An Rhein und Ruhr. Deutschland baut und baut. Doch ist das eigentlich sinnvoll? Fachleute raten, sich liebevoller um die bestehenden Gebäude zu kümmern.

400.000 Wohnungen sollen in Deutschland nach Willen der Bundesregierung gebaut werden – jährlich! Wohnen in Deutschland, das soll gut sein, bezahlbar und klimagerecht, wünschte sich Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kürzlich beim Wohnungsbautag. Keine Frage, das klingt gut. Doch blickt man auf die Öko-Bilanz eines Neubaus, klingt vieles gar nicht mehr so gut.

40 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland werden laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung durch die Errichtung und Nutzung von Gebäuden ausgestoßen. Für das Jahr 2020 würde das rund 296 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen entsprechen, zeigt eine aktuelle Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Aber was bedeutet das nun für unser Wohnen an Rhein und Ruhr? Dürfen wir also gar nicht bauen?

Doch, dürfen wir, meint Prof. Dr. Michaela Lambertz, Leiterin des Lehrbereichs Green Building Engineering an der TH Köln.

Sanierung eines Studierendenwohnheims in Aachen ist sinnvoll

Aber oberstes Gebot sei es, mehr bestehende Gebäude zu sanieren, statt neue zu bauen. Das bekräftigt auch Manfred Rauschen, Geschäftsführender Gesellschafter des Öko-Zentrums NRW. „Gebäude sind langlebig. Jede Entscheidung führt zu Fakten, die 30 oder 50 Jahre erst mal nicht verändert werden“, sagt er.

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Lambertz beschäftigt sich in ihrem Forschungs- und Lehrgebiet mit der Bewertung, wie nachhaltig ein Gebäude ist. Für ein Studierendenwohnheim in Aachen haben sie und ihr Team errechnet, ob ein Neubau oder eine Sanierung ökologischer wäre. Das Team hat sich angeschaut, wie viel Stahlbeton im Kern, in den Decken und dem Fundament bestehen bleiben würde. Es ging also um die Frage: Wie viel CO2 spare ich ein, wenn ich das Material weiter nutze?

Das Ergebnis war deutlich: 40 bis 50 Prozent weniger CO2-Emissionen würden ausgestoßen, wenn das Gebäude saniert statt neu gebaut würde. Auch für ein Bürogebäude in Düsseldorf ergab sich kürzlich ein ähnliches Bild, so Lambertz im Gespräch mit der NRZ.

Selbst bei der Herstellung von Effizienzhäusern wird zu viel Energie verbaut

Auch die KIT-Studie kommt zu dem Schluss: „Neubauten sind erforderlich, können aber mit den heute verfügbaren Materialien und ohne eine strukturierte Kreislaufwirtschaft selbst als Holzbau keinen positiven Beitrag zu den Klimaschutzzielen leisten.“ Denn: Bei der Herstellung von Effizienzhäusern 55 und 40 werde bereits mehr Energie verbaut, als die Gebäude in ihrer durchschnittlichen Lebenszeit von 50 bis 60 Jahren an Betriebsenergie verbrauchen.

Trotzdem sei der Trend zum Baustoff Holz vorhanden. Im Jahr 2020 hat der Anteil bei Ein- und Zweifamilienhäusern bei 23 Prozent gelegen, im Fertigteilbau dominierte Holz mit 88 Prozent. Manfred Rauschen plädiert dafür, mehr mit Holz zu bauen. „Das eingebaute Holz ist ja ein CO2-Speicher“, sagt er.

In Zukunft könnten auch Laubbäume zum Bauen genutzt werden

Lambertz stimmt ihm zu. „Holz ist schon gut, was die CO2-Emissionen angeht, aber es ist nicht die Lösung für alles.“ So würden als Konstruktionsholz überwiegend Nadelhölzer, vor allem Fichte verwendet werden. Das Problem dabei: Sie wächst nicht so schnell, wie wir es bräuchten. Daher wäre es gut, wenn auch Laubbäume zu Konstruktionsholz für Decken, Wände oder Fassaden verarbeitet werden könnten. „Es gibt Entwicklungsansätze, die zeigen, dass das perspektivisch auch gelingen wird. Stahl könne man einsetzen, wo es sinnvoll sei, weil es einen hohen Recyclinganteil habe.

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Apropos Recycling: In Deutschland bräuchte es eine richtige Kreislaufwirtschaft für das Baugewerbe, meint Lambertz. Damit könnten ganze Bauteile wie Decken genutzt werden oder aber auch nur Teile dieser Teile. Dazu muss man wissen, welche Schichten eines Bauteils welche Lebensdauer haben. Die mit der kürzeren Lebensdauer könnte man entfernen, ohne die anderen Schichten zu zerstören. Dazu müssten sie bereits anders gefertigt werden, zum Beispiel verschraubt statt verklebt werden. Es beginnt also schon bei der Herstellung des Materials.

Bei der Gebäudesanierung gilt ebenfalls der Blick aufs Material. Verwende ich für den neuen Boden einen nachwachsenden Rohstoff? Haben die Materialien Recyclingpotenzial? Gibt es eine ökologische Dämmung?

Zudem empfiehlt Lambertz, Gebäude flexibel zu gestalten, was ihre Nutzung angeht. Aus einem Haus für vier Personen kann also später ein Haus mit zwei getrennten Wohneinheiten werden.

Insgesamt, so Lambertz, wäre es gut, wenn weniger Fläche versiegelt werden würde. Sprich: Gebäude sollte man auch mal mehrgeschossig bauen oder Bestehende aufstocken.