An Rhein und Ruhr. Die Geflügelpest hat NRW auch in diesem Winter wieder erreicht. Ganze Tierbestände werden gekeult. Ein schlechter Zeitpunkt, sagen Geflügelwirte.

Von Entspannung in der Vorweihnachtszeit ist bei Martina Kannenberg nichts zu spüren. Die Geflügelhofbesitzerin aus Kevelaer macht sich große Sorgen um das Weihnachtsgeschäft, denn: die Vogelgrippe hat Nordrhein-Westfalen auch in diesem Winter wieder erreicht. Nach mehreren Ausbrüchen in NRW, genauer in den Kreisen Soest und Paderborn, dürfen dort Hühner, Enten und Gänse nicht mehr ins Freie gelassen werden. Wie die Kreisverwaltung Paderborn mitteilte, erließ das Kreisveterinäramt eine „Aufstallpflicht“ für sämtliches Geflügel. Den gleichen Schritt kündigte auch der Kreis Soest an. Zuvor hatten bereits die Nachbarländer Niederlande und Belgien Fälle der Vogelgrippe gemeldet.

„Kurz vor Weihnachten ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt. Ich hoffe, dass wir im Kreis Kleve glimpflich davonkommen“, sagt die Geflügelwirtin, die Tiere im Direktverkauf an ihre Kunden abgibt. Mit 2.500 Hühnern, zahlreichen Puten, Enten und 600 Weihnachtsgänsen ist der Tierbestand von Kannenberg so groß, dass „wir gar nicht die Möglichkeit hätten, alle Tiere im Stall zu halten“, so wie es die Kreise Soest und Paderborn für ihre Geflügelbetriebe nun angeordnet haben.

Kreis Wesel und Kleve warnen vor Ausbreitung der Geflügelpest

Der zentrale Punkt sei jetzt die Hygiene. Vor jedem Tierkontakt sei es zum Beispiel wichtig, die Hände zu waschen und zu desinfizieren, rät das Landesamt für Natur- und Verbraucherschutz NRW (Lanuv). Vor allem solle „jeder direkte oder indirekte Kontakt zu Wildvögeln und deren Ausscheidungen so weit wie möglich vermieden werden“, appelliert neben dem Lanuv auch die Veterinärabteilung des Kreises Kleve an alle Geflügelhalter, Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, um den Ausbruch der Geflügelpest im Kreis zu verhindern. Auch der Kreis Wesel habe bereits alle größeren Geflügelhalter angeschrieben, um vor der Ausbreitung zu warnen und Hinweise zu Vorsichtsmaßnahmen gegeben, teilt Kreissprecherin Anja Schulte auf NRZ-Anfrage mit. „Die Geflügelhalter in Nordrhein-Westfalen müssen jetzt noch wachsamer sein“, warnt Staatssekretär Heinrich Bottermann in einer Pressemitteilung des Umweltministeriums. Nur die genannten Sicherheitsmaßnahmen könnten Geflügelbestände effektiv vor dem Erreger schützen. „Die Ausbrüche der Geflügelpest treffen die hiesige Geflügelwirtschaft schwer. Das nachgewiesene Virus ist sehr aggressiv und lässt die Tiere mit schweren Symptomen zahlreich verenden“, so Bottermann.

Bereits von Oktober 2020 bis April dieses Jahres erlebte ganz Europa eine schwere Geflügelpest-Seuchenlage. „Im nassen und kalten Winterhalbjahr erleben wir, besonders in den letzten Jahren, einen ständig steigenden Infektionsdruck“, kennt Heinrich Bußmann den Grund für den erneuten Ausbruch der Vogelgrippe um die Weihnachtszeit. Er ist Geschäftsführer des Geflügelverbands in NRW. Bußmann hofft, dass auch die zahlreichen Hobbyhalter „hier mitziehen, denn im Seuchenfall sind auch alle anderen Betriebe im Umkreis von drei Kilometern“ von Restriktionen betroffen, unabhängig von der Betriebsgröße.

Geflügelverband NRW: Langfristig soll eine Impfung helfen

Tritt ein Fall in einem Betrieb auf, werde vorsorglich der gesamte Bestand tierschutzgerecht und von spezialisierten Experten gekeult und in einer Tierkörperbeseitigungsanlage vernichtet, so Bußmann. „Das wichtigste ist, dem Virus den Wirt zu nehmen.“

Auch bei Nachbarhöfen darf zudem „nichts rein und nichts raus, auch keine Gülle. Darin kann sich das Virus auch verbergen.“ In der Zeit danach würde ganz genau die Sterberate der Geflügelbestände in der näheren Umgebung beobachtet. Langfristig baue man auf eine Impfung, um die Tiere schützen zu können. „Ab wann Marker-Impfstoffe zur Verfügung stehen ist zurzeit aber noch nicht absehbar.“

Landwirtin aus Kevelaer fürchtet um den Ruf der Geflügelwirte

Das Schlimmste für Geflügelwirte sei dabei nicht mal die finanzielle Belastung, man bekomme Entschädigungen, sagt Geflügelwirtin Kannenberg. „Was am meisten da dranhängt, ist unser Ruf. Es braucht nicht mal einen Fall im eigenen Betrieb zu geben. Wenn die Menschen hören, dass im Umkreis die Geflügelpest ausgebrochen ist, dann verzichten sie gänzlich auf ihre Weihnachtsgans, egal von welchem Hof“, berichtet Kannenberg aus ihren Erfahrungen.