Aus den Niederlanden. Die Niederlande sind berühmt für ihre Fahrradkultur. Wie sie das geschafft haben und was NRW von der Radinfrastruktur im Nachbarland lernen kann.
Unser Nachbarland gilt – ganz im Kontrast zu NRW – als Fahrradland schlechthin. Wie es eigentlich dazu gekommen ist und was den Niederlanden noch zum ganz großen „fietsgeluk“ fehlt, erklärt Wim Bot vom niederländischen Fahrradverbund „Fietsersbond“ im Interview. Und er verrät, was Deutschland für eine bessere Fahrradkultur tun müsste.
Die Niederlande sind für ihre Fahrradkultur weltbekannt. Wie kam es eigentlich dazu?
Wim Bot: Anfang des 20. Jahrhunderts war das Rad in vielen europäischen Ländern beliebt, weil es bis zum Aufstieg des Autos das einzige Massenfahrzeug war. Mit der Verbreitung von Autos in den 50er- und 60er-Jahren ist der Anteil der Fahrräder überall in Europa zurückgegangen – auch in den Niederlanden. Doch hier ist der Radanteil stets höher geblieben als in anderen Ländern.
Warum?
Das hat unter anderem damit zu tun, dass der Abstand zwischen den niederländischen Städten kleiner ist als in vielen anderen Ländern. Und mit einer bestimmten egalitären Moral. In den Niederlanden ist man es nicht gewohnt, seinen Reichtum durch Statussymbole zu zeigen.
In den 60er- und 70er-Jahren gab es zudem eine große Diskussion über die Rolle von Automobilen in Städten. Zusammen mit der Ölkrise in den 1970ern hat das dazu geführt, dass eine Radpolitik für die niederländischen Städte entstanden ist. Dort gab es damals noch kaum Radwege.
Wie ging die Entwicklung dann weiter?
In dieser Zeit ist viel Expertise entstanden. Auch unser Verband wurde 1975 gegründet. Der Fahrradanteil in den Niederlanden ist danach weiter gestiegen. Wir liegen immer noch auf dem allerhöchsten Niveau in Europa.
Rund 27 Prozent aller Reisen in den Niederlanden werden mit dem Fahrrad zurückgelegt. Auf kurzen Strecken sind es sogar mehr als 35 Prozent und in Studentenstädten teils um die 50 Prozent.
Da können Radfans im Autoland Deutschland schon neidisch werden. Wo sieht der „Fietsersbond“ noch Verbesserungsbedarf im „Radparadies“ Niederlande?
Sicher sehen wir auch noch Probleme. Es gibt zu wenig Raum für Fahrräder in vollen Städten, Radwege sind zu schmal geworden. Wir wollen auch, dass ein Tempolimit von 30 Kilometer pro Stunde für den motorisierten Verkehr kommt. Die Idee gefällt aber nicht jedem. In den Niederlanden ist eine Art Koexistenz zwischen Autos und Rädern entstanden, mit jeweils eigenen Domänen.
Ein anderer Punkt sind Unfälle, bei denen keine Motorfahrzeuge beteiligt sind. Insbesondere Ältere kommen ins Krankenhaus, weil sie von Rädern stürzten.
Hat die neue niederländische Regierung das Thema Radverkehr auf der Agenda und erwarten Sie schnelle Verbesserungen?
Ich vertrete die Fahrradlobby auf Landesebene. Anfang vergangenen Jahres wurde ein nationaler Zukunftsplan für die kommenden 20 Jahre entwickelt. Wir hoffen, dass das auch alles umgesetzt wird. Dafür sind aber entsprechende Budgets nötig. In den Niederlanden ist es aber so, dass der Staat wenig investiert und das den Regionen und Kommunen überlässt.
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Das muss sich ändern. Diese Diskussion führen wir gerade. Im neuen Koalitionsvertrag steht explizit dazu nicht viel und er stellt auch keine großen Beträge in Aussicht. Das Wort „fiets“ fällt hingegen oft im Zusammenhang mit Mobilitätsthemen. Das ist für uns schon ein großer Durchbruch.
Welche Tipps können Sie Deutschland in puncto einer guten Fahrradpolitik geben?
Es ist wichtig, in eine sichere Radinfrastruktur zu investieren und dafür zu sorgen, dass Menschen aller Altersstufen sicher Rad fahren können – nicht nur Männer mittleren Alters. Das sieht man im Ausland öfters. Radnetzwerke müssen gut durchdacht sein. Vor allem Schnittstellen sollten gut geregelt werden. Man sieht im Ausland oft, dass schöne Radwege an Kreuzungen wieder aufhören und Räder sich zwischen den Autos wiederfinden. In Deutschland weiß ich von Kombinationen aus Rad- und Fußwegen, die eigentlich zu eng sind für größere Gruppen. Das funktioniert ab einem gewissen Punkt nicht.
Beim Thema Radinfrastruktur gibt es in den Niederlanden viel Expertise, aber auch in Deutschland. Und in einigen deutschen Städten sehe ich auch die politische Motivation, das anzugehen.