Das klimaneutrale Fliegen kommt – davon ist der Geschäftsführer des Flughafens Düsseldorf überzeugt. Für den Betrieb am Boden gilt das Ziel 2035.
Es ist erstaunlich leise hier in der Führungsetage der Flughafenverwaltung. Trotz der startenden Flugzeuge im Hintergrund. Vielleicht steht aber auch nur der Wind günstig an diesem Nachmittag beim Gespräch für Flughafenchef Thomas Schnalke (59) im Gespräch mit Stephan Hermsen über die Zukunft des Fliegens in Zeiten der Klimakrise. Jedenfalls bieten sich die Starts durchaus auch als Gesprächsstart an.
Herr Schnalke, hinter Ihnen hat gerade das größte Passagierflugzeug der Welt, der A380 abgehoben. Was meinen Sie, wie lange startet und landet der hier noch?
Ich hoffe noch sehr lange…
Sie ahnen, warum ich das frage…
Die Betreiber der 380er-Flotten weltweit standen während in der Corona-Krise vor der Frage, wie lange sie noch fliegen werden. Die 380er sind ja noch relativ jung. Aber selbst die Lufthansa beginnt, ihre in der Wüste geparkten 380er zu reaktivieren. Daher bin ich da sehr zuversichtlich.
Das heißt: Die Nachfrage nach Flugreisen ist im Steilflug nach oben.
Ja, wir liegen oberhalb der Erwartungen. Es sind vor allem Urlaubsreisen und Flüge anlässlich des Besuchs von Familien oder Freunden vor allem in der Türkei und auf dem Balkan. Wir sind jetzt bei etwas mehr als 70 Prozent des Aufkommens von 2019 und rechnen damit, dass wir in den Sommerferien bei 80 bis 85 Prozent liegen.
Was für Sie gute Jahre sind, sind für die Klimabilanz keine guten Jahre. Wie gehen Sie mit diesem Spagat um?
Weltweit verursacht der Luftverkehr 3 % des CO2-Ausstoßes. Aber wir sind gut beraten, aktiv daran zu arbeiten, einen CO2-neutralen Luftverkehr hinzubekommen. Das werden wir auch schaffen, davon bin ich überzeugt.
Wann kann man mit guten ökologischen Gewissen in den Ferienflieger nach Mallorca steigen?
Es geht darum: Wie gehen wir mit dem Thema CO2 um? Wir wissen alle, dass wir in allen Bereichen unseres Lebens CO2-neutral werden müssen und wir wissen auch, dass das nicht einfach sein wird. Daher gehen wir in der Branche das Thema aktiv an und haben einen „Masterplan CO2-Neutralität“ entwickelt, in dem eine ganze Reihe von Maßnahmen definiert sind. Das meiste CO2 wird durch die Flugzeuge emittiert, vor allem beim Start. Hier bauen wir auf mehrere Punkte. Das ist zum einen die Flottenerneuerung. Jede neue Generation von Flugzeugen ist etwa 25 % CO2-effizienter als die vorherige. Wir wollen außerdem an der Luftraumnutzung arbeiten, um kürzere Strecken fliegen zu können. Dann geht es darum, synthetisches Kerosin zu benutzen. Also Flugbenzin, das mit grünem Strom und Kohlendioxid aus der Atmosphäre gewonnen wurde. Das ist ein Treibstoff, der nach einigen Modifikationen, auch von bestehender Technologie genutzt werden kann. Das wird der entscheidende Faktor sein.
Was ist mit innovativen Antrieben?
Eine neue Flugzeuggeneration braucht 30 Jahre, ehe sie auf dem Markt ist. Wenn wir jetzt anfangen, Ideen zu entwickeln für Wasserstoffantrieb, dann braucht das Jahrzehnte. Daher ist für uns der Punkt „synthetisches Kerosin“ so entscheidend, plus weitere Maßnahmen wie ein klimaneutraler Flughafenbetrieb. Wir haben uns verpflichtet, dass wir am Boden ab 2035 CO2-neutral arbeiten, bis 2045 wollen wir das Ziel „Zero Emissions“ erreicht haben.
Wie groß sind Ihre Einflüsse auf die Fluggesellschaften? Wieviel Druck können Sie da machen?
Druck hilft da gar nicht. Wir lösen das partnerschaftlich. Es gibt natürlich Steuerungsmechanismen, die Entgelte sind schon heute angepasst an den Schadstoffausstoß. Flughafenentgelte dürfen kostendeckend sein, aber nicht mehr. Das sind unsere Regeln. Wir haben nicht die Sorge, dass uns Airlines weglaufen.
Sie können also sagen: Ihr könnt hier starten, aber bitte mit den modernsten Maschinen?
Das tun wir schon seit langer Zeit über die Gebührenordnung – das machen die anderen Airports auch. Wir müssen vor allem aber die richtige Technologie haben: Nachhaltiges Flugbenzin ist der erste, wichtigste Schritt.
Wann wird das so weit sein?
Da gibt es noch keine Zahl. Es gibt intensive Gespräche auf EU-Ebene, denn wir müssen damit wettbewerbsneutral sein. Technisch ist es heute machbar, aber es ist deutlich teurer. Die Frage ist: Wer wird, wie verpflichtet, dieses Kerosin zu tanken und wie steht er dann im Wettbewerb.
Ein erster Schritt wäre ja, herkömmliches Kerosin so zu besteuern, wie den Sprit an der Tankstelle.
Ich weiß nicht, ob Besteuerung der richtige Ansatz ist. Denn es gibt schon heute erhebliche Belastungen für den Flugverkehr. Da sehe ich kein Ungleichgewicht im Wettbewerb der unterschiedlichen Verkehrsträger, die Luftverkehrsindustrie verdient, anders als der steuerfinanzierte Straßen- und Schienenverkehr, ihre Infrastrukturkosten selbst. Aber unser Fokus ist: Wir haben einen Anteil am CO2-Ausstoß und wir haben einen Plan, wie wir ihn reduzieren.
Sie haben die Gebühren erwähnt. Dazu zählt die Luftverkehrsabgabe. Ist die aus Ihrer Sicht vernünftig konstruiert, wenn sie Langstrecken stärker belastet als Kurzstrecken?
Das ist einer unserer Erwartungen, dass sich der Kurzstreckenverkehr auf die Bahn verlegt. Ich wäre froh, wenn wir die Kurzstrecke nach Frankfurt nicht mehr hätten. Den Slot kann ich erheblich besser nutzen. Das hätte für uns wirtschaftliche Vorteile und wäre gut fürs Klima. Deshalb ist klarer Bestandteil unserer Agenda: Kurzstrecken auf die Bahn zu verlegen.
Eurowings bietet jetzt „Fliegen mit freiem Mittelsitz“ an. Ist das nicht ökologisch fatal?
Naja, dann müssen Sie auch die Business-Class verbieten. Der Flugreisende hat das Recht, seinen Flug selbst zu wählen und ist auch aufgerufen, seine eigene CO2-Bilanz zu steuern, auch durch mögliche Kompensationsangebote. Auf der anderen Seite haben Firmen auch das Recht, Produkte anzubieten, die die Kunden haben wollen.
Sie wollen auch die eigene Firma, also den Flughafen selbst, klimaneutral bekommen. Wo liegt da der Fokus?
Da geht es vor allem um die Gebäude, Lüftung, Heizung, Klimatisierung und Beleuchtung. Wir haben unseren CO2-Ausstoß schon deutlich reduziert. Wir sind einer der größten Stromkunden in NRW. Dieser Strom muss grüner Strom sein und das ist heute schon der Fall. Wir planen weitere Photovoltaikanlagen, die kommen auf die neuen Gebäude und wir identifizieren gerade Flächen, wo das geht. Dazu kommt Speichertechnologie. Dann gilt es, unsere 1000 Bodenfahrzeuge auf Elektromobilität umzustellen. Das tun wir mit jedem Fahrzeugwechsel. Die Technologie ist da, aber es muss auch die Ladeinfrastruktur da sein.
Vor Ihrem Büro gähnt ein tiefes Loch: Der Flughafen bekommt U-Bahnanschluss. Begrüßen Sie das?
Ich bin froh darüber, dass wir nach dem Fernbahnhof und dem S-Bahnhof bald einen dritten Bahnhof bekommen. Das stärkt unsere Anbindung. Aber auch der Individualverkehr und das Parken wird immer ein Thema bleiben, auch da wird Ladeinfrastruktur für die zunehmende Zahl an Elektroautos für uns wichtig werden. Wir wollen einen Sharing-Hub eröffnen, also einen Ort, wo wir nah am Terminal vom E-Auto bis zum Elektroroller alle Leihfahrzeuge auf einer Fläche anbieten können. Das ist für uns wichtig, dass unsere Gäste die freie Auswahl und die Verantwortung haben, wie sie ihre Mobilität gestalten.