Bochum. Die Kunden der Kassen müssen sich teilweise auf Beitragssteigerungen gefasst machen – das sagt Viactiv-Vorstandschef Reinhard Brücker voraus.

„Wohl die Hälfte der Krankenkassen wird im kommenden Frühjahr die Beiträge erhöhen müssen“, meint Reinhard Brücker, Vorstandschef der Viactiv-Krankenkasse. Grund dafür seien rückläufige Einnahmen, kostenträchtige Gesetze und die hohen Ausgaben der Kassen während der Corona-Pandemie, die Reserven seien so gut wie aufgebraucht, sagte er im Gespräch mit der NRZ. Wenn man nicht die Versicherten zusätzlich belasten wolle, seien 2022 zusätzliche sieben bis neun Milliarden Euro vom Staat nötig, betonte Brücker weiter.

Gleichzeitig kritisiert der Kassenchef, dass niemand genau wisse, wo die milliardenschweren Hilfen des Bundesgesundheitsministers während der Pandemie hingeflossen sind: „Jens Spahn hat jede Menge Geld verteilt, aber davon haben weder die Patienten noch die Pflegekräfte viel mitbekommen“, so Brücker. Er könne zum Beispiel nicht nachhalten, ob die Kliniken die Prämie für die Pflegemitarbeiter auch tatsächlich weitergeleitet hätten.

Weniger Fälle, mehr Geld vom Staat

Es sei ein Dilemma, dass zwar staatliches Geld und Geld der Krankenkassen für die Pflege bereitstehe, aber auf dem Markt keine Kräfte zu finden seien. „Und dann werden auch noch teure Headhunter mit der Suche bezahlt.“ So komme es, dass Deutschland zwar mit der Pandemie recht gut umgegangen sei, es nun aber auf eine „Schädigung der Sozialsysteme“ hinauslaufe.

Sagt steigende Beiträge voraus: Der Chef der Viactiv, Reinhard Brücker. (Archivbild)
Sagt steigende Beiträge voraus: Der Chef der Viactiv, Reinhard Brücker. (Archivbild) © WP | Jens Helmecke

Unterm Strich seien in den Krankenhäusern im vergangenen Jahr 13 Prozent weniger Fälle behandelt worden. Zugleich bekamen die Kliniken 13 Prozent mehr Geld vom Staat. „Da läuft etwas schief, denn in vielen Krankenhäusern wird vor allem auf den Gewinn geschielt“, private Krankenhausbetreiber seien da nur ein Beispiel. „Wenn jemand eine Hüftoperation hinter sich hat, ist keine Zeit mehr für die nötige Mobilisierung des Patienten da. Das darf nicht sein“, sagt der Viactiv-Chef.

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Und er fügt hinzu: „Es war sicher richtig, dass während der Pandemie auf Bürokratie verzichtet wurde. Doch wenn die Krankenhäuser lediglich ein Fax ans Sozialministerium in NRW schicken mussten, um Geld anzufordern, dann gibt es da keinerlei Kontrolle“, meint Brücker. Zudem seien gerade während der Pandemie viele Häuser mit der Behandlung von Covid-Patienten überfordert gewesen.

Über die Landesgrenzen hinausdenken

Mit Blick auf die künftige Bundesregierung mahnt Brücker Veränderungen im Gesundheitswesen an: „Gewinnmargen dürfen nicht im Vordergrund stehen. Man kommt sicher mit weniger Krankenhäusern aus. Doch diese müssen dann spezialisierter sein. Und weniger Personal darf es auf keinen Fall geben.“

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In NRW steht der Krankenhaus-Plan zur Beratung im Landtag an. „Zwei Jahre hat man sich Zeit gelassen. Viele Ideen, besonders die Qualitätsausrichtung von Gesundheitsminister Laumann, sind dabei gut. Allerdings muss bei der Konzentration der Kliniken und Bedarfsplanung auch über die Landesgrenzen hinausgedacht werden. Es kann nicht sein, dass im nordrhein-westfälischen Brilon ein Krankenhaus knapsen muss und keine Investitionsmittel erhalten hat, während im benachbarten Korbach in Hessen Geld genug vorhanden ist.“

Von der künftigen Bundesregierung erwartet Brücker einen Neustart im Gesundheitswesen. Und er betont, dass es nicht nur bei der SPD, sondern auch bei den Grünen mit Maria Klein-Schmeinck aus Münster und Prof. Andrew Ullmann ausgewiesene Experten gebe. Brücker: „Sicher sind diese Politiker für neue Ideen und Impulse gut.“