf.

Ein großes Foto im Hofladen Spitz erinnert an Onkel Jupp.
Ein großes Foto im Hofladen Spitz erinnert an Onkel Jupp. © FFS | Kai Kitschenberg

Deshalb wusste Christian Spitz auch schon früh, dass er ebenfalls gern in die Landwirtschaft gehen wollte. Nur der Onkel war nicht so recht begeistert… „Das lohnt sich nicht, mach lieber was Gescheites!“ Also gut. Dann beendete er eben seine Ausbildung zum Industriemechaniker, holte anschließend das Fachabi nach und verließ fürs Studium die Heimat. Lust auf Landwirtschaft hatte er zwar immer noch, aber der Onkel ermutigte ihn dazu, seinen eingeschlagenen Weg erst einmal weiterzugehen. Wirtschaftsingenieur mit dem Schwerpunkt auf Produktion und Logistik, das ist doch was Handfestes!

Schockdiagnose: Krebs im Endstadium

Tatsächlich lief alles nach Plan. Christian Spitz heiratete die Frau, die er seit Grundschulzeiten kennt. Eine romantische Liebesgeschichte… „Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass sie mich am Anfang nicht leiden konnte“, wirft er ein und lacht. Die Meinung scheint Christina irgendwann geändert zu haben – seit neun Jahren sind sie zusammen, seit zwei Jahren verheiratet. Gemeinsam zogen sie ins Allgäu, um sich ein neues Leben aufzubauen. Er arbeitete bei einer Firma als „rechte Hand des Chefs“, sie bis zur Geburt der Tochter als Krankenschwester. So hätte es noch eine Weile weitergehen sollen. Eigentlich.

„Nach zehn Jahren wollten wir zurückkommen“, erklärt Christian Spitz. „Dann wäre unsere Familienplanung abgeschlossen gewesen und mein Onkel in Rente gegangen.“ Doch am 25. August 2021, das Datum hat sich ins Gedächtnis eingebrannt, erhält Onkel Jupp die Schockdiagnose: Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Wenige Monate blieben ihm, um alles Wichtige zu regeln, um den Hof seinem Neffen zu übergeben. Denn dass die kleine Familie alle Zelte im Allgäu abbrechen würde, stand fest. „Ich habe ihm schon damals versprochen, den Hof zu übernehmen, und nach der Diagnose noch einmal.“

Geringe Kaufbereitschaft für Spargel

Onkel Jupp organisierte noch schnell für seinen Neffen eine Schulung, ließ dafür seinen ganzen Charme spielen, denn eigentlich war der Kurs schon voll… Christian Spitz durfte schließlich dran teilnehmen, das Wichtigste im Schnelldurchlauf lernen und ist nun „zertifizierte Fachkraft für Spargel-, Erdbeer- und Beerenobstanbau“. Zumindest auf dem Papier. „Von Erdbeeren habe ich immer noch keine Ahnung“, muss er zugeben. Nicht schlimm, es geht ja vor allem ums königliche Gemüse. Doch um das anzubauen, hätte es normalerweise viel mehr Vorlaufzeit gebraucht. Stattdessen ging alles Schlag auf Schlag.

Christian Spitz hatte gerade einmal einen Monat Zeit, um die Felder in Wankum auf die Spargelsaison vorzubereiten.
Christian Spitz hatte gerade einmal einen Monat Zeit, um die Felder in Wankum auf die Spargelsaison vorzubereiten. © FFS | Kai Kitschenberg

Ende Februar stirbt Onkel Jupp, woraufhin die Familie zwei Wochen später überstürzt vom Allgäu zurück an den Niederrhein zieht. Zeit zum Trauern bleibt ihnen kaum. Nachts renovieren sie den Hof, tagsüber bestücken sie die Felder. Denn ihnen bleibt nur ein einziger Monat, bis die Spargelsaison losgeht. In dieser kurzen Zeit entwickelt Christian Spitz vor allem eines: Respekt vor der Landwirtschaft. „Man erzeugt etwas, das andere nicht so können, und erfährt trotzdem kaum Wertschätzung dafür.“ Wirtschaftlich, das kann er schon jetzt sagen, sei das Jahr eine Katastrophe. Die geringe Kaufbereitschaft für Spargel, von der alle besprechen, trifft auch seinen Betrieb.

Großer Zuspruch vor Ort

Stemmen kann die Familie Spitz das nur, weil beide noch ihre anderen Jobs haben. Christina arbeitet wieder als Krankenschwester, Christian blockweise in der Firma im Allgäu. Die erste Zeit war und ist anstrengend, das möchten sie gar nicht beschönigen. Umso mehr freuen sie sich über den großen Zuspruch vor Ort – wenn beispielsweise der Freundeskreis am Vatertag extra einen Zwischenstopp im Hofladen macht, um die beiden bei der Arbeit zu besuchen.

Und was bringt die Zukunft? Nun, aus den kleinen Fehlern beim ersten Spargelanbau wird Christian Spitz natürlich lernen, so manches wird ihm in der nächsten Saison nicht mehr passieren. Außerdem will er seine Erfahrungen aus dem Studium einbringen, Arbeitsabläufe optimieren und, ganz wichtig, einige Pläne, die Onkel Jupp noch hatte, zu Ende bringen: einen Parkplatz bauen, vielleicht eine Gastronomie etablieren. Leicht wird das alles nicht, das weiß er. Aber ein kleines Ritual gibt ihm immer wieder Kraft: Jeden Morgen lässt er das Lied „Iwig öm de Ääd“ laufen, in dem es darum geht, dass ein toller Mensch aus dem Leben gerissen wurde. Und dabei erinnert er sich an seinen Onkel Jupp.

>>> Spargel nur noch bis zum 24. Juni

Die Spargelsaison endet am Johannistag, dem 24. Juni. Bis dahin können Feinschmeckerinnen und Feinschmecker acht verschiedene Sorten im Hofladen Spitz, Landfriedensstraße 38 Wachtendonk-Wankum, kaufen. Daneben gibt’s weiteres Gemüse, Obst, Eier, Honig und mehr aus der Region. Einziger „Export“: Käse aus dem Allgäu. Darauf wollte das Paar nach ihrem Umzug an den Niederrhein nicht mehr verzichten…

Geöffnet hat der Hofladen montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr, samstags von 8 bis 16 Uhr sowie sonntags und an Feiertagen von 9 bis 14 Uhr. Kontakt: : 02836/7010 oder info@spitz-enspargel.de. Weitere Informationen zum Hof sowie einige Rezepte sind zu finden auf der Homepage www.spitz-enspargel.de