Für Berufspendler ist der Radschnellweg Ruhr eine Gute-Laune-Strecke mit Fitnessfaktor – nur schnell voran kommt man auf ihm nicht überall.

An manchen Tagen, finde ich, habe ich den schönsten Weg zur Arbeit, den man sich überhaupt vorstellen kann.

Dann rolle ich mein Fahrrad aus der Garage, holpere über den Asphalt einer nur notdürftig geflickten Nebenstraße – na ja, das ist noch nicht so schön, aber jetzt kommt’s – biege rechts ab und brause die Auffahrt zur Trasse herunter. Vor mir liegen dann rund zehn auto-, ampel- und abgasfreie Kilometer mit direktem Anschluss zum überdachten Radparkplatz meines Arbeitgebers. Besser geht’s eigentlich nicht.

Eine echte Gute-Laune-Strecke mit Fitnessfaktor (ich fahre mit Eigenantrieb) über eine alte Bahntrasse, offiziell Radschnellweg, oder kurz RS1 genannt, die in Wirklichkeit aber nur ein überschaubares Stück echter Radschnellweg ist.

Denn nach ein paar Kilometern, kurz hinter der Essener Stadtgrenze, wird aus der A 40 für Radler eine Spielstraße für alle. Dann teilen sich Möchtegern-Tour-de-France-Teilnehmer, Freizeitfahrer und die stetig zunehmende Zahl an Berufspendlern wie ich den Weg mit Flaneuren in unterschiedlichsten Personenstärken, einsam Joggenden, zwei- und vierbeinigen Gassigängern, Walkinggrüppchen und Kindern bei Erstversuchen auf Dreirädern. Das kann unterhaltsam und gesellig sein, oft genug ist es aber auch durchaus gefährlich.

Und man erlebt auf diesen „gemischten“ Kilometern, fast lehrbuchhaft, eine Verschiebung der Verhältnisse: Die Radfahrer, die oft und zurecht ihre Verletzlichkeit und Benachteiligung im Straßenverkehr beklagen, sind hier plötzlich die stärkste Kraft – mit allen Konsequenzen und Nebenwirkungen. Und spätestens hier erfährt man: Rücksichtslose Raser gibt es nicht nur hinter dem Steuer von Automobilen.

In den besten Momenten kann man dieses Miteinander als Übungsstrecke für Toleranz und gegenseitigen Respekt verstehen. Nur: Mit einem Radschnellweg hat das nichts zu tun.

Fotos von der blühenden Natur

Doch Schluss mit der Nörgelei. Denn eines steht auch fest: Nie komme ich entspannter nach Hause, als nach den zehn Kilometern Rückweg auf dem Rad. Diese Fahrten sind wie ein kurzer Urlaub, der schon beginnt, wenn ich abends vom Parkhaus auf die Trasse einbiege.

Manchmal halte ich zwischendurch an und mache Fotos – von der sprießenden und blühenden Schönheit der Natur, die sich entlang des Wegs erfreulich breitmacht: den wilden Malven und dem Flieder, dem Spitzwegerich, dem Natternkopf … Toll!

Was ich aber noch nicht erwähnt hatte: Ich fahre den Weg nur an regenfreien Tagen zwischen mittlerem Frühling und Spätsommer. Regenfrei deshalb, weil mir Wasserschutz und Funktionskleidung einfach zu umständlich sind. Und nicht im Winterhalbjahr, weil ich nie vor 19 Uhr Feierabend und keine Lust auf eine Abenteuerfahrt durch die Finsternis habe. Denn was tagsüber naturnah und romantisch wirkt, ist in der Dunkelheit vor allem eins: unheimlich.