Warum es nicht immer die weite Flugreise sein muss und wie man mit Furcht und Faulheit die Welt retten kann.

Als wir 2006 in das alte Schusterhaus am Niederrhein zogen, fanden wir im Keller eine erstaunliche Verdienstmedaille. Bronze für Anhänglichkeit. Der Schuster war nah bei seinen Leisten geblieben und hatte 30 Jahre lang den gleichen Urlaubsort in Bayern besucht. Wir grübelten, ob dieser Hang zum Einerlei auf uns abfärben könnte.

Im September 2022 fahren wir nach Cornwall, wie seit 23 Jahren. Wann belohnt uns das örtliche Tourist-Office? Wir sind doppelt ehrwürdig: treue Touristen und ökologisch korrekt. Was früher spießig war, ist heute spaßig. Genügsamkeit ist der neue, coole Klimakatastrophenbändiger. Deshalb kochen jetzt auch die Top-Gourmets regional und saisonal wie Omma schon immer. Gut so, Umdenken bleibt spannend und ist das wahre Rezept gegen das Verspießern.

Unter all den billigfliegenden Weltenbummlern der Globetrottel

Leider ist Denken ein unpopulärer Antrieb, wie die lahme Verkehrswende zeigt. Ich würde gerne protzen, dass ich aus ökologischer Vernunft die meisten Urlaube in England verbrachte. Aber neben heilloser Anglophilie steuerte mich ein Turbo-Argument: Flugangst. Zuletzt bin ich 1996 von Karpathos nach Düsseldorf geflogen, betreut von zwei Stewardessen. Nach einem kleinen Tumult knapp vor dem Start („Ich möchte bitte raus. Jetzt! Zum Schiff!“) bekam ich Tee, Baldrian und beruhigende Worte vom Piloten persönlich. Trotzdem reise ich seitdem lieber mit Fähre und Familie nach England, manchmal mit dem Kombi in andere Ecken Europas.

Auch interessant

Klar war es nicht immer leicht, unter all den billigfliegenden Weltenbummlern der Globetrottel zu sein. Danke, dass ich nachträglich zur Klimaheldin (Typ: Anfänger) befördert werde: 23 Jahre Familienreisen, null Kerosin, null Flugscham. Noch besser wird unsere Reise-Ökobilanz durch einen weiteren Premium-Antrieb: Faulheit. Weil es Stress ist, Kinder plus 47 Förmchen, Aufblasgiraffen, Schüppchen etc. täglich ins Auto zu wuchten, investierten wir das halbe Urlaubsgeld in Unterkünfte nahe dem Strand, der Kombi hatte frei. Gleich mit dem Bus in die Ferien zu fahren, wäre natürlich heldenhafter.

Auch interessant

Könnte man die Vielflieger mit Tricks erden? Wenn Flutkatastrophen und Dürren nichts bewirken, darf ich Fantasie empfehlen? Bei jedem Billigflug bitte reinsteigern: Das ist verdammt wenig Blech, das uns von 10.000 Metern Abgrund trennt! Die Luft unterm eigenen Hintern interessiert die Menschen vielleicht mehr als „Einmal Malle = eine Tonne CO2 pro Kopf“. Und muss man weiter die statistische Sicherheit eines Verkehrsmittels feiern, das den Himmel vergiftet wie kein anderes? Jaaa, Bangemachen gilt nicht (außer mit Atombomben für den Weltfrieden).

Daher die mutmachende Variante: Es ist simpel! Alle verzichten aufs Vielfliegen, wer kann, gönnt sich ab und an eine Fernreise. Ich verzichte auf die Verdienstmedaille. Wussten Sie, dass Cornwall stellenweise aussieht wie die Karibik? Wir haben die ganz große weite Welt nicht vermisst. Weil wir auf halber Strecke im Paradies hängengeblieben sind.