Essen. Seit 2019 besteht die Frauenbewegung Maria 2.0. Eine Essenerin erzählt, wie sie zu der Initiative kam und verrät, welche Wünsche sie an Rom hat.
Sie wollen eine zeitgemäße Kirche leben, in der Machtstrukturen zwischen den Geschlechtern gerechter verteilt sind und setzen sich vor allem dafür ein, dass der Missbrauchsskandal aufgearbeitet wird: Das ist es, wofür Maria 2.0, die Frauenbewegung der katholischen Kirche, steht.
Petra Focks, pensionierte Lehrerin aus Essen, ist eine von den „Sorgerinnen der Kirche“, wie sie selbst die Teilnehmerinnen dieser Bewegung nennt. Focks, die über sich selbst sagt, sie sei „kein Emanzentyp“, engagiert sich bereits seit Beginn der Frauenbewegung, im Mai 2019, für Maria 2.0. Mittlerweile gibt es Gruppen der Initiative in ganz Deutschland und weit über die Grenzen hinaus. Wie viele Mitglieder Maria 2.0 bis heute bereits zählt, sei schwer zu fassen. „Wir sind wie eine Graswurzelbewegung, was uns alle eint, ist das Anliegen einer geschwisterlichen Kirche, integrierend, nicht ausgrenzend“, betont Focks.
Essenerin will gegen traditionelle Männerwirtschaft wirken
Sie selbst sei zu der Initiative durch ihren Beruf gekommen: „Wir hatten an der Schule zwar einen Frauenanteil von 60 bis 70 Prozent, jedoch waren in der Schulleitung und erweiterten Schulleitung nur Männer tätig“, erklärt sie. Gegen „diese traditionelle Männerwirtschaft“ wolle sie steuern.
Die Kirche sollte eine „Vorreiterfunktion“ haben und „mit gutem Beispiel voran gehen“. Dafür wolle sie aktiv sein und beteiligt sich an Segnungsfeiern wie der Initiative „Liebe gewinnt“ bei der im Mai diesen Jahres schwule uns lesbische Paare gesegnet wurden. Ein Zeichen gegen Diskriminierung und für Vielfalt in der katholischen Kirche.
Initiative Maria 2.0 führt Gottesdienste vor den Kirchen durch
Wichtig seien ihr auch die Gottesdienste und gemeinsamen Gebete vor den Kirchen. „Wir machen es extra draußen, dort, wo uns jeder sehen kann. Wir wollen sichtbar sein und zeigen, dass die Kirche niemanden ausschließt“, erklärt sie. Mit kritischen, progressiven Texten will die Initiative zwar die „Kirche in ihren Grundfesten erschüttern, wir wollen aber keine Revolution anzetteln“, stellt die 69-Jährige klar.
In Zeiten von Corona waren Gottesdienste und Gebete jedoch nur schwer durchführbar. „Wir haben aber Kreide- und Plakataktionen veranstaltet“, erklärt Focks. Ganze Straßenzüge seien mit Regenbögen bemalt worden, im Sauerland habe die Bewegung einen Stationsweg erstellt. „Auch hier haben wir entlang des Weges Plakate aufgehangen und QR-Codes an Bäumen angebracht und über die Aktion ,Liebe gewinnt’ informiert. Viele der Frauen waren wirklich sehr kreativ.“
Gründerinnen von Maria 2.0 treten aus der katholischen Kirche aus
Auch interessant
Doch nicht nur Corona hat die Arbeit der Frauenbewegung in diesem Jahr verändert. Im April wird öffentlich: Die beiden Maria-2.0-Gründerinnen, Elisabeth Kötter und Andrea Voß-Frick, treten aus der katholischen Kirche aus. „Die Zugehörigkeit zur Kirche auf dem Papier ist eine Sache, der Glaube eine andere Sache. Ich glaube, dass der Austritt der beiden Maria 2.0 keinen Abbruch tut“, sagt Focks und erklärt, dass Kötter und Voß-Frick die Initiative immer noch unterstützen. Sie hätten aber einsehen müssen, dass es unmöglich sei die Hierarchien und Machtstrukturen in der katholischen Kirche aufzubrechen.
Dass es nicht einfach ist diese Ziele zu erreichen, gibt auch Focks zu. Sie wünsche sich vor allem mehr Unterstützung seitens des Papstes: „Wir wollen ein Zeichen aus Rom, dass es um mehr geht, als um einen Austausch, einen Wandel von Personen: Es geht um einen pastoralen, theologischen und spirituellen Wandel. Neue Wege müssen beschritten werden.“
Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx nicht nachgekommen
Focks spielt dabei unter anderem auf eine gleichberechtigte Position von Frauen und Männern in allen kirchlichen Ämtern und Diensten sowie die Missbrauchsverbrechen an, die ihrer Meinung nach durch „eine unabhängige Kommission transparent aufgearbeitet werden müssen“. Dass der Papst in diesem Zusammenhang dem Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx nicht nachgekommen ist, sei ein wichtiges Zeichen gewesen. Dennoch wünsche sich Focks: „Der Papst müsste noch stärker sein, stärker den synodalen Weg gehen, stärker längst fällige Reformen durchsetzen.“ Gerade was Frauen anbelangt, „engt die katholische Kirche immer noch zu sehr ein.“
Frauen dürften beispielsweise Sterbende begleiten, wenn es jedoch um den kirchlichen Beistand geht, dann werde ein Priester geholt. „Das ist doch absurd. Frauen müssen auch in der katholischen Kirche ihrer Berufung nachkommen“, lautet die klare Meinung der 69-Jährigen.
Dass sie es noch erleben wird, dass Frauen zu allen Ämtern in der Kirche Zugang bekommen, genauso wie Männer auch, glaubt sie nicht: „Aber manchmal geht es auch schneller als man denkt. Mit dem Mauerfall hat damals auch niemand gerechnet.“