An Rhein und Ruhr. Viele Schulen in NRW berichten von einer Zunahme an Cybermobbing. Schuld sei die Pandemie. Warum es so schwer ist, diese Fälle zu zählen.

„Du bist ekelig“ oder „halt die Fresse, du Schlampe“ sind nur zwei Beispiele, die Kinder und Jugendliche im Internet manchmal zu hören bekommen. Gerade durch die Corona-Krise verbringen junge Menschen ihre Freizeit häufiger am Handy, die Folge: Mobbing übers Internet, sogenanntes Cybermobbing, hat an den Schulen an Rhein und Ruhr zugenommen, auch, wenn es in Zahlen kaum messbar ist, wie Dimitria Bouzikou, Fachreferentin für Gewaltprävention bei der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen sagt.

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„Man muss immer mitdenken, dass den Befragten keine einheitliche Definition von Cybermobbing zugrunde liegt“, weist Bouzikou, auf folgende Fragen hin: Wann kann von Mobbing-Attacken gesprochen werden? Wie definiert der Einzelne Mobbing? Sind es Beleidigungen oder gar die Verbreitung von Fotos? Deswegen seien auch die Ergebnisse einer Studie des Bündnis gegen Cybermobbing „mit Vorsicht zu betrachten“.

Bundesweite Studie zum Thema Cybermobbing mit Vorsicht betrachten

Laut dieser Studie aus dem Jahr 2020 seien bundesweit 17,3 Prozent von insgesamt 3,75 Millionen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, von Cybermobbing betroffen. „Die Studie wurde auch 2017 durchgeführt. Dort war der Anteil der betroffenen Schülerinnen und Schüler 4,6 Prozentpunkte geringer. Der Anstieg wird auch durch die besonderen Umstände der Covid-19-Pandemie erklärt“, so Bouzikou. Die Frage, ob Kindern und Jugendlichen der Zugang zu den Sozialen Medien verwehrt werden sollte, beantwortet die Fachreferentin mit einem klaren Nein. „Das wäre genau der falsche Weg. Ohne soziale Medien hätten Heranwachsende vor allem während des Lockdowns noch weniger Möglichkeiten gehabt, mit ihren Freunden in Kontakt zu bleiben. Medien sind ein fester Bestandteil in der Lebenswelt von Heranwachsenden. Eltern und Fachkräfte sollten Kinder und Jugendliche begleiten, um verantwortungsvoll und grenzachtend über Medien zu kommunizieren“, lautet ihre Meinung.

Christian Linke, Schulsozialarbeiter an der städtischen Realschule in Düsseldorf-Benrath sieht es, zumindest was den Umgang mit Handys und den sozialen Medien angeht, etwas anders: „Ich würde für die Jahrgangsstufen fünf und sechs auf jeden Fall ein Handyverbot erteilen, wenn ich der nächste Bundeskanzler wäre“, sagt er und lacht, wird jedoch schnell wieder ernst: „Bestimmte Textnachrichtendienste, sind nicht umsonst erst für Jugendliche ab 16 Jahren eingestuft. Wieso muss man mit 10 Jahren dort ein Konto haben?“ An der städtischen Realschule hätte es während der Homeschooling-Zeit vor allem über solche Apps Beleidigungen in Chatgruppen gegeben.

Essener Schulsozialarbeiterin berichtet von zwei bis drei Cybermobbingfällen pro Stufe

„Die Sprache der Kinder in den Chats ist wirklich gruselig geworden“, sagt auch Kerstin Niewerth. Sie ist Schulsozialarbeiterin an der Frida-Levy-Gesamtschule in Essen und berichtet von ein bis zwei bekannten Cybermobbingfällen pro Klasse im Laufe der Schuljahre in jeder Stufe. Gerade durch die Pandemie seien die Kinder „nicht richtig sozialisiert, der Umgang ist rau, sie wissen nicht mehr, wie man sich in einer Gruppe verhält“. Manche Cybermobbing-Attacken würden auch in Schlägereien auf dem Schulhof ausarten. Doch der physische Schmerz ist es nicht, der Menschen, die in ihrer Jugend an Mobbing leiden, ein Leben lang prägt. „Es gibt viele Kinder, die daran zerbrechen, Depressionen entwickeln. Ich merke, dass gerade in Corona-Zeiten die Kinder und Jugendlichen angreifbarer sind. Viele haben mit Panikattacken zu kämpfen, sind psychisch einfach sehr labil als Folge der Pandemie“, erklärt Niewerth.

Eine ehemalige Schülerin, mittlerweile 26 Jahre alt, begleite die Schulsozialarbeiterin auch heute noch. „Sie litt damals stark unter Mobbing. Es ging so weit, dass sie eine Essstörung entwickelte und sich zeitweise professionelle Hilfe holte. Wenn es ihr jetzt schlecht geht, kommt sie auch immer noch vorbei.“ Das Mädchen hatte damals jedoch auch keinen Rückhalt aus ihrem Elternhaus. Dies ist für Heranwachsende, die von Mobbing betroffen sind, jedoch enorm wichtig. Sie halte nichts davon, dass Eltern die Handys ihrer Kinder regelmäßig kontrollieren, appelliert jedoch an die Erziehungsberechtigten: „Die Schüler müssen wissen, dass die Eltern sie auffangen, egal was ist. Man sollte eine gute Vertrauensbasis schaffen, damit die Kinder sich den Eltern von allein öffnen. Denn sie sind meist die letzten, die davon erfahren.“

Klever Schulleiter: „Digitalisierung stellt uns mit dem Cybermobbing vor eine neue Herausforderung“

Um die Eltern für das Thema mehr zu sensibilisieren, führen viele Schulen an Rhein und Ruhr themenbezogene Elternabende durch, so auch das Konrad-Adenauer-Gymnasium (KAG) in Kleve. „Die Digitalisierung stellt uns mit dem Cybermobbing vor eine neue Herausforderung“, stellt Bernd Westerhoff, Schulleiter des KAG, fest. Wenn auch nur marginal, merke auch er den Anstieg der Fälle an seiner Schule „und das sind nur die Fälle, die uns wirklich bekannt sind“, meint er.