Xanten. Der seltene Vogel ist zurück in seinem Revier auf der Bislicher Insel bei Xanten. Wie die Rettung für das verletzte Seeadlerweibchen ablief.

Am 3. Juli fiel buchstäblich ein Adler vom Himmel; unmittelbar an der B57 in Xanten-Birten. Ziemlich apathisch saß der Riesenvogel dann vor einem Schafsdraht. Dahinter tummelten sich freilaufende Hühner, die hatte er wahrscheinlich im Visier. Tollpatschig hatte der majestätische Vogel wohl seinen Jagdflug versemmelt. Dabei soll er auch einen Motorradfahrer leicht touchiert haben. Erfreulicherweise wurde der Biker nicht verletzt. Für das junge Seeadler-Weibchen allerdings war Holland in Not.

Aufmerksame Passanten hatten zum Glück das Dilemma mitbekommen. Darunter auch Christine Pokall und Horst Rethmer vom Nabu in Xanten. Die sofort alarmierte Polizei und auch die RVR-Ranger von der Bislicher Insel waren Minuten später vor Ort. Falkner Karl-Heinz Peschen kam von der Nabu-Greifvogelstation in Wesel ebenfalls so schnell es ging. Beherzt, und mit gekonnten Griffen, hat dann der drahtige Achtzigjährige den Jungadler gepackt und in eine Spezial-Transportbox fachmännisch untergebracht.

Seeadler war traumatisiert und unterversorgt

Schon vor Ort stellte Peschen fest, dass der Greifvogel ein spitzes Brustbein aufwies. Seine Blitzdiagnose: „Das ist ein großes, junges Seeadler-Weibchen. Ziemlich abgemagert und wahrscheinlich jetzt traumatisiert“. Die ersten beiden Tage in der Weseler Greifvogelstation fraß der Schützling nur ganz wenig, obwohl ihm ausreichend artgerechte Nahrung angeboten wurde. Am dritten Tag brachte dann der Autor den Adler zum Röntgen nach Moers. Dr. Preutenborbeck gab grünes Licht. Weder Knochen noch Organe wiesen Auffälligkeiten auf. Aber der Futterzustand sei besorgniserregend, so dass der Adler noch eine notwendige Aufbauspritze bekam.

Das wiedergenesene junge Seeadler-Weibchen zeigt ihre mächtige Flügelspannweite.  
Das wiedergenesene junge Seeadler-Weibchen zeigt ihre mächtige Flügelspannweite.   © Peter Malzbender

Auch in den darauffolgenden Tagen fraß der Vogel viel zu wenig. Das bereitete Falkner Peschen Kopfzerbrechen. Er setzte alle Hebel in Bewegung und konnte so seinen Bekannten den Tierarzt Dr. Dominik Fischer, Kurator im Zoo Wuppertal, nach Wesel locken. Der ausgezeichnete Greifvogelexperte machte dann bei dem arg geschwächten Jungadler eine Notversorgung. Mittels Trichter und Spezialschlauch zum Magen wurden dem Tier fachmännisch behutsam gut 400 Gramm Fleischbrei eingeflößt. Außerdem wurden Spezialmedikamente verabreicht. Dies war zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich lebensrettend. So langsam kam der Pflegling wieder auf die Beine.

In Rösrath auf die Flügel gebracht

Damit war die Odyssee allerdings noch nicht beendet. Die Greifvogelstation in Wesel hat keine geeignete Adlervoliere. Der Autor, der auch Hauptverantwortlicher für die Weseler Greifvogelstation ist, beantragte kurzerhand bei der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Wesel die Überführung des hochgradig geschützten Greifvogels zur Bergischen Greifvogelhilfe nach Rösrath. Die wurde nach genauer Prüfung auch relativ schnell erteilt. Biologin Petra Sperlbaum und Ornithologe Peter Malzbender von der Greifvogelstation in Wesel übernahmen den Transport. Am 16. Juli nahm Dirk Sindhu, Leiter der Station in Rösrath, den Adler in Empfang. Hier wurde der Vogel nach einer Erstuntersuchung separat in eine störungsfreie Adlervoliere gesetzt. Fortan bekam das junge Krummschnabel-Weibchen nur noch Sindhu zu Gesicht. Ab sofort standen täglich ein geschlachtetes Huhn, Forelle und Ratten auf dem Speiseplan. Und täglich wurden sehr spezielle Lösungen dem Adler von Sindhu gespritzt.

Dirk Sindhu gehört zu den renommiertesten Greifvogelpflegern Deutschlands. Der prächtige Adler machte sich alsbald wieder regelmäßig über das Futter her. Schon nach wenigen Tagen konnte er in eine 150 Quadratmeter große Flugvoliere gebracht werden. Endlich flog der Greif auch wieder hoch und baumte auf. Nach wenigen Tagen war die Flugmuskulatur wieder ausreichend aufgebaut. Am 31. Juli konnte der Jungvogel wieder zurück auf die Bislicher Insel nach Xanten gebracht werden. In dem großen Naturschutzgebiet wurde er dann auf einer schwer zugänglichen Insel wieder ausgewildert. Gar nicht weit vom Horst entfernt, in dem er dieses Jahr großgeworden ist. Die gut geschützte Stelle hatte Ranger Uli Gräfer vorher mit der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt. Zum Abschied erschienen die beiden männlichen Geschwister und die beiden Altvögel am Himmel. Fast zu kitschig – aber trotzdem wahr.

>>> Das einzige Seeadler-Brutpaar in NRW

Seit wenigen Jahren brütet der Seeadler im ökologisch wertvollen Naturschutzgebiet Bislicher Insel bei Xanten. Dem einzigen Seeadler-Brutplatz in NRW.

Dreimal hat hier das Paar bisher erfolgreich Junge aufgezogen. Diese Jahr sogar drei Jungadler. Das ist bei Seeadlern außergewöhnlich.