An Rhein und Ruhr. Schon jetzt ist die Recyclingwirtschaft ein milliardenschwerer Markt mit Zukunftspotenzial. Die Bedeutung der Branche dürfte weiter wachsen.

Dass Altglas in den Container gehört und die Pfandflasche in den Automaten, ist allgemein bekannt. Dass die Recyclingwirtschaft ein milliardenschwerer Markt mit Zukunftspotenzial ist, dürfte weniger bewusst sein. Dabei ist abzusehen, dass das Thema aufgrund der Herausforderung des Klimawandels noch von größerer Bedeutung sein wird. So sieht es zumindest Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) in Bonn: „Ohne Recycling wird der Klimaschutz lang- bis mittelfristig nicht funktionieren. Endlich haben alle verstanden, dass es so nicht weitergehen kann.“ Die Sekundärrohstoff-Branche leiste bereits 100 Millionen Tonnen an CO2-Ersparnis – etwa durch den Einsatz von Schrott, Altglas- oder Altpapier.

„Es gibt ein Riesenpotenzial“, sagt Rehbock. „Ich bin mir sicher, dass der Sektor in den nächsten zehn Jahren enorm an Bedeutung gewinnen wird. Die Bürger, Politik und die EU haben verstanden, dass wir um das Thema Kreislaufwirtschaft nicht mehr herumkommen.“ Das sei eigentlich schon seit Jahren absehbar, doch die Branche sei in den vergangenen Jahrzehnten nur langsam gewachsen. Was auch an dem „politischen Streit zwischen privaten und kommunalen Entsorgungsunternehmen“ über Zuständigkeiten – etwa bei der Müllentsorgung aus privaten Haushalten – gelegen habe. Der sei inzwischen gelöst -– und Recycling habe weiter an Dynamik gewonnen.

Recyclingwirtschaft: Zusammenarbeit auf Landesebene verbessert

Damit das von Eric Rehbock beschworene Potenzial der Recyclingbranche auch genutzt werden könne, brauche es aber mehr Unterstützung seitens der Bundes- und Landespolitik, findet der Hauptgeschäftsführer. „Wir haben schon lange darüber geredet, aber es ist nicht viel passiert.“

Seit dem schwarz-gelben Regierungswechsel 2017 habe sich die Zusammenarbeit auf Landesebene aber verbessert, betont Eric Rehbock: „Wir wurden als Branchenverband zuletzt bei der Entsorgung der Flutschäden vom LANUV um Hilfe gebeten.“ Doch der Verband hofft auf weitere Unterstützung aus der Politik. Neben steuerlichen Erleichterungen und schnelleren Genehmigungsverfahren, wünscht sich Rehbock etwa, dass Kommunen und Städte verstärkt mit Recyclingprodukten bauen würden, beispielsweise Straßen und Gebäude. „Da ist die öffentliche Hand noch extrem zurückhaltend.“

Dabei wachse die Bedeutung der Sekundärrohstoff-Branche für die deutsche Wirtschaft. „Wir haben uns abhängig gemacht vom Rohstoffimport aus China“, sagt Rehbock. „In diesen Tagen begegnen uns überall Lieferengpässe. Da liegt es nahe, die Rohstoffe hier im Land wiederzugewinnen.“ Im vergangenen Jahr habe die Sekundärrohstoff-Branche bereits 85 Milliarden Euro umgesetzt und 310.000 Menschen beschäftigt. Gerade in NRW sei die Branche besonders stark, weil es hier strukturbedingt viel Industrie und Gewerbe gebe.

Uni Professor: Bewusstsein in der Gesellschaft für Recycling ist hoch

Auch Matthias Kleinke sieht beim Thema Recycling noch Luft nach oben. Der Professor für Umwelttechnik an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve bewertet die aktuelle Lage der Kreislaufwirtschaft in Deutschland aus verschiedenen Blickwinkeln. Einerseits habe sich in den vergangenen Jahrzehnten ein gut funktionierendes Entsorgungssystem gebildet mit sehr hohen Wiederverwertungsquoten in verschiedenen Bereichen wie Papier. Global betrachtet sei Deutschland dabei sehr gut aufgestellt, auch das Bewusstsein in der Gesellschaft für Recycling sei hoch.

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Allerdings gebe es durchaus noch viel Potenzial nach oben: „Wenn wir an Kunststoffe denken, haben wir zwar eine hohe Sammelquote, allerdings eine ausbaubare Wiederverwendungsquote“, erklärt Kleinke. Viele Kunststoffe könnten aus seiner Sicht besser noch weiter im stofflichen Verwertungskreislauf bleiben, anstatt sie direkt zur Energiegewinnung zu verbrennen. Hier erklärt sich auch der Unterschied zwischen den Begriffen Recycling und Verwertung. Letzterer ist breiter gefasst und schließt neben der Kreislaufwirtschaft (Recycling) die lineare Verwertung, wie die energetische Verbrennung, mit ein.

Recycling: Muss Verpackungsdesign vereinfacht werden?

Als weiteren Punkt, der aus Umweltsicht noch verbessert werden könnte, ist das Design von Verpackungen. „Schon bei der Produktion müsste die Frage gestellt werden, was am Ende damit passiert“, erklärt Matthias Kleinke. Generell müsse mehr funktioneller gedacht werden. Als Beispiel führt er die vielen verschiedenen Formen von Bierflaschen unterschiedlicher Marken an. „Glas ist ja gut, aber wieso müssen die Flaschen der Brauereien alle ein individuelles Design haben?“

So können die Pfandflaschen auch nur von dieser Brauerei wiederverwertet werden. Nachhaltiger wären Bierflaschen, die von jeder Brauerei gleich genutzt werden würden, da man viele Transportwege vermeiden würde. „Da waren wir schonmal besser mit einheitlichen Flaschen. Das sind Wege zur Vermeidung“, so der Umwelttechniker, der von 2003 bis 2011 selbst Geschäftsführer eines Entsorgungsbetriebs war.