An Rhein und Ruhr. Unser Test zeigt, wie die Inflation die Preise auch bei Lebensmitteln in die Höhe treibt. Experte: Höchstwert ist inzwischen erreicht.

Der Einkaufswagen füllt sich mit jedem Schritt durch das Geschäft, auf dem Kassenband liegt Toilettenpapier in direkter Nachbarschaft zum Frühstückssaft, Kartoffeln und Spinat. Der übliche Wochenendeinkauf. Doch für den müssen die Kundinnen und Kunden an Rhein und Ruhr einmal mehr tiefer ins Portemonnaie greifen. Erst am Donnerstag gab das Statistische Bundesamt bekannt, dass die Inflation im Dezember im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 5,3 gestiegen sei. Wir haben den Test gemacht, haben unseren Warenkorb gefüllt mit Lebensmitteln, die wir bereits im August 2021 und im Juni und Juli 2020 gekauft haben.

Auf dem Einkaufszettel standen erneut zehn Produkte: ein Apfel, Tomatenmark, Nudeln, Margarine, Weizenmehl, Toilettenpapier, ein Schokoladenpudding, Toastbrot, eine Flasche Mineralwasser (1,5 Liter), eine Tüte frische Vollmilch. Eingekauft haben wir jeweils bei Edeka, Aldi und Kaufland. In der Regel haben wir uns für die jeweils günstigen Eigenmarken entschieden – bis auf zwei Ausnahmen: Bei der Margarine haben wir uns zweimal, beim Weizenmehl einmal für bekannte Markenprodukte entschieden.

Bedürftige Menschen trifft es besonders hart

Das Ergebnis: Auch dieses Mal ist der Einkaufteurer geworden. Bezahlten wir für die Produkte im August 2021 bei Aldi noch 7,29 Euro, summierte sich der Einkauf nun auf 7,91 Euro – 68 Cent mehr. Im Juli 2020 bezahlten wir, nachdem die Mehrwertsteuer zeitweise gesenkt worden ist, nur 6,86 Euro.

Wir haben bei unserem Testkauf zehn Waren bei Aldi, Edeka und Kaufland eingekauft.
Wir haben bei unserem Testkauf zehn Waren bei Aldi, Edeka und Kaufland eingekauft. © NRZ | DeL

Bei Kaufland stieg die Einkaufssumme für denselben Einkauf von 7,83 Euro im Juli 2020 auf 8,25 Euro im August 2021 auf nun 9,01 Euro (+76 Cent).

Bei Edeka spüren Kundinnen und Kunden die Preissteigerung besonders: Statt zuletzt 7,99 Euro bezahlten wir nun 9,45 Euro (im Juli 2020: 7,50 Euro). Das macht ein Plus von 1,46 Euro.

Allerdings muss man erwähnen: Nur bei Edeka haben wir ein Marken-Weizenmehl gekauft, bei Kaufland und Aldi haben wir das hauseigene Mehl genommen. Das macht fürs Mehl einen Preisunterschied von 64 Cent. Bei Edeka und Kaufland haben wir für die Marken-Margarine jeweils 1,99 Euro gezahlt, bei Aldi für die Margarine der Eigenmarke waren es nur 79 Cent. Den Apfel haben wir aus allen Einkäufen herausgerechnet, weil er je nach Gewicht variiert.

Die Transportkosten steigen

„Lebensmittelpreise schwanken sehr stark, das hat unter anderem saisonale Gründe“, sagt Torsten Schmidt vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Aber: „Die Transportkosten sind natürlich höher geworden.“ Die Lebensmittelpreise hätten eher nicht die Inflation in die Höhe getrieben. Vielmehr ist es eher umgekehrt: Die Inflation sorgt für höhere Lebensmittelpreise.

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Das trifft vor allem die finanziell eher schwach gestellten Haushalte. „Die seit Monaten steigenden Kosten für Lebensmittel und Energie führen dazu, dass sich die Not von Menschen in prekären Lebenssituationen verschlimmert“, sagt Petra Jung, Sprecherin der Tafeln in Nordrhein-Westfalen, auf Anfrage der NRZ. „Die Bedürftigen werden merklich bedürftiger. Und am Ende des Geldes ist immer mehr Monat übrig.“

Dass die Inflation weiter steigen wird, glaubt Konjunktur-Experte Torsten Schmidt vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen eher nicht. Er sieht den Höhepunkt derzeit erreicht. Entwarnung gibt es allerdings auch nicht.

Experte: Lieferengpässe werden uns auch im Jahr 2022 beschäftigen

Denn: Die Preissteigerungen durch Lieferengpässe und die hohen Energiekosten werden uns Schmidts Einschätzung zufolge weiter begleiten. „Wenn die Preise für Halbleiter steigen, steigen auch die Preise der Produkte, in denen sie eingebaut werden. Dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen“, nennt er ein Beispiel.

Einen Kaufkraftverlust prognostiziert Schmidt allerdings nicht. „Wir erwarten eine weitgehende Stagnation der Reallöhne in diesem Jahr. Es wird also keinen weiteren Kaufkraftverlust geben, aber eben auch keinen Zuwachs“, sagt er.

Insgesamt, so seine Einschätzung, werde die Inflation in der ersten Jahreshälfte „sicher nicht mehr an diese fünf Prozent rankommen.“ Denn: „Wenn man sich die Vormonatsveränderung der Preise anguckt – die zeigt ja die kurzfristige Veränderung der Preise –, dann sieht man, dass sich diese deutlich abgeschwächt hat“, erklärt er im Gespräch mit der NRZ. „Wenn das Statistische Bundesamt eine Inflation im Dezember von 5,3 erwartet, stimmt das im Vorjahresvergleich, aber das zeigt nicht die kurzfristige Inflationsdynamik. Im Vormonatsvergleich sind die Raten deutlich niedriger als sie es in den vergangenen Monaten waren. Und ich würde erwarten, dass sich das nicht deutlich umkehrt.“

Prinzipiell glaubt er, „dass die Vormonatsraten schon noch höher sein werden, als sie es in normalen Zeiten sein sollten. Aber nicht mehr so hoch, wie wir das in den vergangenen Monaten gesehen haben.“