Rommerskirchen. Tabak im Schuhabsatz oder Kaffee unterm Kleid – Schmuggler waren schon immer kreativ. Das beweist die Ausstellung des Kulturzentrums Sinsteden.
Tabak im Schuhabsatz ist fast ein klassisches, Kaffeebohnen unterm Kleid dagegen eher ein kreativeres Versteck. „Um den Zoll zu betrügen, ist der Reifrock von großem Nutzen“, hat schon Honoré Daumier auf einer entsprechenden Zeichnung von 1857 festgehalten. Zoll und Schmuggel gehören untrennbar zusammen, das beweist einmal mehr die aktuelle Ausstellung „Grenzgänger – Zöllner und Schmuggler“ im Kulturzentrum Sinsteden. Neben den kreativsten Schmugglergeschichten beschäftigt sich die Ausstellung aber auch mit den historischen Anfängen des Zolls. Denn los ging alles, natürlich, mit den Römern.
„Der Zoll war die Haupteinnahmequelle des Römischen Reichs“, erklärt Dr. Kathrin Wappenschmidt. Und so mussten „Grenzgänger“ schon in der Antike für ihre Ware eine Zollgebühr bezahlen. Dabei gab es bei den Römern nie eine lineare Grenze, sondern eher einen offenen Grenzraum. „Der Austausch war gewollt“, so die Kuratorin. Schmuggel selbstverständlich nicht, doch selbst die Zolltürme konnten ihn nicht komplett verhindern. Im Mittelalter wurde das römische Zollsystem beibehalten, in der Neuzeit aber wurde es zunehmend komplizierter. Denn die zahlreichen kleinen Herzogtümer und Königreiche hatten nicht nur ihre eigenen Zölle, sondern auch ihre eigenen Maße und Gewichte.
80 Zollstationen auf einer Reise
„Wer 1815 von Köln nach Königsberg reiste, musste an 80 Zollstationen Halt machen“, macht es Wappenschmidt ganz deutlich. Mit der Gründung des Deutschen Zollvereins in 1834 entstand schließlich ein einheitliches Zollsystem, das laut Expertin bis heute eine entscheidende Funktion aufweist: „So wird das Staatssystem mitfinanziert, aber auch ein ideologischer Raum geschaffen.“ Denn der offene Grenzraum wich schließlich einer offiziellen Grenze. Und die wurde im 19. Jahrhundert zwischen Polen und Litauen gerne auch schon mal mit einem Misthaufen und einem Reisigbesen definiert. „Hauptsache, ein Grenzbeamter stand daneben.“
Doch selbst so ein hochoffiziell wirkende Zöllner unterlag allzu häufig den Tricks der Schmuggler. Um das zu verdeutlichen, nimmt Wappenschmidt mit in den wohl spannendsten Raum der Ausstellung. Beliebte Schmugglerware wie Tabak und Kaffee tauchen erneut neben Wein und Schokolade auf, davor aber steht ein lebensgroßes … Rind. Selbstverständlich hat die Kuratorin auch dazu direkt eine Geschichte zu erzählen: „Wenn ein dänischer Händler Rinder nach Hamburg exportieren wollte, musste er an zwei Grenzübergängen Zoll bezahlen.“ Ziemlich ärgerlich. Um die Gebühren zu sparen, pachtete ein Händler kurzerhand eine Wiese hinter der Grenze. Und ließ fortan seine Tiere im günstigen Moment rüberlaufen.
Mit dem Schnellboot über die Grenze
Aber der Schmuggel funktionierte auch ganz gut andersherum. So fuhren in den 1960er Jahren regelmäßig zwei Dänen nach Ostdeutschland, wo sie jedes Mal von Männern des DDR-Geheimdienstes begrüßt wurden. „Der Kapitalismus sollte geschwächt werden, indem die westliche Wirtschaft mit Schmuggelware unterlaufen wurde“, erklärt Wappenschmidt. Die beiden Dänen kauften riesige Mengen Zigaretten ein und fuhren mit dem Schnellboot Coronet 21 zurück. Die dänische Zollbehörde kamen mit ihren deutlich langsameren Booten nicht hinterher, woraufhin folgender Werbeslogan entstand: „Neun von zehn Schmugglern bevorzugen die Coronet 21“. Kreativität braucht es eben.
>>> Themenjahr „Provinz – provinciaal“
„Grenzgänger – Zöllner und Schmuggler“ im Kulturzentrum Sinsteden, Grevenbroicher Straße 29, in Rommerskirchen ist noch bis zum 19. September 2021 zu sehen. Die Ausstellung ist Teil des Themenjahres „Provinz – provinciaal“.
Ausgehend vom Niedergermanischen Limes, der von der Unesco als neues Weltkulturerbe ausgezeichnet wurde, untersucht das Kulturgeschichtliche Museumsnetzwerk Rhein-Maas in dem Themenjahr das kulturgeschichtliche Umfeld des römischen Erbes.
Weitere teilnehmende Museen sind zu finden unter www.kulturraum-niederrhein.de